Stiftungen gehen mit unterschiedlichen Partnern Kooperationen ein. So können sie ihre finanziellen Möglichkeiten bündeln, Wissen teilen und Mehrwert für die Beteiligten und die Gesellschaft generieren.
Die Einkommensstudie ist unsere erste vertraglich festgehaltene Kooperation», sagt Brigit Wehrli-Schindler, Stiftungsratspräsidentin der Walder Stiftung. Diese setzt sich dafür ein, dass ältere Menschen eine optimale Lebens- und Wohnqualität geniessen. Die Einkommensstudie untersucht für die Schweiz gesamtgesellschaftlichrelevante Unterschiede bei der Einkommenssituation.
Auch das Migros-Kulturprozent hat sich am Projekt «Das frei verfügbare Einkommen älterer Menschen in der Schweiz», an der Einkommensstudie beteiligt. Über das von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler initiierte Engagement fördert die Migros Projekte in den Bereichen Kultur, Gesellschaft, Bildung, Freizeit und Wirtschaft, oft in Kooperationen.
«Die Kooperation für die Einkommensstudie entstand im Rahmen des Arbeitskreises ‹Alter› von SwissFoundations, dem Zusammenschluss der Förderstiftungen in der Schweiz», erzählt Cornelia Hürzeler. Sie ist Projektleiterin Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund, Direktion Kultur und Soziales. «Schnell haben sich neun Stiftungen zusammengetan, um die Studie als Stiftungskonsortium in Auftrag zu geben.»
Auf Augenhöhe
«Neu am Zusammenschluss war, dass sich die Geldgeber mit einer gemeinsamen Idee an eine Forschungsstätte gewendet haben», so Brigit Wehrli-Schindler.
Üblicher sei der umgekehrte Weg, dass Forschende bei Stiftungen Unterstützung für ihre Projekte suchen. Überzeugt ein Projekt, können es mehrere Stiftungen finanzieren, die voneinander wissen. «Im Projekt Einkommensstudie diskutierten Forschende und Stiftungsvertreterinnen und ‑vertreter regelmässig über Fragen zum Verlauf des Projekts und die Kommunikation der Ergebnisse», sagt sie. Die Rollen waren vertraglich festgehalten. Doch für das Gelingen war entscheidend, dass die Kooperationspartner sich auf Augenhöhe begegnen. Anders als im Sponsoringbereich gab es keine Bevorzugung eines Hauptspenders. «Es ist wichtig, dass alle – ungeachtet der finanziellen Beteiligung – gleich glänzen können», sagt Cornelia Hürzeler. Damit dies gelingt, ist neben der klaren Rollenklärung vor allem Vertrauen und ein sorgfältiger Umgang wichtig. Eine gute Kooperationsstrategie baut darauf auf, dass alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitarbeiten und sich gemeinsam für die Sache engagieren. «Das ist nicht immer planbar», meint Cornelia Hürzeler. Funktioniere dies, profitierten alle. «Das Migros-Kulturprozent führt viele Aktivitäten eigenständig durch, doch Kooperationen fördern den Dialog. Sie schaffen ein Miteinander», betont Cornelia Hürzeler. Auch die finanziellen Möglichkeiten seien ungleich grösser, wenn mehrere Stiftungen sich zusammen engagierten. «Und es kommt auch sehr viel mehr Know-how zusammen, gerade bezüglich Forschungskompetenz und Kommunikation», erklärt sie. Auch Brigit Wehrli-Schindler betont den Mehrwert. Sie sagt: «Der Austausch zwischen den Stiftungen hilft, das fachliche Know-how der Stiftungen zum untersuchten Thema zu vertiefen.» Fragen werden fundiert bearbeitet. Ein bereichernder Austausch unter den Stiftungen wird gefördert. «Je nach Stiftungszweck ist der Blickwinkel auf ein Projekt anders», sagt sie. Die Grösse der Stiftung fällt dagegen weniger ins Gewicht.
Der Netzwerkgedanke
Auch die Beisheim Stiftung initiiert oder begleitet Kooperationsprojekte wie die Einkommensstudie oder zuletzt eine Stiftungskooperation zum Thema ‹Gute Betreuung im Alter›. «Kooperationsprojekte bieten eine hervorragende Möglichkeit, um uns mit anderen Stiftungen und Akteuren im Feld zu vernetzen», sagt Geschäftsführerin Patrizia Rezzoli.
