Gemäss den Ergebnissen des Monitorings Ressourcen Psychische Gesundheit 2023 ist den Menschen die psychische Gesundheit wichtig. Sie sind sich auch der Bedeutung der Pflege der psychischen Gesundheit bewusst. Dennoch handelt gemäss den Erkenntnissen des Monitorings nur die Hälfte der Befragten entsprechend. Informationen und Hilfsangebote sind zwar verfügbar, doch erleben viele Menschen Hindernisse, die sie zögern lassen. Der wichtigste Hinderungsgrund, der für 32 Prozent der Befragten eine Barriere darstellt, ist die Belastung für andere, die sie vermeiden wollen. An zweiter Stelle steht mit 24 Prozent die fehlende Lust, über die Probleme zu sprechen. Und an dritter Stelle folgen die Kosten. 22 Prozent schrecken die Kosten für professionelle Hilfe ab. Bei allen Barrieren gilt zudem: Personen, die bereits länger in einer Krise stecken, empfinden die Hindernisse als signifikant höher. Gerade bei den Kosten spielt dabei die Unterscheidung zwischen Belastung und Krankheit eine zentrale Rolle. Liegt eine Diagnose mit Krankheitswert mit einer Überschreibung von einem Arzt vor, übernimmt die obligatorische Krankenversicherung die Kosten.
Beim Thema Finanzen wird nicht sehr präventiv gearbeitet, wenn es um die Eins-zu-eins-Betreuung geht.
sagt Noémi Swoboda, Leiterin Betrieb & Entwicklung BGM bei Gesundheitsförderung Schweiz. «Die Personen wissen, dass sie an einer psychischen Belastung arbeiten könnten oder sollten, aber sie sind noch nicht krank. Und deswegen müssten sie die Behandlung oder die Massnahme selbst bezahlen.» Allerdings würden die Personen oft auch nicht wissen, wohin sie sich wenden sollten respektive was die ersten Schritte wären. Statt ein Problem von Beginn weg anzugehen und eine Lösung zu finden, gleiten die Personen tiefer ab. Je weiter eine psychische Diagnose fortgeschritten ist, umso schwerer fällt es den Betroffenen häufig, selbst aktiv zu werden. «Beispielsweise ist eines der Merkmale einer Depression, dass man Schwierigkeiten hat, in eine Handlung zu kommen», sagt sie.
Nicht alles kostet
«Nicht alle Massnahmen kosten», sagt Noémi Swoboda. Viele Massnahmen kann jede und jeder selbst ergreifen. Dass sich das Handeln lohnen würde, zeigen die Zahlen. Das Bulletin von Ende 2024 des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums zeigt für 2022, dass sich auf 1000 Versicherte 68 Personen in psychiatrischen und/oder psychologischen Psychotherapiepraxen ambulant behandeln liessen. In einer Psychiatrie oder psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses liessen sich 6,9 Personen pro 1000 Einwohner:innen stationär behandeln. Ein Fünftel der Patient:innen wurden mehr als einmal stationär behandelt. Insgesamt betrug die Hospitalisierungsrate 9,3 pro 1000 Einwohner:innen. Die Kosten für Behandlungen, die unter die obligatorische Krankenversicherung fallen, betrugen 2022 2,6 Milliarden Franken. 2006 waren es noch weniger als 1,4 Milliarden Franken. Die ambulanten Praxen machen mit 1,2 Milliarden Franken den grössten Anteil aus. 487 Millionen Franken entfallen auf den ambulanten Spitalbereich, 849 Millionen Franken auf den stationären. Nicht eingerechnet sind die Spitalkosten, welche die Kantone finanzieren. Sie übernehmen 55 Prozent der Spitalkosten. «Es ist wichtig, dass Betroffene früh wissen, dass es finanziert wird, wenn man eine Diagnose mit Krankheitswert hat», sagt Swoboda. Allerdings gibt sie zu bedenken: «Wenn die Diagnose keinen Krankheitswert ergibt, heisst das nicht, dass alles gut ist.» Dort solle sich die Person damit auseinandersetzen, was ihr gut tun würde. Insgesamt sind die Kosten durch psychische Krankheiten höher als der von der Krankenversicherern übernommene Teil. Der Massnahmenplan 2025–2028 zur Nationalen Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (NCD-Strategie) spricht bei den direkten Kosten, verursacht durch psychische Krankheiten inklusive Demenz von 13,5 Milliarden Franken. Das Potenzial für Prävention ist beträchtlich.
Prävention am Arbeitsplatz
Ein geeignetes Umfeld für Präventionsmassnahmen ist der Arbeitsplatz. «Es gibt bereits viele Unternehmen, die eine gewisse Sensibilität haben», sagt sie. Das letzte Monitoring Betriebliches Gesundheitsmanagement BGM in der Schweiz zeigt: Etwa 75 Prozent der Betriebe in der Schweiz setzen BGM und entsprechende Massnahmen um, ein Viertel davon systematisch. Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeitenden können sich lohnen. Denn gemäss dem Job-Stress-Index kostet arbeitsbezogener Stress die Wirtschaft rund 6,5 Milliarden Franken pro Jahr. 1,5 Milliarden Franken Arbeitsleistung gehen durch das Fehlen der Mitarbeitenden verloren. 5 Milliarden kostet es, weil die Mitarbeitenden zwar arbeiten, aber ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Um dem zu begegnen, sind nicht immer ein systematisches BGM mit vielen Massnahmen notwendig. «Manchmal braucht es einfach erste Interventionen, um auf das Thema aufmerksam zu machen», sagt Swoboda. «Wenn die Mitarbeitenden glauben, sie arbeiten in einem Unternehmen, in dem es keinen Platz hat, über die psychische Gesundheit zu sprechen dann wird kaum ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin sagen, ‹Mir geht es nicht gut›.» Gerade für kleinere Unternehmen kann die Präventions- und Sensibilisierungsarbeit herausfordernd sein. Für diese sei meist der erste Schritt am schwierigsten. Wisse man, wo anfangen, könne man den nächsten Schritt machen, so Swoboda. Einen Tipp zum Anfangen nennt sie: «Einfach psychische Gesundheit überhaupt zum Thema machen im Betrieb. Das wäre schon ein guter Start.»