The Philanthropist: Am 5. April startet in Wuxi in China die U17/U20 WM. Was erwarten Sie von den Schweizer Teilnehmer:innen?
Max Heinzer: In Wuxi sind viele junge Athlet:innen mit viel Potenzial dabei. Trotzdem bleiben wir realistisch und sagen, dass eine Top acht Klassierung einer Einzelathlet:in oder eines Teams in diesem Jahr eine schöne Überraschung wäre. Das vorrangige Ziel in den Kategorien U17 und U20 ist die Vorbereitung auf die Elite und eine mögliche Olympiaqualifikation mit dem Team. Der Teamwettkampf in Wuxi stellt dabei einen wichtigen Meilenstein dar. Neben der Weiterentwicklung der physischen, technischen und taktischen Fähigkeiten sollen solche Grossveranstaltungen auch den Teamgeist stärken und die Motivation der Athlet:innen fördern.
Wie finanziert sich die Schweizer Delegation?
Als Verband stellen wir allen Athlet:innen zwei unserer Nationaltrainer für die Betreuung und das Coaching vor Ort zur Verfügung, übernehmen alle Startgelder und die Kosten für die obligatorisch zu stellenden Kampfrichter:innen. Darüber hinaus können wir die Athlet:innen, die alle unsere Selektionskriterien erfüllt haben, vollumfänglich subventionieren – alle anderen müssen ihre Reise- und Hotelkosten selbst tragen. Für die WM in Wuxi belaufen sich die Kosten auf etwas mehr als 1000 Franken pro Athlet:in.
Eine sehr wichtige Rolle spielt auch die Schweizer Armee.
Max Heinzer, Präsident Swiss Fencing
Auf welche Förderungen können junge Spitzensportler:innen bauen, um eine professionelle Karriere aufzubauen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Finanzierung. Die Schweizer Sporthilfe hat beispielsweise ein Patenschaftssystem ins Leben gerufen, bei dem Athlet:innen bis zu 2000 Franken pro Jahr erhalten können, wenn sie über ihre Plattform eine Patin oder einen Paten finden. Ab dem Übergang zur Elite sind Beträge zwischen 12’000 und 24’000 Franken für sehr erfolgreiche Athlet:innen realistisch – dafür braucht es aber internationale Erfolge. Eine sehr wichtige Rolle spielt auch die Schweizer Armee. Nach erfolgreichem Abschluss der Spitzensport-RS in Magglingen können bis zu 130 Tage pro Jahr durch die Armee finanziert werden. Einige der Athlet:innen können sich auch über Unterstützung durch Schweizer Stiftungen freuen oder generieren einen Zustupf über Crowd-Funding-Plattformen. Um eine professionelle Karriere einschlagen und verfolgen zu können, müssen wir Fechter:innen alle Hebel in Bewegung setzen, denn unsere finanziellen Möglichkeiten als Verband sind doch sehr überschaubar.
Was muss ein:e Sportler:in investieren können, um bis in die internationale Spitze vorzustossen?
Um als Fechter:in an die internationale Spitze vorstossen zu können, sind beachtliche finanzielle Mittel nötig. Im Vergleich zu Sportarten, bei denen es beispielsweise hauptsächlich um Bestzeiten geht, ist es im Fechten entscheidend, gegen möglichst viele verschiedene Athlet:innen rund um den Globus zu fechten, um im Duell Situationen blitzschnell einschätzen und reagieren zu können. Deshalb sind Teilnahmen an internationalen Trainingslagern oder grossen Wettkämpfen im In- und Ausland ein Muss. Kürzlich habe ich das aktuelle Budget einer U17 Athletin von Swiss Fencing gesehen. Die jährlichen Ausgaben für Trainings- und Wettkampfkosten, Materialaufwand und Mitgliederbeiträge beliefen sich auf gut 17’000 Franken. Mit dieser Kostenaufstellung und den geplanten Ausgaben für die EM bin ich an die Stiftung Pilatus Akademie herangetreten. Per Dringlichkeitsantrag wurden sie und ihre Kollegin aus Luzern mit je 3000 Franken unterstützt – eine sehr erfreuliche Botschaft für die beiden und auch für uns als Verband.
Wie können Sie als Verband Nachwuchsportler:innen unterstützen?