«Gemeinsam mit ihnen können wir tragfähige Lösungen für wichtige gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln.» Neben der Bündelung von Aufgaben und dem Erzielen von Wirkung zählen für sie vor allem der Dialog und Netzwerkgedanke, das Lernen und Profitieren voneinander. Als extrem wertvoll erachtet sie den gegenseitigen Austausch in solchen Projekten. Auch die Projekte selbst gewinnen. Sie sind dank Kooperationen nachhaltig und breiter abgestützt. Patrizia Rezzoli fügt an: «Wobei das Engagement der Beisheim Stiftung über eine rein finanzielle Förderung hinausgeht: Hinter all unseren Projekten steht die Idee des partnerschaftlichen Gestaltens. Deshalb bringen wir unser Wissen, Netzwerk und Können aktiv in Ideen und Konzepte ein, die wir gemeinsam mit Partnern entwickeln und fördern.»
Win-win-win
Auch die Stiftung Edith Maryon arbeitet mit anderen Organisationen, bspw. mit Greenpeace, zusammen. Sie betreiben eine institutionelle Kooperation. «Es kommt vor, dass eine Spenderin oder ein Spender Greenpeace Immobilien spenden möchten», erklärt Ulrich Kriese,
als Geschäftsleitungsmitglied für die Öffentlichkeitsarbeit bei Edith Maryon verantwortlich.
Oft verfolgen die Besitzer die Idee, dass ihr Haus erhalten bleibe, wenn sie es spenden, dass es sozial und ökologisch verwaltet werde. Doch weil Greenpeace keine Immobilienverwalterin ist, würde sie die Immobilie meistbietend verkaufen. Hier kommt die Kooperation mit Edith Maryon zum Tragen. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Wohn- und Geschäftsliegenschaften dem Spekulationsmarkt zu entziehen und sie für bezahlbares Wohnen und Gewerbe zu erhalten.
Ulrich Kriese sagt: «In einem solchen Fall wird das Haus an uns vermacht. Wir geben den Nettowert an Greenpeace weiter, alle profitieren.» Der Wunsch, die Bewirtschaftung der Liegenschaft im bisherigen Sinne fortzuführen, wird erfüllt, Greenpeace erhält finanzielle Mittel, die der Umweltorganisation ansonsten entgingen, und Edith Maryon kann eine weitere Liegenschaft dauerhaft für Gemeinwohlzwecke sichern. Bei der Nutzung der Gebäude arbeitet Edith Maryon mit verschiedenen Partnern zusammen. Oft sind dies Genossenschaften und Vereine, hin und wieder ebenfalls Stiftungen. Für Mieterinnen und Mieter übernimmt Edith Maryon bei Bedarf die Bürgschaft für Mietkautionen. Ausserdem arbeitet sie mit Stiftungen zusammen, die sich um soziale Randgruppen kümmern. «Menschen, die am Wohnungsmarkt schwer eine Wohnung finden», so Ulrich Kriese. Ein besonderer Fall im Portfolio von Edith Maryon ist die Markthalle in Basel. Hier finden sich Vermarkter und Läden. «Bei diesem Projekt ging es uns darum, die Kernidee der Markthalle mit der Allmend in der Mitte als öffentlichem Raum zu bewahren», sagt er. «Die Bewirtschaftung überlassen wir auch hier anderen, sie liegt in diesem Fall in den Händen der Markthallen Basel AG.»
Ein kleines Wunder
Die Markthalle ist heute nur eine Liegenschaft in einem beachtlichen Portfolio, das die Stiftung verwaltet. Wer das Portfolio betrachtet, wird es kaum für möglich halten, mit welchem Kapital die Gründer starteten. «Das Erfolgsgeheimnis ist kein Geheimnis, aber ein kleines Wunder», sagt Ulrich Kriese. Die drei Gründer hatten je 4000 Franken aufgeworfen. Für den Erfolg entscheidender waren eine tiefe Überzeugung und die gemeinnützige Idee. Viele Menschen haben diese bisher unterstützt, sei es durch Spenden, Schenkungen, Legate oder zinslose Darlehen. Auch die Philanthropinnen und Philanthropen, die ihr Geld bei der Rütli-Stiftung in einer Unterstiftung anlegen, wollen etwas bewirken. Für eine Unterstiftung bei der Rütli-Stiftung braucht es 100’000 Franken.
«Bei einer eigenständigen Stiftung, die wirken will, geht man von einem Startkapital von fünf bis zehn Millionen Franken aus», sagt Geschäftsführerin Claudia Ineichen. Abgesehen von den Gründungskosten summierten sich vor allem die jährlichen Kosten für die Administration, Buchhaltung, Revision und Stiftungsaufsicht. Hier bietet eine Dachstiftung mit Unterstiftungen Vorteile.
