Wie gehören inklusive und kollaborative Ansätze zusammen?
Ich bin der festen Überzeugung, dass nur inklusive und kollaborative Philanthropie eine Chance hat, die Welt langfristig positiv zu verändern. Es handelt sich also nicht um ein «nice to have». Es ist ein «must have». Bevor ich Porticus kam, hatte ich viel Erfahrung auf der Seite der Philanthropie gesammelt, die Fördermittel braucht. Aufgrund dieser Erfahrung hatte ich viele Ideen, wie Förderer:innen bessere Partner:innen sein könnten. Vor allem Förderer:innen haben ein grosses Potenzial, die Zusammenarbeit zu verbessern: Die Art und Weise, wie sie an Partnerschaften herangehen, Anreize schaffen und sich in diesen engagieren, führt häufig zur Entstehung eines beherrschenden Einflusses. Wir wissen, wie zentral die Zusammenarbeit ist, um die grossen Probleme unserer Zeit anzugehen. Dennoch wird den eigentlichen Prozessen, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Interessengruppen ermöglichen kann, nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Erkennen Sie Verbesserungen in den vergangenen Jahren?
Ich freue mich, dass in den letzten zehn Jahren das Interesse – und die Anerkennung der Notwendigkeit – gewachsen ist, dass der Sektor inklusiver werden muss. Inklusion ist eine Voraussetzung für eine transformative Kollaboration. Umgekehrt erfordert «Inklusion» oft Kollaboration. Eine wahrer kollaborativer Ansatz muss Ursachen aufdecken für Marginalisierung, wie Ethnie, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder wirtschaftlicher Status geschieht. Ebenso nutzt eine Praxis, die Inklusion fördert, oft Methoden, um Menschen zusammenzubringen und den Dialog zu erleichtern, also ist Kollaboration implizit. Diese Konzepte sind daher so eng miteinander verwoben, dass wir sie meiner Meinung nach gemeinsam angehen und zulassen müssen, dass sie sich gegenseitig verstärken.
Das Beste, was man tun kann, ist, die Menschen zu befähigen, sich dieser Vorurteile so weit wie möglich bewusst zu werden.
Marieke Hounjet, Director 360 Philanthropy
Welche Bedeutung haben Diversity und Inklusion in der Aus- und Weiterbildung?
Die Aus- und Weiterbildung ist der perfekte Ort, um sich mit diesen Konzepten auseinanderzusetzen. Hier lassen sich die eigenen Überzeugungen und Weltanschauungen in Frage stellen. Es ist ein sicherer Ort, um sich mit neuen Sichtweisen auf die Welt auseinanderzusetzen, vor allem, wenn es eine grosse Diversität im Klassenzimmer gibt – sei es im virtuellen oder physischen. Die Weltsicht eines jeden Menschen ist durch Inhalt, Zeit und Ort seiner Ausbildung begrenzt, so dass wir alle Vorurteile haben. Das Beste, was man tun kann, ist, die Menschen zu befähigen, sich dieser Vorurteile so weit wie möglich bewusst zu werden.
Wie sollten wir damit umgehen?
Die Eigenschaften Bescheidenheit und Neugier sind von unschätzbarem Wert, wenn es darum geht, andere Personengruppen oder Systeme zu verstehen, vor allem, wenn sie in diesem Bereich arbeiten und positive Veränderungen für sie unterstützen wollen. Ich freue mich, dass Institutionen wie die UNIGE diesem Thema in ihren Lehrplänen viel Platz einräumen, vor allem in ihrem Master in Philanthropy, der jetzt ein komplettes Online-Modul über kollaborative und integrative Philanthropie bietet, das auch als eigenständiges Modul von jedem Ort der Welt aus besucht werden kann. Dieses wurde in Zusammenarbeit mit Porticus entwickelt und ist für alle zugänglich. Natürlich ist es wichtig, etwas über rechtliche Bestimmungen, Buchhaltungsgrundsätze und eine ganze Reihe anderer Aspekte zu lernen, die zur Führung gesunder Organisationen beitragen. Aber ehrlich gesagt denke ich, dass Kollaboration und Inklusion grundlegender sind: Letztendlich können sie die Art und Weise verändern, wie man grundlegende Geschäftspraktiken wie Lernen, Personalmanagement und sogar Finanzberichte angeht.
Warum nehmen Sie das Thema in den MAS in Philanthropy der Universität Genf auf?
Da es sich um ein Modul für Fortgeschrittene handelt, verfügen die meisten Teilnehmer:innen bereits über eine gewisse Berufserfahrung und kommen (hoffentlich!) aus allen Teilen der Welt. Es wird online angeboten. Dadurch ist es möglichst einfach zugänglich. Ich hoffe, dass dies einige faszinierende Dialoge auslösen wird, denn nur so werden wir verstehen können, wie nuanciert diese Themen sind.
Es ist nicht einfach, die Art und Weise zu ändern, wie wir in Organisationsstrukturen arbeiten.
Marieke Hounjet
Gab es besondere Fragestellungen, bei der Entwicklung des Moduls?
