Sie bekämpfen Armut mit unternehmerischen Mitteln. Funktioniert dieser Ansatz?
Der grosse Vorteil bei unserem Ansatz ist, dass wir in lokal verankerte Unternehmen investieren. Diese Unternehmer:innen lösen lokale Probleme. Wir investieren also in Menschen, die vor Ort bereits erfolgreich an der Lösung der oft vielfältigen Herausforderungen arbeiten.
Und die unternehmerischen Mittel?
Die Investition in ein Unternehmen wirkt langfristig und wirtschaftlich nachhaltig. Wir alle wissen: Philanthropische Mittel sind limitiert. Gelingt es uns, möglichst viel Wirkung zu erzeugen mit Investitionen in Organisationen, die sich über die Zeit selbst finanzieren können, dann sparen wir philanthropische Mittel für Dinge, die nur durch karitative Unterstützung möglich sind.
Unternehmer:innen denken in Generationen.
Andreas R. Kirchschläger, Geschäftsführer elea Foundation
Sie setzen also auf unternehmerisches Denken?
Unternehmer:innen denken in Generationen. Sie haben einen enorm langfristigen Horizont. Auf Projekte ausgerichtete Finanzierungen haben dagegen einen engeren Zeitrahmen und kennen ein Ende. Oft haben wir gerade in der Entwicklungszusammenarbeit gesehen, dass gesamte Projekte stark in Frage gestellt sind, sobald sich die Projektverantwortlichen zurückziehen. Ein lokal verankertes Unternehmen und ein:e Unternehmer:in vor Ort stehen für eine unvergleichlich längere Lebensdauer und ihre Wirkung ist somit deutlich nachhaltiger. Damit dies gelingt, investieren wir nie nur Geld. Wir sind immer auch mit Zeit und Know How sehr aktiv engagiert.
Und weshalb brauchen diese Unternehmen Unterstützung?
Viele der Unternehmen sind in einzelnen Bereichen sehr stark, haben aber natürlich auch Schwachstellen. Hinzu kommen die vielfältigen zusätzlichen Herausforderungen in den Regionen, in denen wir aktiv sind. Das sind Regionen, in welchen das Pro-Kopf-Einkommen im Durchschnitt unter drei Dollar pro Tag liegt. Damit sie trotz all dem überleben und ihr Potential voll entfalten können, unterstützen wir die Unternehmen, in die wir investieren, über den ganzen Investitionszeitraum intensiv mit Rat und Tat.
Gibt es ein Bedürfnis, das bei allen an erster Stelle steht? Ist es zuerst das Geld oder das Know How?
Meistens ist es beides und oft beides gleichzeitig. Wir investieren nie in Startups. Wir suchen Unternehmen, welche die ersten Herausforderungen gemeistert haben. Sie sind zwei bis drei Jahre alt und beginnen zu wachsen. Meist fehlt dazu das Kapital. Vor Ort finden sie dieses kaum und auch internationale (Impact-)Investoren können zu diesem Zeitpunkt das noch sehr hohe Risiko einer Investition nicht eingehen. Gleichzeitig steigt mit dem Wachstum die unternehmerische Komplexität. Das stellt neue Anforderungen an die Organisation, der Markt bringt neue Herausforderungen, Finanzen und Buchhaltung verlangen zum Beispiel mehr Professionalisierung als zu Beginn – und dies alles vor dem Hintergrund der schwierigen örtlichen Rahmenbedingungen. An diesem Punkt bieten wir Unterstützung bei der Organisationsentwicklung und helfen bei Fragen der Strategie, des Leadership und der Governance, aber natürlich auch in akuten Krisen, wie gerade eben während der Covid-19 Pandemie. Wir arbeiten sehr direkt mit den Unternehmen, um diese auf stabile Füsse zu stellen.
Wir prüfen pro Jahr ca. 1000 Unternehmen und investieren am Ende in fünf bis sieben.
Andreas R. Kirchschläger, Geschäftsführer elea Foundation
Wie finden Sie diese Unternehmen? Oder kommen diese etwa auf Sie zu?