Die Gründungskosten sind sehr tief, auch die Steuerbefreiung ist bereits über die Dachstiftung geregelt. Dies ermöglicht tiefe Kosten, so dass praktisch 100 Prozent des Geldes in die Projekte fliesse. Die Unterstiftungen sind Verbrauchsstiftungen, so dass das Kapital über die Jahre in den ausgewählten gemeinnützigen Projekten etwas bewirken kann.
Wirken statt bewahren
«Die neuen Philanthropinnen und Philanthropen wollen vor allem wirken. Es geht nicht darum, sich zu verewigen», erklärt Claudia Ineichen. Wenn jemand mit 500’000 Franken eine eigene Stiftung gründet, soll nicht das Ziel sein, dieses Kapital zu bewahren und kaum Mittel für den Stiftungszweck zur Verfügung zu haben, weil einzig mit dem Ertrag des Kapitals gearbeitet werden kann. «Es ist effektiver, jedes Jahr 50’000 Franken auszuschütten und das Kapital aufzubrauchen», sagt sie, «so fliesst das Geld der Gemeinnützigkeit zu.» Zu diesem Gedanken passt, dass es bei den Unterstiftungen nicht um Publizität geht. Claudia Ineichen: «Eine Unterstiftung ist eine gute Möglichkeit, anonym gemeinnützig zu wirken.» Gleichzeitig bietet sie die Möglichkeit, seinen eigenen Willen gezielt zu verwirklichen. Jede Unterstiftung hat einen eigenen Vertrag. Während der Zweck der Dachstiftung relativ breit formuliert ist, wird dies mittels den Unterstiftungsverträgen konkretisiert. Den Vorteil dieser Lösung erklärt Claudia Ineichen: «Der Einsatz der Gelder kann später angepasst werden. Möchte jemand zusätzliche neue Themen fördern, ist das möglich. Natürlich nur unter Berücksichtigung, dass die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit nicht verletzt werden.» Die Rütli-Dachstiftung weiss noch einen weiteren Vorteil zu nutzen. Sie ist sehr aktiv im Netzwerk. «Es gibt aber Unterstiftungen, die freie Kapazitäten für Projekte haben. Dann suchen wir im Auftrag der Donatoren unter den Projekten und den Organisationen, mit welchen wir seit Jahren in Verbindung stehen, ob eines passt», sagt Claudia Ineichen. Dabei stellt sie fest, dass immer mehr Kooperationen unter Stiftungen für die Umsetzung von Projekten eingegangen werden. Ideal ist es, wenn ein Donator Spenden für mehr als nur ein Jahr zusagt, so dass die Projektverantwortlichen längerfristig planen können.
Das Werk vieler
Die Zusammenarbeit verschiedener Hilfswerke ist verantwortlich für eine «Marke», welche die meisten in der Schweiz kennen, aber wohl mehr mit Konsumgütern als mit Stiftungsarbeit in Verbindung bringen: Max Havelaar. «Am stärksten sind heute die Stifterwerke im Stiftungsrat spürbar», sagt Renato Isella, Geschäftsleiter von Max Havelaar.
Diese stellen rund die Hälfte der Mitglieder im Gremium. Sie bestimmen die strategische Ausrichtung. «Zudem arbeiten wir auch in der Kommunikation mit den Hilfswerken zusammen», sagt er. Dass 1992 die Hilfswerke Brot für alle, Caritas, Fastenopfer, Heks, Helvetas und Swissaid eine Stiftung gründeten, war ein logischer Schritt. Es war schlicht die ideale Form. Die beteiligten Hilfswerke sollten nicht selbst im Zentrum stehen. Einzig der Stiftungszweck zählt. Der Fokus gehört allein dem fairen Handel. «Diese Form hat sich bewährt», sagt Renato Isella. Allerdings, um das Anliegen breit bekannt zu machen und zu wirken, ist die Stiftung Max Havelaar auf die Zusammenarbeit mit Grossverteilern wie Migros und Coop angewiesen. Schon bei der Gründung 1992 war das erklärte Ziel, bei mindestens einem der beiden ins Regal zu kommen.
