Bild: Mirjam Kluka

Ich sehe sehr unbe­droh­lich aus

Am 3. April 2023 startet die zweite Ausschreibung von «ici. gemeinsam hier.» Gülsha Adilji engagiert sich für das Förderprogramm von Migros-Engagement, das den Zusammenhalt in der Schweiz stärken will. Die Journalistin und Moderatorin sagt, was sie am Begriff Integration nicht mag und wie Humor Grenzen überwindet.

In einem Inter­view haben Sie gesagt, wer etwas über Sie erfah­ren will, soll Sie nicht nach der Herkunft Ihres Namens fragen, sondern nach Ihrer Lieb­lings­se­rie. Die wäre?

Ich habe mehrere. The Good News, Gilm­ore Girls, New Girl, Unbre­aka­ble Kimmy Schmidt, Killing Eve – das sind alles Serien, die ich mehr als einmal gese­hen habe.

Und jeweils am Stück …?

Ja, die Serie Wednes­day hatte ich gerade fertig – und nur zwei Tage später gleich noch­mals durchgeschaut.

Was zeich­net diese Serien aus?

Alle haben eine weib­li­che Haupt­per­son. Und die meis­ten sind ulti­ma­tiv lustig. Ich liebe gute Unter­hal­tung mit einem intel­li­gen­ten Humor. Killing Eve ist die Geschichte einer Profi­kil­le­rin, erzählt mit einem bril­lan­ten Humor.

Über­win­det Humor Grenzen?

Auf jeden Fall. Humor ist verbin­dend. Zumin­dest für mich. Aufgrund des Humors einer Person entscheide ich, ob es ein zwei­tes oder drit­tes Date gibt. Dies gilt auch bei Freun­din­nen und Freun­den. Wer densel­ben Humor teilt, unter­nimmt lieber etwas zusam­men. Es ist eine Frage des gemein­sa­men Verständnisses.

Es dauert jeweils einen Moment, bis jemand auf mich einge­groovt ist.

Gülsha Adilji

Aber der Humor ist nicht über­all auf der Welt der gleiche.

Vermut­lich nicht. Ich war gerade in Costa Rica. Alle Menschen, die ich dort getrof­fen habe, hatten einen sehr ironi­schen Humor. Obwohl wir uns jeweils in Englisch und nicht in der Mutter­spra­che unter­hiel­ten, nutz­ten sie eine sehr spie­le­ri­sche Spra­che. Für mich gibt es lusti­gere und erns­tere geogra­phi­sche Regionen.

Und die Schweiz ist?

Die Schweiz ist wohl eher ernst. Es geht hier erns­ter zu. Ich spüre dies, weil ich oft erklä­ren muss, wenn ich etwas witzig und ironisch meine. Es dauert jeweils einen Moment, bis jemand auf mich einge­groovt ist. Viel­leicht sind deswe­gen bei mir Humor-Gren­zen entstan­den. Aber grund­sätz­lich half mir der Humor, Gren­zen zu überwinden.

Gab es Gren­zen oder Hinder­nisse aufgrund Ihrer Herkunft?

Für mich war dies nie wirk­lich spür­bar. Schauen Sie mich an. Ich bin eine weisse Frau mit Kuller­au­gen, die sehr unbe­droh­lich aussieht. So werde ich gele­sen. Ich kann mich echt nicht bekla­gen, ich bin erfolg­reich in dem, was ich mache. Nur weil ich Gülsha Adilji heisse, spürte ich nie mega viel Gegen­wind. Wen man meinen Namen nicht kennt, denkt man eigent­lich, dass ich Schwei­ze­rin bin. Mit meinem Ostschwei­zer Dialekt kommt niemand auf die Idee, dass ich keine Schwei­ze­rin sein könnte.

Sie hatten keine Nachteile?

Nein. Ich konnte immer Raum einneh­men und mir Ausdruck verlei­hen. Als junges Mädchen konnte ich mir während der Schul­zeit sehr viel erlau­ben und freche Witze machen. Eigent­lich ist meine Karriere eine Anein­an­der­rei­hung von Grenz­über­schrei­tun­gen. Wahr­schein­lich wären die Schlag­zei­len aber anders gewe­sen, wenn ich ein Mann wäre. Aber das ist eine These.

Liegt der Humor in der Familie?

Meine Fami­lie hat mütter­li­cher­seits einen Wahn­sinns­hu­mor. Er ist eine Art Love Language und sehr familiär.

Gülsha Adilji, Bild: Mirjam Kluka 

Jetzt enga­gie­ren Sie sich für «ici. gemein­sam hier.» Was über­zeugt Sie am Förder­pro­gramm, das den Zusam­men­halt in der Schweiz stär­ken will?