In manchen Regionen haben wir zwar unterdessen eine gewisse Bekanntheit erreicht und ein starkes Netzwerk aufgebaut, aber grundsätzlich finden meist wir die Unternehmen. Wir suchen sehr gezielt nach Investitionsmöglichkeiten im Rahmen unserer Schwerpunkt-Themen in verschiedenen Ländern und Regionen. Haben wir in einem Land oder einer Region mehrere potenziell interessante Unternehmen eruiert, reisen wir für eine «Scouting Tour» vor Ort. Es folgt die Entscheidung, ob wir in eine vertiefte Due Diligence einsteigen.
Von wie vielen Unternehmen sprechen wir?
Wir prüfen pro Jahr ca. 1000 Unternehmen und investieren am Ende in fünf bis sieben. Unsere Aspiration ist, dass je mehr erfolgreiche Unternehmen wir fördern konnten, umso mehr neue Unternehmen auf uns zukommen.
Wie definieren Sie erfolgreich? Zählt alleine das finanzielle Überleben oder sind weitere Faktoren von Bedeutung, etwa die soziale Wirkung?
Letztere ist entscheidend. Die soziale Wirkung ist der Grund, weshalb wir investieren. Wir wollen eine positive Veränderung der Lebensverhältnisse der Menschen vor Ort erreichen. Wir haben unsere eigene Methodik entwickelt, um zu messen, ob ein Impact entsteht, ob dieser nachhaltig ist und wie sich die Lebensverhältnisse wie vieler Menschen konkret verbessern . Das verfolgen wir Jahr für Jahr.
Und welche Bedeutung haben die Finanzen?
Der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens ist das zweite Kriterium, also ob ein Unternehmen es schafft, selbst lebensfähig zu werden. Denn nur dann bleibt der Impact langfristig bestehen. Ob diese beiden Aspekte erreichbar sind, prüfen wir sehr genau. Es gibt tolle Unternehmen, bei welchen wir aber feststellen müssen, dass der Impact zu bescheiden ist – und es gibt ebenso solche mit einem starken Impact, die aber ohne den dauernden Zufluss von fremdem Geld nicht funktionieren.
Nun haben Sie im Rahmen eines «Leading for Impact Program» Vertreter:innen der Unternehmen, in die Sie investiert sind, ans IMD in Lausanne eingeladen. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Der Erfolg dieser Woche am IMD hat unsere hohen Erwartungen sogar noch übertroffen. Die verantwortlichen Professor:innen haben uns viel wertvollen Input vermittelt. Zudem profitieren die Unternehmer:innen enorm voneinander. Es war begeisternd zu sehen, wie schnell eine Vertrauensbasis geschaffen werden konnte und sie miteinander auch kritische Themen offen austauschten. Sie haben sofort festgestellt, dass sie mit ähnlichen Herausforderungen kämpfen, unabhängig davon, in welchen Sektoren und Ländern sie tätig sind.
Haben auch Sie als Stiftung etwas gelernt?
Wir haben als Team in vielerlei Hinsicht von diesen gemeinsamen Tagen profitiert. Wir konnten u.a. die persönlichen Beziehungen zu «unseren» Unternehmer:innen durch das gemeinsame Erlebnis weiter vertiefen, einige ihrer Herausforderungen von einer anderen Perspektive aus kennen und somit ihre Bedürfnisse besser verstehen lernen und auch das grosse Potential dieser spannenden Gemeinschaft besser konkret erfassen.
Nach welchen Kriterien hatten Sie die Teilnehmenden eingeladen?
Eingeladen waren alle Mitglieder unserer elea Entrepreneurs Community. Diese besteht aus den Gründer:innen und/oder Geschäftsführer:innen der Unternehmen, die wir unterstützen.
Um voneinander zu lernen?
Ja, und noch viel mehr: Wir wollen die Unternehmer:innen unserer Portfolio-Unternehmen miteinander verbinden und so eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten schaffen, die voneinander lernen, sich inspirieren und sich auch gegenseitig unterstützen können.