«Wir wollten den fairen Handel aus der Nische in den Massenmarkt bringen», sagt Renato Isella. Diese Wirkung war von Anfang an mitgeplant. «Daher sind wir uns gewohnt, gegenüber grossen Unternehmen unsere Werte zu vertreten und durchzusetzen», sagt er. Max Havelaar selbst handelt nicht mit Gütern. «Wir erlauben Partnern, unser Label zu verwenden, vorausgesetzt sie halten die Fairtrade-Standards ein», so Renato Isella. Er ist sich bewusst, dass es Händler gibt, die sich mit ein oder zwei Max-Havelaar-Produkten im Sortiment ein nachhaltiges Image geben wollen. Mit diesen suchen sie den Dialog. Der faire Handel ist eine Herzensangelegenheit und soll keine Alibiaktion sein. Die meisten Unternehmen sind engagiert. Und das Label ist für sie eine wichtige Dienstleistung, um diese Überzeugung zu belegen.
Synergien nutzen
Das Label garantiert die Einhaltung der Fairtrade-Standards. Diese Standards gelten für alle beteiligten Unternehmen. Global. Sie werden an der Generalversammlung der Dachorganisation Fairtrade International beschlossen. Der Süden und der Norden haben gleich viel Stimmenanteile. Im Zentrum dieser internationalen Bewegung stehen die 1,7 Millionen Bauern und Arbeiterinnen in Entwicklungsländern. Ebenso gehören nationale Fairtrade-Organisationen wie Fairtrade Max Havelaar in 25 Industriestaaten dazu. «Im Austausch miteinander lernen wir voneinander, können Synergien nutzen, Abläufe vereinfachen und mehr Wirkung erzielen», sagt Renato Isella. «Die internationale Zusammenarbeit spielt dabei eine wichtige Rolle.» Damit die Produzenten im Süden vom fairen Handel profitieren können, müssen die Menschen in unserer Gesellschaft sensibilisiert werden. Um die Lebensbedingungen benachteiligter Menschen in den Entwicklungsländern nachhaltig zu verbessern, braucht es das Zusammenspiel aller: «Der Staat gibt die Rahmenbedingungen, die Unternehmen übernehmen ihre Verantwortung – und Stiftungen unterstützen sie dabei durch Beratung, ihre Expertise und Unabhängigkeit.» Auch Brigit Wehrli-Schindler sieht die Bedeutung, die Politik auf wichtige Themen aufmerksam zu machen. Um die Position der Stiftungen und ihrer Anliegen im Zusammenspiel mit dem Staat zu stärken können solchen Kooperationen helfen. Stiftungen können so dazu beitragen, Themen auf die politische Agenda zu setzen – wie zum Beispiel das Thema der Betreuung im Alter und ihrer Finanzierung. Brigit Wehrli-Schindler sagt: «Durch die Kooperation von Stiftungen und Forschungsstellen kann das Wissen zu aktuellen Themen vertieft werden.» Auch das Migros-Kulturprozent kooperiert auf den verschiedenen Ebenen. «Wir kooperieren mit Staat, Markt und Zivilgesellschaft», so Cornelia Hürzeler. «Sehr gut geeignet sind temporär befristete Initiativen. Es ist nicht selbstverständlich, dass alle Beteiligten zur gleichen Zeit das gleiche Ziel haben.» Dies beruht auf der Organisationslogik. Organisationen entwickeln und verändern sich. Sie stecken sich neue Ziele, wenn die vorherigen nicht mehr kompatibel sind.
Die Lücke füllen
Ulrich Kriese formuliert das Verhältnis zum Staat wie folgt: «Wir springen in die Lücke, die der Staat nicht oder nicht mehr ausreichend ausfüllt.» Es gibt in Basel und auch anderswo einen Bedarf an Flächen, die nicht hochpreisig vermietet werden, für soziale, kulturelle und andere Bedürfnisse. Diese will die Stiftung Edith Maryon erfüllen, indem sie die dafür nötigen Grundstücke sichert und zur Verfügung stellt. Doch sie beschränkt sich nicht auf die Lücke. Sie ist auch bereit, ihr Anliegen in die Politik zu tragen und sich zu exponieren. 2015 hat sie in einer Kooperation mit der Stiftung Habitat und mit dem Dachverband der Wohngenossenschaften in der Nordwestschweiz gemeinsam die Neue Bodeninitiative in Basel lanciert. Der Boden im Eigentum des Kantons soll nicht mehr veräussert werden, sondern beim Kanton bleiben. Abgegeben wird er, wenn, dann nur im Baurecht. So hat der Kanton langfristig die Hand darauf. «Da gab es natürlich Widerstand», erinnert sich Ulrich Kriese. «Trotzdem stimmte 2016 eine Zweidrittelmehrheit der Initiative zu.» Ein beachtlicher Erfolg für ein zivilgesellschaftliches Anliegen.