Jedes Jahr führen wir die PISTE-Tests durch, um die besten Fechttalente der Schweiz zu rekrutieren. Diese Talente profitieren dann von einer erstklassigen Trainingsinfrastruktur, gut ausgebildeten Trainer:innen und adäquaten Trainingsformaten. Die Infrastruktur wird nach Möglichkeit von unseren 53 Mitgliedvereinen in der ganzen Schweiz zur Verfügung gestellt und vom Verband pro Training entschädigt. Somit schaffen wir optimale Rahmenbedingungen – für Athlet:innen und Trainer:innen – und für möglichst erfolgreiche Teilnahmen an Wettkämpfen. Ausserdem stehen unseren jungen Athlet:innen jederzeit kompetente Ansprechpersonen (u.a. Chef Leistungssport, Chef Nachwuchs) für Fragen zu relevanten Themen zur Verfügung und wir unterstützen sie bei der Mittelbeschaffung – wo und wie immer wir können. Zudem legen wir Wert darauf, dass die Athlet:innen gut vernetzt sind und vom gegenseitigen Austausch profitieren können – national und international.
Zum Glück sind wir von Natur aus kämpferisch und werden die nächsten Monate nutzen, um die vielen Schweizer Stiftungen, die gezielt Randsportarten wie das Fechten unterstützen, direkt anzusprechen.
Max Heinzer
Fechten erhält in den Medien nicht denselben Raum wie etwa Fussball. Wie wirkt sich dies auf das Akquirieren von Spendengeldern von Stiftungen und Mäzen:innen aus?
Unsere Medienpräsenz ist in der Tat sehr gering und es klopft kaum jemand an unsere Tür, um uns einfach so finanzielle Unterstützung anzubieten. Zum Glück sind wir von Natur aus kämpferisch und werden die nächsten Monate nutzen, um die vielen Schweizer Stiftungen, die gezielt Randsportarten wie das Fechten unterstützen, direkt anzusprechen. Vielleicht hilft dieses Interview ja schon, das Interesse von Stiftungen und Mäzen:innen für unseren traditionsreichen und schönen Sport zu wecken 😊. Sie müssen verstehen, dass einige unserer Athlet:innen sich ihre Fechtkarriere nur dank ihrer Spenden finanzieren können. In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass wir neben den Degenfechter:innen auch Florett‑, Säbel- und Rollstuhlfechter:innen haben, die in den letzten Jahren wenig bis gar keine Unterstützung von unserem Verband oder anderen Organisationen erhalten haben – auch das soll sich in naher Zukunft ändern.
Arbeiten Sie mit Stiftungen über die finanzielle Unterstützung hinaus zusammen?
Leider nein. Das Thema Stiftungen wurde bisher lediglich über die Finanzierung unserer Athlet:innen definiert – eine Zusammenarbeit mit uns als Verband ist auf jeden Fall erstrebenswert, in welcher Form auch immer – wir sind offen.
Welche Rolle spielt die Stiftung Masque d’Or bei der Förderung des Fechtsports?
Nach meinen Informationen ist das Stiftungskapital der Stiftung Masque d’Or leider nur noch so hoch, dass die Stiftung selbst am Leben erhalten werden kann. Im Moment spielt sie also keine Rolle und konnte in letzter Zeit auch keine Athlet:innen unterstützen.
In den letzten Jahren konnten wir einige schöne Erfolge feiern.
Max Heinzer
Wie steht es generell um den Nachwuchs im Fechtsport?
In den letzten Jahren konnten wir einige schöne Erfolge feiern, wie z.B. den U20-Weltmeistertitel und den U20-Vizeeuropameistertitel im Degenfechten. Auch die aktuellen Jahrgänge zeichnen sich durch grosses Potenzial aus, wenngleich die Medaillenerwartungen in diesem Jahr nicht im Vordergrund stehen. Ein herausragendes Beispiel für die erfolgreiche Nachwuchsarbeit ist Ian Hauri (22), der am vergangenen Wochenende beim Grand Prix in Budapest überraschend die Silbermedaille in der Elite-Kategorie gewann, obwohl er selbst vor kurzem noch Junior war. Grossveranstaltungen sind stets von hoher Bedeutung, da sie den aktuellen Leistungsstand der Athlet:innen aufzeigen. Für den Verband steht jedoch ihre langfristige Entwicklung im Vordergrund. Vorrangiges Ziel ist es, unserem Nachwuchs eine umfassende fechterische Ausbildung zu ermöglichen, damit sie auch später in den höheren Kategorien konstante Leistungen erbringen können.