Wichtige Erkenntnisse
Die Mittelschicht bildet nach wie vor das Rückgrat des formellen Freiwilligenwesens in der Schweiz. Obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung zurückgegangen ist – von etwa 70 % im Jahr 2006 auf unter 60 % im Jahr 2019 –, stellt die Mittelschicht weiterhin die Mehrheit der Freiwilligen. Ihr Engagement schwankt zwar (81 % im Jahr 2006, 67 % im Jahr 2014, 71 % im Jahr 2019), langfristig ist jedoch kein signifikanter Rückgang zu verzeichnen. Im Vergleich zu einkommensschwachen Gruppen engagiert sich die Mittelschicht nach wie vor deutlich häufiger formell in Vereinen, Sportclubs oder kulturellen und sozialen Organisationen.
Warum die Mittelschicht wichtig ist
Angehörige der Mittelschicht verfügen in der Regel über eine gute Ausbildung, einen sicheren Arbeitsplatz und soziale Integration – Faktoren, die sowohl Humankapital (Fähigkeiten, Erfahrung, Ressourcen) als auch Sozialkapital (Vertrauen und Netzwerke) generieren. Diese Eigenschaften machen sie zu attraktiven Freiwilligen für gemeinnützige Organisationen. Allerdings schränken berufliche Zeitbeschränkungen ihre Verfügbarkeit zunehmend ein, sodass Zeit zur knappsten Ressource für Freiwillige wird. Berufliche Pflichten konkurrieren mit bürgerschaftlichem Engagement, obwohl diese Menschen starke Werte und die Bereitschaft zum Mitwirken haben.
Praktische Implikationen für gemeinnützige Organisationen
- Investieren Sie in Vertrauensbildung: Lokales und organisatorisches Vertrauen sind wichtige Prädiktoren für ehrenamtliches Engagement. Transparente Kommunikation, integrative Entscheidungsfindung und stabile Netzwerke in der Gemeinschaft stärken das Engagement von Freiwilligen.
- Ermöglichen Sie flexibles Engagement: Zeitmangel ist ein grosses Hindernis. Mikro-Freiwilligenarbeit, kurzfristige Projekte oder familienfreundliche Aktivitäten können vielbeschäftigte Berufstätige anziehen.
- Unterstützen Sie das Zeitmanagement: Es kann hilfreich sein, Freiwillige darin zu schulen, ihr Engagement in ihren Zeitplan zu integrieren, oder mit Arbeitgebern im Bereich „Corporate Volunteering” zusammenzuarbeiten.
- Nutzen Sie politisches und bürgerschaftliches Interesse: Menschen, die sich aktiv für bestimmte Anliegen einsetzen, sind potenzielle Kandidaten – insbesondere für Aufgaben im Bereich der Interessenvertretung.
- Gezielte Öffentlichkeitsarbeit: Geringverdienende Gruppen sind nach wie vor unterrepräsentiert; massgeschneiderte Initiativen könnten die Freiwilligenbasis über die traditionelle Mittelschicht hinaus erweitern.
Trends und Ausblick
Trotz der Befürchtung, die schrumpfende Mittelschicht könnte das Angebot an Freiwilligen untergraben, ist die formelle Freiwilligenbasis in der Schweiz stabil geblieben. Vertrauen, Bürgerkultur und institutionelle Verankerung ermöglichen die Teilnahme. Dennoch müssen sich gemeinnützige Organisationen an neue Lebensstile und Erwartungen anpassen – an episodischere, und zweckorientierte Formen des Engagements.