Da es sich nicht wirklich um eine Disziplin handelt, in der es um «richtig und falsch» geht, ist die Messung der Leistung in diesem Bereich recht schwierig. Ich habe meine akademischen Kolleg:innen nicht darum beneidet, dass sie sich Online-Testmethoden für das von uns erstellte Kursmaterial ausdenken mussten. Auch bei Porticus haben wir damit zu kämpfen. Die Kolleg:innen würden es natürlich vorziehen, wenn es ein Handbuch gäbe, in dem beschrieben wird, wie sie mehr Inklusion in ihre Arbeit integrieren können, aber die Wahrheit ist, dass dies extrem kontextabhängig ist und dass eine zu starke Vorgabe kontraproduktiv sein kann. Es kommt auf das Bewusstsein an, das man für diese Arbeit mitbringt. Entscheidend sind die Ansätze, die man verfolgt und die Fähigkeit, zu reflektieren und zu lernen. Einer meiner Kollegen drückt dies sehr schön aus, indem er sagt, dass es eine «innere-persönliche-Reise» gibt, auf die man zuerst gehen muss, bevor man sich auf die «äussere-berufliche-Reise» begeben kann.
Wo steht der Philanthropie-Sektor bei diesen Themen?
Es ist auffällig, dass Stiftungsmitarbeitende manchmal ein ungutes Verhältnis zu Geld und der damit verbundenen Macht haben. Was meiner Meinung nach hilft, ist wiederum ein grösseres Bewusstsein dafür, wie sich Machtungleichgewichte manifestieren können, und auch die einfache und offensichtliche Erkenntnis, dass, ja, Geld zwar ein grundlegender Teil der Gleichung sein kann, aber dass es Teil einer umfassenderen Idee des Austauschs sein muss. Viele Menschen in der Branche sind auf dem Weg, die Philanthropie inklusiver und kooperativer zu gestalten. Einige Organisationen sind auf diesem Weg weiter als andere.
Was gilt es zu beachten?
Es ist ein politisch heikles Thema, und ich denke, die meisten Menschen, die in diesem Bereich arbeiten wollen, bekennen sich zu diesen Grundsätzen. Aber es ist nicht einfach, die Art und Weise zu ändern, wie wir in Organisationsstrukturen arbeiten. Daher können Individuen manchmal in schwierigere Situationen geraten, wenn sie nicht automatisch den Weg des geringsten Widerstands gehen.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern?
Klar. Ein gutes Beispiel ist, wie Stiftungen neue Arbeitsbereiche Entwickeln. Arbeiten sie mit anderen Organisationen zusammen und riskieren dabei, Erwartungen für etwas zu wecken, das intern noch nicht abgesegnet ist? Oder ziehen sie es vor, Dinge im eigenen Haus zu entwickeln, indem sie zuerst die erforderliche Zustimmung erhalten und dann hoffen, dass andere sich ihnen auf ihrem Weg anschliessen, wenn die wichtigen Entscheidungen bereits getroffen wurden? In der Vergangenheit haben wir bei Porticus viel hinter verschlossenen Türen gearbeitet, bevor wir es gewagt haben, andere mit einzubeziehen, geschweige denn, Gruppen von Menschen bei der gemeinsamen Entwicklung von Projekten zu unterstützen. Das hat sich während meiner Zeit in der Organisation geändert. Das begeistert mich. Aber es ist natürlich nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt noch so viel zu lernen und zu verbessern, wenn es um sinnvolle und integrative Arbeit geht.
Das bedeutet automatisch, dass sich auch der philanthropische Sektor mit dem Thema Inklusion auseinandersetzen muss.
Marieke Hounjet
Gibt es internationale Unterschiede in der Haltung der Organisationen und in der Bedeutung, die der Philanthropiesektor dem Thema beimisst?
In gewisser Weise betreten wir hier Neuland. Es liegen noch keine Daten und Erkenntnisse darüber vor, wie verschiedene internationale Organisationen das Thema Kollaboration und Inklusion angehen. Das Risiko besteht darin, dass sich die Diskussion nicht in ausreichendem Masse in Veränderungen und Massnahmen niederschlägt. Es ist natürlich für alle Organisationen von Bedeutung, unabhängig davon, wo sie ansässig sind. Wenn ich träumen darf, würde ich mir wünschen, dass Inklusion und Kollaboration in den Organisationen verankert sind, ohne dass sie zu einer speziellen Agenda gemacht werden müssen. Aber ich fürchte, dass viele Organisationen noch weit von diesem Ideal entfernt sind.
Gibt es Forschungsergebnisse zu den Vorteilen oder Auswirkungen, die ein diverserer und integrativer Sektor auf die Gesellschaft hat?
Je stärker der Bereich institutionell verankert ist, desto mehr Beweise werden wir sehen. Unsere Gesellschaften sind unglaublich divers. Ich denke, das bedeutet automatisch, dass sich auch der philanthropische Sektor mit dem Thema Inklusion auseinandersetzen muss. Bei Porticus gibt es eindeutige Belege dafür, dass partizipative Praktiken etwas bewirken können. Wir haben gemeinsam mit dem Closer than you think Collective (2024) eine Studie in Auftrag gegeben, die auf die Fülle der bereits vorhandenen Erkenntnisse verweist. Aber sie kommt auch zu dem Schluss, dass noch mehr erforderlich ist. Porticus plant, sich mit einer Reihe gleichgesinnter Stiftungen zu treffen, um die Arbeit an dieser Evidenzbasis für die Wirksamkeit der Beteiligung fortzusetzen.