Bild: © Cooperation Suisse

Helve­tas: Haiti, die Menschen fühlen sich im Stich gelassen

Nach 2010 wurde Haiti am 14. August erneut von einem Erdbeben schwer getroffen. The Philanthropist sprach mit Esther Belliger, der Regionalkoordinatorin Lateinamerika und Karibik von Helvetas.

Am Sams­tag, den 14. August, erschüt­terte ein Erdbe­ben der Stärke 7,2 den Südwes­ten Haitis. Das Beben ereig­nete sich rund 150 Kilo­me­ter von der Haupt­stadt Port-au-Prince entfernt. Über 2000 Menschen sind bei der Kata­stro­phe ums Leben gekom­men. Zahl­rei­che Menschen werden noch vermisst. 7000 Verletzte und über 30’000 Obdach­lose sind auf rasche Hilfe ange­wie­sen. Tausende von Gebäu­den sind zerstört. Die Lage ist dramatisch.

Wo ist Helve­tas aktu­ell auf Haiti präsent?
Wir sind im Süden und Südwes­ten der Insel präsent, genau dort, wo das Erdbe­ben die stärks­ten Auswir­kun­gen hatte.

Wie waren ihre eige­nen Mitar­bei­ten­den oder Einrich­tun­gen vom Erdbe­ben betrof­fen?
Glück­li­cher­weise ist von unse­ren Mitar­bei­ten­den niemand betrof­fen und auch unsere Einrich­tun­gen haben keine nennens­wer­ten Schä­den davon getra­gen. Aber unsere haitia­ni­schen Part­ner wurden sehr in Mitlei­den­schaft gezo­gen. Die Spitä­ler sind komplett über­füllt. Das medi­zi­ni­sche Perso­nal ist sehr gefor­dert und teils über­for­dert, noch mehr als sonst.

Das heisst?
Die Menschen stehen Schlange. Es ist chao­tisch. Die Bilder, die uns unser Team schickt, erin­nern stark an die Situa­tion nach dem Erdbe­ben 2010. Aller­dings ist das geogra­fi­sche Ausmass weni­ger gross und dieses Mal ist die Haupt­stadt nicht betroffen.

Und wie ist die Situa­tion im Süden?
Die Auswir­kung im Süden der Insel sind wirk­lich schlimm. In den Trüm­mern der unend­lich vielen einge­stürz­ten Häusern wird weiter nach Über­le­ben­den gesucht. Und am Montag ist zusätz­lich der Tropen­sturm Grace auf die Insel getroffen.

Wir geben Geld, damit die Leute die notwen­di­gen Nahrungs­mit­tel kaufen können und damit wir nicht den noch funk­tio­nie­ren­den Markt kaputt machen.

Esther Belli­ger, Helvetas

Wie hat er die Situa­tion verän­dert?
Der Sturm hat sich zwar leicht abge­schwächt. Trotz­dem regnete es am Montag in Strö­men. Der Sturm hat die Such­ar­bei­ten extrem behin­dert. Alle muss­ten befürch­ten, dass weitere Häuser einstür­zen oder dass sich Schlamm­la­wi­nen lösen. Unter­des­sen hat es aufge­hört zu regnen.

Sind Ihre Mitar­bei­ten­den bereits vor Ort?
Alle unsere Mitar­bei­ten­den, die noch nicht vor Ort waren, sind bereits am Montag in den Süden der Insel gereist. Dort ist auch sonst unser Haupteinsatzgebiet.

Können ihre Mitar­bei­ten­den ohne Probleme von der Haupt­stadt in den Süden reisen?
In den vergan­ge­nen Mona­ten konnte man oft nur noch über eine Luft­brü­cke ins Gebiet gelan­gen. Norma­ler­weise war der Weg durch bestimmte Quar­tiere von Port-au-Prince zu gefähr­lich. Krimi­nelle Banden kontrol­lier­ten die Strasse in den Süden. Glück­li­cher­weise konnte die Regie­rung Haitis nun ein Abkom­men mit diesen Banden für einen huma­ni­tä­ren Korri­dor tref­fen. Aktu­ell können Güter­trans­porte auf dem Land­weg den Süden errei­chen. Dies gilt vorerst für eine Woche.

Esther Belli­ger, Helve­tas, Bild  ©Helve­tas 

Und was braucht es?
Noch läuft die Suche nach Über­le­ben­den. Wir haben unter­des­sen ein Assess­ment vor Ort durch­ge­führt, um die Bedarfe zu eruie­ren. Wir planen die Vertei­lung von lebens­not­wen­di­gen Gütern des tägli­chen Bedarfs, stel­len den Zugang zu saube­rem Trink­was­ser sowie zu würdi­gen Notun­ter­künf­ten sicher. Eben­falls planen wir Cash-Trans­fers an die betrof­fe­nen Familien.

Weshalb geben Sie Geld?
Wir geben Geld, damit die Leute die notwen­di­gen Nahrungs­mit­tel kaufen können und damit wir nicht den noch funk­tio­nie­ren­den Markt kaputt machen.

Das heisst, Hilfs- und Nahrungs­mit­tel sind im Land verfüg­bar?
Weil dieses Mal der Markt nicht zusam­men­ge­bro­chen ist, müssen die Hilfs­mit­tel nicht von ausser­halb auf die Insel gebracht werden.

Vor 11 Jahren war das verhee­rende Erdbe­ben: Hatte sich Haiti davon bereits wieder etwas erholt und wie gehen die Menschen mit dem erneu­ten Rück­schlag um?
Es geht ihnen nicht gut. Sie fühlen sich im Stich gelas­sen. Sie haben das Gefühl, dass die Regie­rung auch dieses Mal nicht genü­gend vorbe­rei­tet war auf eine Kata­stro­phe dieses Ausmas­ses. Die Menschen helfen sich aber gegenseitig.

Welche Möglich­kei­ten hat Helve­tas, um den Menschen zu helfen?
Im Rahmen unse­rer Arbeit vor Ort fokus­siert eines der Helve­tas Programme beispiels­weise auf Kata­stro­phen­vor­sorge. Dieses beinhal­tet unter ande­rem die Erar­bei­tung von Notfall­plä­nen: Wohin können die Menschen gehen, wenn etwas passiert, wer ist im Lead, wo trifft man sich. Dies gilt ganz gene­rell für Natur­ka­ta­stro­phen und hilft uns auch in der momen­ta­nen Situation.

Macht auch Covid-19 die Situa­tion zusätz­lich schwie­rig?
Inter­es­sant ist, dass Covid-19 auf den ersten Blick quasi inexis­tent ist Masken werden wenige getra­gen. Man leis­tet sich das nicht. Wer in Armut lebt, denkt nicht daran, Masken zu kaufen. Auch ist noch niemand geimpft. Und wieder trifft es die Ärms­ten. Die Menschen vor Ort sagen, was sollen wir wegen Covid-19 machen, wir haben andere Probleme.

Helve­tas und Haiti

Haiti ist das ärmste Land in der west­li­chen Hemi­sphäre. Es wird auch künf­tig nötig blei­ben, dass Haiti auf die Unter­stüt­zung von Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen und von der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft zählen kann. Mehr als die Hälfte der Bevöl­ke­rung ist unter­ernährt. Helve­tas enga­giert sich seit bald 40 Jahren in Haiti – nament­lich im Süden der Insel – und ist lokal bestens vernetzt.

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

Folgen Sie StiftungSchweiz auf

-
-