Marieke Hounjet, Director 360 Philanthropy

Gemein­sam Neuland betreten

Zusammen mit Porticus hat die Universität Genf ein Modul zu inklusiver und kollaborativer Philanthropie entwickelt, das Teil des neuen Master of Advanced Studies in Philanthropy ist. Porticus ist eine globale philanthropische Organisation mit Hauptsitz in den Niederlanden und Spezialistin auf diesem Thema. Marieke Hounjet, Director 360 Philanthropy bei Porticus, spricht über die Bedeutung inklusiver und kollaborativer Ansätze für die Philanthropie.

Wie gehö­ren inklu­sive und kolla­bo­ra­tive Ansätze zusammen?

Ich bin der festen Über­zeu­gung, dass nur inklu­sive und kolla­bo­ra­tive Phil­an­thro­pie eine Chance hat, die Welt lang­fris­tig posi­tiv zu verän­dern. Es handelt sich also nicht um ein «nice to have». Es ist ein «must have». Bevor ich Porti­cus kam, hatte ich viel Erfah­rung auf der Seite der Phil­an­thro­pie gesam­melt, die Förder­mit­tel braucht. Aufgrund dieser Erfah­rung hatte ich viele Ideen, wie Förderer:innen bessere Partner:innen sein könn­ten. Vor allem Förderer:innen haben ein gros­ses Poten­zial, die Zusam­men­ar­beit zu verbes­sern: Die Art und Weise, wie sie an Part­ner­schaf­ten heran­ge­hen, Anreize schaf­fen und sich in diesen enga­gie­ren, führt häufig zur Entste­hung eines beherr­schen­den Einflus­ses. Wir wissen, wie zentral die Zusam­men­ar­beit ist, um die gros­sen Probleme unse­rer Zeit anzu­ge­hen. Dennoch wird den eigent­li­chen Prozes­sen, die eine erfolg­rei­che Zusam­men­ar­beit zwischen den verschie­de­nen Inter­es­sen­grup­pen ermög­li­chen kann, nur sehr wenig Aufmerk­sam­keit geschenkt.

Erken­nen Sie Verbes­se­run­gen in den vergan­ge­nen Jahren?

Ich freue mich, dass in den letz­ten zehn Jahren das Inter­esse – und die Aner­ken­nung der Notwen­dig­keit – gewach­sen ist, dass der Sektor inklu­si­ver werden muss. Inklu­sion ist eine Voraus­set­zung für eine trans­for­ma­tive Kolla­bo­ra­tion. Umge­kehrt erfor­dert «Inklu­sion» oft Kolla­bo­ra­tion. Eine wahrer kolla­bo­ra­ti­ver Ansatz muss Ursa­chen aufde­cken für Margi­na­li­sie­rung, wie Ethnie, ethni­scher Zuge­hö­rig­keit, Geschlecht oder wirt­schaft­li­cher Status geschieht. Ebenso nutzt eine Praxis, die Inklu­sion fördert, oft Metho­den, um Menschen zusam­men­zu­brin­gen und den Dialog zu erleich­tern, also ist Kolla­bo­ra­tion impli­zit. Diese Konzepte sind daher so eng mitein­an­der verwo­ben, dass wir sie meiner Meinung nach gemein­sam ange­hen und zulas­sen müssen, dass sie sich gegen­sei­tig verstärken.

Das Beste, was man tun kann, ist, die Menschen zu befä­hi­gen, sich dieser Vorur­teile so weit wie möglich bewusst zu werden.

Marieke Houn­jet, Direc­tor 360 Philanthropy

Welche Bedeu­tung haben Diver­sity und Inklu­sion in der Aus- und Weiterbildung?

Die Aus- und Weiter­bil­dung ist der perfekte Ort, um sich mit diesen Konzep­ten ausein­an­der­zu­set­zen. Hier lassen sich die eige­nen Über­zeu­gun­gen und Welt­an­schau­un­gen in Frage stel­len. Es ist ein siche­rer Ort, um sich mit neuen Sicht­wei­sen auf die Welt ausein­an­der­zu­set­zen, vor allem, wenn es eine grosse Diver­si­tät im Klas­sen­zim­mer gibt  – sei es im virtu­el­len oder physi­schen. Die Welt­sicht eines jeden Menschen ist durch Inhalt, Zeit und Ort seiner Ausbil­dung begrenzt, so dass wir alle Vorur­teile haben.  Das Beste, was man tun kann, ist, die Menschen zu befä­hi­gen, sich dieser Vorur­teile so weit wie möglich bewusst zu werden.

Wie soll­ten wir damit umgehen? 

