In einem Interview haben Sie gesagt, wer etwas über Sie erfahren will, soll Sie nicht nach der Herkunft Ihres Namens fragen, sondern nach Ihrer Lieblingsserie. Die wäre?
Ich habe mehrere. The Good News, Gilmore Girls, New Girl, Unbreakable Kimmy Schmidt, Killing Eve – das sind alles Serien, die ich mehr als einmal gesehen habe.
Und jeweils am Stück …?
Ja, die Serie Wednesday hatte ich gerade fertig – und nur zwei Tage später gleich nochmals durchgeschaut.
Was zeichnet diese Serien aus?
Alle haben eine weibliche Hauptperson. Und die meisten sind ultimativ lustig. Ich liebe gute Unterhaltung mit einem intelligenten Humor. Killing Eve ist die Geschichte einer Profikillerin, erzählt mit einem brillanten Humor.
Überwindet Humor Grenzen?
Auf jeden Fall. Humor ist verbindend. Zumindest für mich. Aufgrund des Humors einer Person entscheide ich, ob es ein zweites oder drittes Date gibt. Dies gilt auch bei Freundinnen und Freunden. Wer denselben Humor teilt, unternimmt lieber etwas zusammen. Es ist eine Frage des gemeinsamen Verständnisses.
Es dauert jeweils einen Moment, bis jemand auf mich eingegroovt ist.
Gülsha Adilji
Aber der Humor ist nicht überall auf der Welt der gleiche.
Vermutlich nicht. Ich war gerade in Costa Rica. Alle Menschen, die ich dort getroffen habe, hatten einen sehr ironischen Humor. Obwohl wir uns jeweils in Englisch und nicht in der Muttersprache unterhielten, nutzten sie eine sehr spielerische Sprache. Für mich gibt es lustigere und ernstere geographische Regionen.
Und die Schweiz ist?
Die Schweiz ist wohl eher ernst. Es geht hier ernster zu. Ich spüre dies, weil ich oft erklären muss, wenn ich etwas witzig und ironisch meine. Es dauert jeweils einen Moment, bis jemand auf mich eingegroovt ist. Vielleicht sind deswegen bei mir Humor-Grenzen entstanden. Aber grundsätzlich half mir der Humor, Grenzen zu überwinden.
Gab es Grenzen oder Hindernisse aufgrund Ihrer Herkunft?
Für mich war dies nie wirklich spürbar. Schauen Sie mich an. Ich bin eine weisse Frau mit Kulleraugen, die sehr unbedrohlich aussieht. So werde ich gelesen. Ich kann mich echt nicht beklagen, ich bin erfolgreich in dem, was ich mache. Nur weil ich Gülsha Adilji heisse, spürte ich nie mega viel Gegenwind. Wen man meinen Namen nicht kennt, denkt man eigentlich, dass ich Schweizerin bin. Mit meinem Ostschweizer Dialekt kommt niemand auf die Idee, dass ich keine Schweizerin sein könnte.
Sie hatten keine Nachteile?
Nein. Ich konnte immer Raum einnehmen und mir Ausdruck verleihen. Als junges Mädchen konnte ich mir während der Schulzeit sehr viel erlauben und freche Witze machen. Eigentlich ist meine Karriere eine Aneinanderreihung von Grenzüberschreitungen. Wahrscheinlich wären die Schlagzeilen aber anders gewesen, wenn ich ein Mann wäre. Aber das ist eine These.
Liegt der Humor in der Familie?
Meine Familie hat mütterlicherseits einen Wahnsinnshumor. Er ist eine Art Love Language und sehr familiär.
Jetzt engagieren Sie sich für «ici. gemeinsam hier.» Was überzeugt Sie am Förderprogramm, das den Zusammenhalt in der Schweiz stärken will?
Eigentlich bin ich wie die Jungfrau Maria zum Kind gekommen. Ich habe mich im Projekt Sportegration engagiert. Über diese Aktivität ist der Kontakt zu «ici. gemeinsam hier.» entstanden. Erst da habe ich die Breite der Projekte realisiert, die von Migros-Engagement unterstützt werden.
Was für ein Projekt wünschen Sie sich in der nächsten Ausschreibung?
Mir gefällt alles, was Low-key ist. Projekte, bei denen Menschen ohne Hemmschwelle teilnehmen können, weil sie z.B. in der Nähe stattfinden oder weil man sie einfach versteht. Das wünsche ich mir. Sie sollten etwas beinhalten, das die angesprochenen Menschen sowieso gerne machen. Ich treibe bspw. gerne Sport. Das ist für mich eine einfache Art, mich mit anderen Menschen zu vereinen. Für jemand anderen ist vielleicht Stricken eine Tätigkeit, um sich mit anderen Menschen zusammen zu tun.
Wäre das eine erfolgreiche Integration?
Erfolgreiche Integration ist, wenn man nicht darüber sprechen oder nachdenken muss, wenn es kein Thema ist. Menschen treffen sich einfach. Mohammed, Fabian oder Gülsha sollten sich einfach zum Wandern oder Stricken treffen. Herkunft sollte keine Relevanz mehr haben.
Wenn ich mir überlege, an einem anderen Ort zu leben, dann würde ich gerade mein schweizerisches Kulturgut hochhalten.
Gülsha Adilji
Integration ist gelungen, wenn sie kein Thema mehr ist?
Genau.
Aber der Begriff Integration stört Sie?
Bei Integration geht es häufig darum, dass sich Menschen aus einem anderen Kulturkreis fast schon überanpassen müssen. Sie können gar nicht sich selbst sein, ihre Persönlichkeit leben, weil das vielleicht als störend empfunden wird, obwohl es das nicht ist. Der Begriff Integration hat für mich etwas Einengendes. Es trifft immer Menschen, die durch spezielle Umstände in ein Land gekommen sind, und diese Umstände führen dazu, dass sie anders behandelt werden. Aber alle sollten sich selbst sein dürfen. Wenn ich mir überlege, an einem anderen Ort zu leben, dann würde ich gerade mein schweizerisches Kulturgut hochhalten. Ich möchte mich nicht dafür verstecken, Schweizerin zu sein.
An den Suisse Podcast Awards wurden Sie soeben in der Kategorie Unterhaltung ausgezeichnet. Sind digitale Medien geeignet, um Grenzen abzubauen?
Sie leisten einen Beitrag. Sie sind ein Fenster zur Welt und wir sehen, dass Mohammed aus Syrien nicht anders ist und dieselben lustigen Tictoc-Videos produziert wie ich. Aber natürlich können auch Inhalte wie Hate Speech über die digitalen Kanäle verbreitet werden. Es ist ein zweischneidiges Schwert.
Zusammenhalt fördern
Mit dem Programm «ici. gemeinsam hier.» fördert Migros-Engagement seit 2022 Projekte, die sich für ein solidarisches und chancengleiches Zusammenleben in der Schweiz einsetzen. Am 3. April 2023 startet die zweite Ausschreibung für neue Projekte. Ausgewählte Projekte werden über ein Jahr Jahre mit 1000 bis 25‘000 Franken finanziell gefördert und können fachlich begleitet werden. Bis am 31. Mai 2023 können Teams ihr Projekt einreichen. Neu ist dies in 17 Sprachen möglich. Partner:innen des Programms sind die Eidgenössische Migrationskommission EKM, die Konferenz der Integrationsdelegierten (KID), die Schweizerische Konferenz der Fachstellen für Integration KoFI und die Tripartite Konferenz TK.