Eigent­lich bin ich wie die Jung­frau Maria zum Kind gekom­men. Ich habe mich im Projekt Spor­te­gra­tion enga­giert. Über diese Akti­vi­tät ist der Kontakt zu «ici. gemein­sam hier.» entstan­den. Erst da habe ich die Breite der Projekte reali­siert, die von Migros-Enga­ge­ment unter­stützt werden.

Was für ein Projekt wünschen Sie sich in der nächs­ten Ausschreibung?

Mir gefällt alles, was Low-key ist. Projekte, bei denen Menschen ohne Hemm­schwelle teil­neh­men können, weil sie z.B. in der Nähe statt­fin­den oder weil man sie einfach versteht.  Das wünsche ich mir. Sie soll­ten etwas beinhal­ten, das die ange­spro­che­nen Menschen sowieso gerne machen. Ich treibe bspw. gerne Sport. Das ist für mich eine einfa­che Art, mich mit ande­ren Menschen zu verei­nen. Für jemand ande­ren ist viel­leicht Stri­cken eine Tätig­keit, um sich mit ande­ren Menschen zusam­men zu tun.

Wäre das eine erfolg­rei­che Integration?

Erfolg­rei­che Inte­gra­tion ist, wenn man nicht darüber spre­chen oder nach­den­ken muss, wenn es kein Thema ist. Menschen tref­fen sich einfach. Moham­med, Fabian oder Gülsha soll­ten sich einfach zum Wandern oder Stri­cken tref­fen. Herkunft sollte keine Rele­vanz mehr haben.

Wenn ich mir über­lege, an einem ande­ren Ort zu leben, dann würde ich gerade mein schwei­ze­ri­sches Kultur­gut hochhalten.

Gülsha Adilji

Inte­gra­tion ist gelun­gen, wenn sie kein Thema mehr ist?

Genau.

Aber der Begriff Inte­gra­tion stört Sie?

Bei Inte­gra­tion geht es häufig darum, dass sich Menschen aus einem ande­ren Kultur­kreis fast schon über­an­pas­sen müssen. Sie können gar nicht sich selbst sein, ihre Persön­lich­keit leben, weil das viel­leicht als störend empfun­den wird, obwohl es das nicht ist. Der Begriff Inte­gra­tion hat für mich etwas Einengen­des. Es trifft immer Menschen, die durch spezi­elle Umstände in ein Land gekom­men sind, und diese Umstände führen dazu, dass sie anders behan­delt werden. Aber alle soll­ten sich selbst sein dürfen. Wenn ich mir über­lege, an einem ande­ren Ort zu leben, dann würde ich gerade mein schwei­ze­ri­sches Kultur­gut hoch­hal­ten. Ich möchte mich nicht dafür verste­cken, Schwei­ze­rin zu sein.

An den Suisse Podcast Awards wurden Sie soeben in der Kate­go­rie Unter­hal­tung ausge­zeich­net. Sind digi­tale Medien geeig­net, um Gren­zen abzubauen?

Sie leis­ten einen Beitrag. Sie sind ein Fens­ter zur Welt und wir sehen, dass Moham­med aus Syrien nicht anders ist und diesel­ben lusti­gen Tictoc-Videos produ­ziert wie ich. Aber natür­lich können auch Inhalte wie Hate Speech über die digi­ta­len Kanäle verbrei­tet werden. Es ist ein zwei­schnei­di­ges Schwert.


Zusam­men­halt fördern

Mit dem Programm «ici. gemein­sam hier.» fördert Migros-Enga­ge­ment seit 2022 Projekte, die sich für ein soli­da­ri­sches und chan­cen­glei­ches Zusam­men­le­ben in der Schweiz einset­zen. Am 3. April 2023 star­tet die zweite Ausschrei­bung für neue Projekte. Ausge­wählte Projekte werden über ein Jahr Jahre mit 1000 bis 25‘000 Fran­ken finan­zi­ell geför­dert und können fach­lich beglei­tet werden. Bis am 31. Mai 2023 können Teams ihr Projekt einrei­chen. Neu ist dies in 17 Spra­chen möglich. Partner:innen des Programms sind die Eidge­nös­si­sche Migra­ti­ons­kom­mis­sion EKM, die Konfe­renz der Inte­gra­ti­ons­de­le­gier­ten (KID), die Schwei­ze­ri­sche Konfe­renz der Fach­stel­len für Inte­gra­tion KoFI und die Tripar­tite Konfe­renz TK.

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