Die Eigen­schaf­ten Beschei­den­heit und Neugier sind von unschätz­ba­rem Wert, wenn es darum geht, andere Perso­nen­grup­pen oder Systeme zu verste­hen, vor allem, wenn sie in diesem Bereich arbei­ten und posi­tive Verän­de­run­gen für sie unter­stüt­zen wollen. Ich freue mich, dass Insti­tu­tio­nen wie die UNIGE diesem Thema in ihren Lehr­plä­nen viel Platz einräu­men, vor allem in ihrem Master in Phil­an­thropy, der jetzt ein komplet­tes Online-Modul über kolla­bo­ra­tive und inte­gra­tive Phil­an­thro­pie bietet, das auch als eigen­stän­di­ges Modul von jedem Ort der Welt aus besucht werden kann. Dieses wurde in Zusam­men­ar­beit mit Porti­cus entwi­ckelt und ist für alle zugäng­lich. Natür­lich ist es wich­tig, etwas über recht­li­che Bestim­mun­gen, Buch­hal­tungs­grund­sätze und eine ganze Reihe ande­rer Aspekte zu lernen, die zur Führung gesun­der Orga­ni­sa­tio­nen beitra­gen. Aber ehrlich gesagt denke ich, dass Kolla­bo­ra­tion und Inklu­sion grund­le­gen­der sind: Letzt­end­lich können sie die Art und Weise verän­dern, wie man grund­le­gende Geschäfts­prak­ti­ken wie Lernen, Perso­nal­ma­nage­ment und sogar Finanz­be­richte angeht.

Warum nehmen Sie das Thema in den MAS in Phil­an­thropy der Univer­si­tät Genf auf?

Da es sich um ein Modul für Fort­ge­schrit­tene handelt, verfü­gen die meis­ten Teilnehmer:innen bereits über eine gewisse Berufs­er­fah­rung und kommen (hoffent­lich!) aus allen Teilen der Welt. Es wird online ange­bo­ten. Dadurch ist es möglichst einfach zugäng­lich. Ich hoffe, dass dies einige faszi­nie­rende Dialoge auslö­sen wird, denn nur so werden wir verste­hen können, wie nuan­ciert diese Themen sind.

Es ist nicht einfach, die Art und Weise zu ändern, wie wir in Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren arbeiten. 

Marieke Houn­jet

Gab es beson­dere Frage­stel­lun­gen, bei der Entwick­lung des Moduls?

Da es sich nicht wirk­lich um eine Diszi­plin handelt, in der es um «rich­tig und falsch» geht, ist die Messung der Leis­tung in diesem Bereich recht schwie­rig. Ich habe meine akade­mi­schen Kolleg:innen nicht darum benei­det, dass sie sich Online-Test­me­tho­den für das von uns erstellte Kurs­ma­te­rial ausden­ken muss­ten. Auch bei Porti­cus haben wir damit zu kämp­fen. Die Kolleg:innen würden es natür­lich vorzie­hen, wenn es ein Hand­buch gäbe, in dem beschrie­ben wird, wie sie mehr Inklu­sion in ihre Arbeit inte­grie­ren können, aber die Wahr­heit ist, dass dies extrem kontext­ab­hän­gig ist und dass eine zu starke Vorgabe kontra­pro­duk­tiv sein kann. Es kommt auf das Bewusst­sein an, das man für diese Arbeit mitbringt. Entschei­dend sind die Ansätze, die man verfolgt und die Fähig­keit, zu reflek­tie­ren und zu lernen. Einer meiner Kolle­gen drückt dies sehr schön aus, indem er sagt, dass es eine «innere-persön­li­che-Reise» gibt, auf die man zuerst gehen muss, bevor man sich auf die «äussere-beruf­li­che-Reise» bege­ben kann.

Wo steht der Phil­an­thro­pie-Sektor bei diesen Themen?

Es ist auffäl­lig, dass Stif­tungs­mit­ar­bei­tende manch­mal ein ungu­tes Verhält­nis zu Geld und der damit verbun­de­nen Macht haben. Was meiner Meinung nach hilft, ist wiederum ein grös­se­res Bewusst­sein dafür, wie sich Macht­un­gleich­ge­wichte mani­fes­tie­ren können, und auch die einfa­che und offen­sicht­li­che Erkennt­nis, dass, ja, Geld zwar ein grund­le­gen­der Teil der Glei­chung sein kann, aber dass es Teil einer umfas­sen­de­ren Idee des Austauschs sein muss. Viele Menschen in der Bran­che sind auf dem Weg, die Phil­an­thro­pie inklu­si­ver und koope­ra­ti­ver zu gestal­ten. Einige Orga­ni­sa­tio­nen sind auf diesem Weg weiter als andere.

