«Heute Morgen habe ich mich mit unseÂrem SchulÂleiÂter in Kabul ausgeÂtauscht», sagt Hans Rudolf Schwarz, VizeÂpräÂsiÂdent der StifÂtung HilfsÂwerk ElizaÂbeth NeuenÂschÂwanÂder. Die StifÂtung betreibt SchuÂlen in Kabul und Wardak in AfghaÂniÂstan sowie für afghaÂniÂsche FlüchtÂlinge in Quetta, der HauptÂstadt der pakiÂstaÂniÂschen Provinz BeluchiÂstan. Über WhatsÂApp und E‑Mail kann er die PartÂner vor Ort erreiÂchen. Doch häufige StromÂausÂfälle in AfghaÂniÂstan erschweÂren die KommuÂniÂkaÂtion. Die Lage bleibt schwieÂrig. Die beiden SchuÂlen in AfghaÂniÂstan sind seit ein paar Tagen geschlosÂsen. «Was die neue SituaÂtion insbeÂsonÂdere für die SchüÂleÂrinÂnen bedeuÂtet, können wir noch nicht abschätÂzen», sagt Hans Rudolf Schwarz. Und er fügt an: «Aber sobald LockeÂrunÂgen kommen, wollen wir wieder öffnen.» Die Worte sind getrieÂben von der HoffÂnung, dass dies möglich sein wird und die TaliÂban tatsächÂlich modeÂraÂter auftreÂten werden als dies allgeÂmein befürchÂtet wird.


Aus dem EmmenÂtal
Die SchuÂlen gehen auf das EngaÂgeÂment von ElizaÂbeth NeuenÂschÂwanÂder zurück. 1929 in SchangÂnau im EmmenÂtal geboÂren, widmete sie ihr Leben humaÂniÂtäÂren EinsätÂzen in KataÂstroÂphen- und KriegsÂgeÂbieÂten weltÂweit, so auch in AfghaÂniÂstan. Als sie in Pension ging, fand sich niemand, der die Projekte vor Ort überÂnehÂmen wollte. So entschied sie sich kurzerÂhand, diese selbst weiterÂzuÂfühÂren. «Schon zuvor hatte sie die Projekte zum Teil selbst finanÂziert», sagt Hans Rudolf Schwarz. «Dabei verfolgte sie immer den Ansatz: Hilfe zur SelbstÂhilfe». Sie verteilte nicht Geld, sondern NähmaÂschiÂnen. «Sie hat über 15’000 NähmaÂschiÂnen weiterÂgeÂgeÂben», so auch in AfghaÂniÂstan. In Kabul grünÂdete sie ein NähzenÂtrum. Hier lernen Frauen nähen und schneiÂdern und erhalÂten so die GrundÂlage für eine eigene ErwerbsÂtäÂtigÂkeit. Auch das EngaÂgeÂment an den SchuÂlen folgt der Idee, dass die Menschen eigenÂstänÂdig sein können. «Bildung braucht es, um den Menschen eine Chance zu geben. Wir ermögÂliÂchen den SchüÂleÂrinÂnen und SchüÂlern, einen Beruf zu erlerÂnen und sogar den Zugang zu einer UniverÂsiÂtät», sagt Hans Rudolf Schwarz und er erzählt das Beispiel einer ehemaÂliÂgen SchüÂleÂrin, die heute Ärztin ist. «Diese Menschen sind keine FlüchtÂlinge. Sie wollen vor Ort etwas erreiÂchen. Sie hatten eine Zukunft in ihrem Land», sagt er. «Es ist unsere VerantÂworÂtung, ihnen HoffÂnung zu brinÂgen. Das ist auch die MotiÂvaÂtion der LehrÂkräfte.» 70 LehreÂrinÂnen und Lehrer unterÂrichÂten an den SchuÂlen. Die gesamÂten Kosten inkl. SchulÂmaÂteÂrial betraÂgen monatÂlich 5500 US Dollar, welche wir dank SpenÂden finanÂzieÂren können.

Eine nachÂhalÂtige RegeÂlung
Hans Rudolf Schwarz kennt die Region selbst gut, bereiste mehrÂmals AfghaÂniÂstan. ElizaÂbeth NeuenÂschÂwanÂder kennt er aus der FamiÂlie. Doch sie war meisÂtens im Ausland und fehlte oft bei FamiÂliÂenÂanÂläsÂsen, erinÂnert er sich. Umso mehr war er von ihrem Mut und EngaÂgeÂment fasziÂniert. Als er eine eigene Firma mit FiliaÂlen in zwölf Ländern führte, lud er sie an FirmenÂanÂlässe ein. Ihre RefeÂrate gaben inspiÂrieÂrende EinbliÂcke in ihre Arbeit – und relaÂtiÂvierÂten zugleich die eigeÂnen Probleme. Als die GesundÂheit von ElizaÂbeth NeuenÂschÂwanÂder vor ein paar Jahren nachÂliess, überÂnahm er die Aufgabe, ihr EngaÂgeÂment nachÂhalÂtig zu regeln. Ihre Projekte wurden in einer StifÂtung neu orgaÂniÂsiert. Heute sind die SpenÂden steuÂerÂbeÂfreit. «AndertÂhalb Jahre hat es gedauÂert, bis wir dies erreicht hatten», sagt er. Jeder gespenÂdete FranÂken fliesst in die Projekte. Das kleine Team in der Schweiz arbeiÂtet unentÂgeltÂlich. Geld sammelt die StifÂtung ebenÂfalls mit dem Verkauf eines KalenÂders. Dieser zeigt auch, wie sich die StifÂtung vor Ort engaÂgiert. WunderÂschöne tradiÂtioÂnelle StickeÂreien auf Blusen und Schals, welche in FlüchtÂlingsÂlaÂgern in der Wüste BeluchiÂstans hergeÂstellt werden, sind bei uns sehr geschätzt. «Einen Schal, an dem zwei Monate gearÂbeiÂtet wird, verkauÂfen wir hier für 40 FranÂken», sagt Hans Rudolf Schwarz.
Die FinanÂzieÂrung des Projekts ist das Eine, das Geld nach AfghaÂniÂstan zu überÂweiÂsen das Andere. Bereits vor der MachtÂüberÂnahme der TaliÂban gestalÂtete sich dies nicht einfach. Es galt, sich gegen den Verdacht abzuÂsiÂchern, in AfghaÂniÂstan TerroÂrisÂten zu unterÂstütÂzen. Da half es, den SchulÂleiÂter gut zu kennen und ihm zu vertrauen. ElizaÂbeth NeuenÂschÂwanÂder hatte bereits mit dem Vater des heutiÂgen SchulÂleiÂters zusamÂmenÂgeÂarÂbeiÂtet. «Mit ihm grünÂdete sie 1992 die Schule in Quetta», erzählt Hans Rudolf Schwarz. Und noch heute fragt die 92-jährige ElizaÂbeth NeuenÂschÂwanÂder fast täglich nach der SituaÂtion in AfghaÂniÂstan und wie es um ihr HilfsÂwerk steht. Doch eine Antwort, wie es weiterÂgeÂhen wird, hat im Moment niemand.
Über das beeinÂdruÂckende Leben von ElizaÂbeth NeuenÂschÂwanÂder hat Roland JeanÂneÂret ein Buch geschrieÂben: «Von SchangÂnau nach Kabul»