Mit der GemüseAckerdemie bringen Sie die Gemüseproduktion in die Schulen, mit AckerRacker richten sie sich an Kitas und Kindergärten. Ist es schwierig, Schulen, Kitas und Kindergärten zu finden, die mitmachen?
Eigentlich suchen wir keine Schulen, Kitas oder Kindergärten, sondern sie fragen uns an. Wir betreiben aber Kommunikationsarbeit und vernetzen uns mit den relevanten Akteuren, so nimmt die Nachfrage nach unseren Bildungsprogrammen laufend zu.
Die Bildungseinrichtung braucht eine Fläche zum Bewirtschaften?
Genau. Wir bringen die Ackerflächen an die Schulen. Das hat eine ganz andere Intensität. Es ist nicht einfach ein einmaliges Gartenprojekt. Es geht um nachhaltige Ernährung und um die Verankerung des Ackers an der Schule, Kita oder Kindergarten als naturnahen Lernort.
Haben die Schulen, Kindergärten und Kitas solche Flächen?
Die allermeisten haben eine Wiese, die sich auch vom Standort her eignet. Es ist vielleicht nicht der ideale Landwirtschaftsboden. Aber weil wir mit dem Boden arbeiten, werten wir diesen auf und er wird von Jahr zu Jahr besser.
Weitsprung lernt man auch nicht in der Theorie, sondern in der Turnhalle.
Simone Nägeli, Geschäftsführerin Acker Schweiz
Auch das Lehrpersonal ist gefordert?
Für die optimale Skalierung ist es wichtig, dass wir die Lehrpersonen selbst befähigen. Das Programm ist stark von der Lehrperson abhängig: Sie muss wirklich Lust haben, Unterricht draussen abzuhalten. Wenn sich aber eine Schule dazu entschieden hat, dann ist das längerfristig. Sie macht nicht nur ein Jahr mit, sondern jedes Jahr kommt eine neue Schulklasse und nimmt am Programm teil.
Was ist der Vorteil des Unterrichts auf dem Acker?
Wir wollen nicht theoretisch den Mahnfinger heben, sondern die Kinder sollen den Acker erleben. Weitsprung lernt man auch nicht in der Theorie, sondern in der Turnhalle.
Wie ist die Idee entstanden?
Die Idee stammt aus Deutschland. Christoph Schmitz, der Urheber der Bildungsprogramme und Gründer von unserem Mutterverein Acker e.V., ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Er hat erlebt, wie Kinder auf den Hof kamen und begeistert waren. In seinem Studium hat er sich mit der Entfremdung der Gesellschaft von der Natur befasst. Als er selbst Vater wurde, hat er das Konzept entwickelt, wie der Acker an die Schule kommt.
Sehen Sie diese Entfremdung bei den Kindern?
Es ist eine generelle Thematik, auch bei den Erwachsenen. Das Thema Foodwaste ist etwa symptomatisch für unser Ernährungssystem. Ein Rüebli, das wir direkt aus dem Boden ziehen, essen wir, auch wenn es nicht perfekt ist. Liegt ein «verschrumpeltes» Rüebli aus dem Supermarkt im Kühlschrank, landet es dagegen eher im Abfall.
Und weshalb fokussieren Sie Ihr Angebot auf Kinder?
Wenn wir das Thema an der Schule integrieren können, haben wir einen grossen Hebel. Es ist zudem einfacher, wenn man ein Thema von klein auf mitbekommt. Jede und jeder kennt es: Sich als Erwachsener umgewöhnen ist schwierig. Es geht ja nicht nur um das Essen. Wir sollten nicht vergessen, dass die Natur unsere Lebensgrundlage ist.
Richtet sich Ihr Angebot vor allem an Schulen im urbanen Raum?
Wir sind überall aktiv. Kinder im ländlichen Raum wissen nicht unbedingt mehr – es sei denn, dass die Kinder auf einem Bauernhof aufwachsen. Diese wissen dann sehr viel mehr.
Steht die Ernährung oder die Nachhaltigkeit im Vordergrund Ihres Programms?
Es geht generell darum, die Wertschätzung für die Natur und die Lebensmittel zu steigern – das ist unsere Vision! Wenn wir ein intaktes Bodensystem haben, erhalten wir am Ende auch gute Lebensmittel. Der Acker ist ein sehr guter Anknüpfungspunkt für Nachhaltigkeit und Ernährung.
Es geht generell darum, die Wertschätzung für die Natur und die Lebensmittel zu steigern – das ist unsere Vision!
Simone Nägeli
Das Thema Nachhaltigkeit ist heute stark politisch aufgeladen. Merken Sie dies?
Natürlich ist das immer ein Thema. Wir sind auch involviert, wenn es um Bildung für nachhaltige Entwicklung geht. Aber von Lehrpersonen oder Eltern hören wir kaum Kritik. Die Menschen verstehen, dass Nachhaltigkeit bei der Ernährung wichtig ist. Gerade wenn es um gesunde Ernährung und Kinder geht, ist das unbestritten.
Gibt es Abwehrreaktionen von den Kindern, dass sie bspw. ein Rüebli aus der Erde als «grusig» empfinden?
Sobald es ans Ernten geht, ist das definitiv kein Thema mehr. Zu Beginn kann es sein, dass ein Kind Handschuhe für die Arbeit in der Erde will. Aber beim Essen ist die Begeisterung dann richtig gross und sie essen auch Gemüse, das sie zu Hause nicht essen würden.
Sie finanzieren sich über Spenden und Stiftungen?
Genau. Ein sehr grosser Teil sind Stiftungsgelder, in gewissen Kantonen unterstützt uns auch der Lotteriefonds, und wir pflegen einzelne Unternehmenspartnerschaften.
Und die Nahrungsmittelindustrie?
Wir haben einige wenige Unternehmen aus der Lebensmittelbranche, die unsere Arbeit unterstützen. Wichtig ist uns aber, dass unsere Partner unsere Vision teilen und kein Greenwashing betreiben.