Was gilt es zu beachten?

Es ist ein poli­tisch heik­les Thema, und ich denke, die meis­ten Menschen, die in diesem Bereich arbei­ten wollen, beken­nen sich zu diesen Grund­sät­zen. Aber es ist nicht einfach, die Art und Weise zu ändern, wie wir in Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren arbei­ten. Daher können Indi­vi­duen manch­mal in schwie­ri­gere Situa­tio­nen gera­ten, wenn sie nicht auto­ma­tisch den Weg des gerings­ten Wider­stands gehen. 

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

Klar. Ein gutes Beispiel ist, wie Stif­tun­gen neue Arbeits­be­rei­che Entwi­ckeln. Arbei­ten sie mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen zusam­men und riskie­ren dabei, Erwar­tun­gen für etwas zu wecken, das intern noch nicht abge­seg­net ist? Oder ziehen sie es vor, Dinge im eige­nen Haus zu entwi­ckeln, indem sie zuerst die erfor­der­li­che Zustim­mung erhal­ten und dann hoffen, dass andere sich ihnen auf ihrem Weg anschlies­sen, wenn die wich­ti­gen Entschei­dun­gen bereits getrof­fen wurden? In der Vergan­gen­heit haben wir bei Porti­cus viel hinter verschlos­se­nen Türen gear­bei­tet, bevor wir es gewagt haben, andere mit einzu­be­zie­hen, geschweige denn, Grup­pen von Menschen bei der gemein­sa­men Entwick­lung von Projek­ten zu unter­stüt­zen. Das hat sich während meiner Zeit in der Orga­ni­sa­tion geän­dert. Das begeis­tert mich. Aber es ist natür­lich nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt noch so viel zu lernen und zu verbes­sern, wenn es um sinn­volle und inte­gra­tive Arbeit geht.

Das bedeu­tet auto­ma­tisch, dass sich auch der phil­an­thro­pi­sche Sektor mit dem Thema Inklu­sion ausein­an­der­set­zen muss.

Marieke Houn­jet

Gibt es inter­na­tio­nale Unter­schiede in der Haltung der Orga­ni­sa­tio­nen und in der Bedeu­tung, die der Phil­an­thro­pie­sek­tor dem Thema beimisst?

In gewis­ser Weise betre­ten wir hier Neuland. Es liegen noch keine Daten und Erkennt­nisse darüber vor, wie verschie­dene inter­na­tio­nale Orga­ni­sa­tio­nen das Thema Kolla­bo­ra­tion und Inklu­sion ange­hen. Das Risiko besteht darin, dass sich die Diskus­sion nicht in ausrei­chen­dem Masse in Verän­de­run­gen und Mass­nah­men nieder­schlägt. Es ist natür­lich für alle Orga­ni­sa­tio­nen von Bedeu­tung, unab­hän­gig davon, wo sie ansäs­sig sind. Wenn ich träu­men darf, würde ich mir wünschen, dass Inklu­sion und Kolla­bo­ra­tion in den Orga­ni­sa­tio­nen veran­kert sind, ohne dass sie zu einer spezi­el­len Agenda gemacht werden müssen. Aber ich fürchte, dass viele Orga­ni­sa­tio­nen noch weit von diesem Ideal entfernt sind.

Gibt es Forschungs­er­geb­nisse zu den Vortei­len oder Auswir­kun­gen, die ein diver­se­rer und inte­gra­ti­ver Sektor auf die Gesell­schaft hat?

Je stär­ker der Bereich insti­tu­tio­nell veran­kert ist, desto mehr Beweise werden wir sehen. Unsere Gesell­schaf­ten sind unglaub­lich divers. Ich denke, das bedeu­tet auto­ma­tisch, dass sich auch der phil­an­thro­pi­sche Sektor mit dem Thema Inklu­sion ausein­an­der­set­zen muss. Bei Porti­cus gibt es eindeu­tige Belege dafür, dass parti­zi­pa­tive Prak­ti­ken etwas bewir­ken können. Wir haben gemein­sam mit dem Closer than you think Coll­ec­tive (2024) eine Studie in Auftrag gege­ben, die auf die Fülle der bereits vorhan­de­nen Erkennt­nisse verweist. Aber sie kommt auch zu dem Schluss, dass noch mehr erfor­der­lich ist. Porti­cus plant, sich mit einer Reihe gleich­ge­sinn­ter Stif­tun­gen zu tref­fen, um die Arbeit an dieser Evidenz­ba­sis für die Wirk­sam­keit der Betei­li­gung fortzusetzen.

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