Ihre Mitglieder sind alle Entrepreneurs, die ihr ganzes Leben einer Ambition widmen: Menschen in Armut ein besseres Leben zu ermöglichen. Dabei beobachten wir, dass sie auf ihrer Reise oft einsam sind. Selbst die Mitmenschen in ihrem Umfeld und in ihren Familien verstehen teils nicht, weshalb sie ihr Talent nicht in einem grossen Unternehmen oder beim Staat für einen besseren Lohn und mit weit geringerem persönlichen Risiko einsetzen. Für diese Fragen ist die Gruppe als Sparringspartner sehr wertvoll. Die Unternehmer:innen merken, dass sie nicht alleine auf ihrer Mission unterwegs sind.
Hierfür sind wir auch auf der Suche nach weiteren Partnern und Stiftungen, die ähnliche Ziele verfolgen und diese Arbeit unterstützen möchten. Das Potential ist enorm.
Andreas R. Kirchschläger, Geschäftsführer elea Foundation
Die Unternehmer:innen haben sich jetzt einmal getroffen. Wie geht es weiter?
Das Programm in Lausanne war – nach einigen virtuellen Veranstaltungen zur Vorbereitung – der Auftakt, um die Gemeinschaft zu stärken. Wir sind überzeugt, dass vieles virtuell möglich ist. Tragfähige Verbindungen entstehen jedoch erst durch die persönliche Begegnung. Wir beobachten mit Freude, wie die Teilnehmenden ihre Kontakte nun über verschiedene Kanäle weiter pflegen. Es entstehen bilaterale Kooperationen. Wir wissen, dass sich einzelne Unternehmer:innen in ihren Regionen auch physisch treffen. Für nächstes Jahr haben wir darüber hinaus weitere Anlässe geplant, um die Mitglieder der elea Entrepreneurs‘ Community auf den einzelnen Kontinenten zusammenzubringen, die am selben Thema arbeiten. Hierfür sind wir auch auf der Suche nach weiteren Partnern und Stiftungen, die ähnliche Ziele verfolgen und diese Arbeit unterstützen möchten. Das Potential ist enorm.
Sie arbeiten mit anderen Stiftungen und NGOs zusammen?
Wir sind von der Bedeutung starker Partnerschaften überzeugt. Unsere Entrepreneurs‘ Community besteht aus einer einzigartigen Gruppe von Menschen, die sehr viel bewirken. Das ist eine spannende Plattform, für die wir mit anderen zusammenarbeiten können. elea sucht daher auch Partner, die unsere Überzeugung teilen, dass wir die Lebensbedingungen der Menschen in absoluter Armut nachhaltig und messbar verbessern können, wenn wir lokale Unternehmen stärken und dadurch Zugang zu Einkommen, Arbeitsplätzen, Ausbildung, lebensnotwendigen Gütern und Infrastruktur schaffen.
Die Unternehmer:innen haben am Leading for Impact Program Erfahrungen ausgetauscht. Werden auch ganze Konzepte übernommen, ähnlich einem Franchisemodell?
Wir hatten tatsächlich einen Fall, in dem ein Unternehmer feststellte, dass die Lösung eines anderen Unternehmens für ihn praktisch eins zu eins passen könnte. Nun arbeiten wir gemeinsam an der Frage, ob und unter welchen Umständen ein konkreter Transfer tatsächlich möglich wäre. Aber oft betraf der Austausch auch sehr konkrete strategische und operative Themen wie zum Beispiel Fragen der Governance, der Strategieentwicklung oder auch der Gestaltung der IT-Infrastruktur.
Hat dieser Austausch meist zwischen Vertreter:innen desselben Kulturkreises stattgefunden?
Dass es viele kulturspezifische Themen geben würde, hatten wir im Vorfeld angenommen. Festgestellt haben wir das Gegenteil. Der Transfer hat quer über die Kontinente stattgefunden.