Sarah und Andreas Caminada haben die Stiftung Uccelin gegründet. Der Starkoch und die Geschäftsführerin der Stiftung wollen junge Menschen mit einem 20-wöchigen Programm fördern und ihre Begeisterung für die Welt der Gastronomie weitergeben. Zum Start sind die Absolventinnen und Absolventen jeweils für eine Woche im Restaurant Andreas Caminada auf dem Schloss Schauenstein im bündnerischen Fürstenau.
Was hat Sie zur Gründung der Stiftung Uccelin motiviert?
Andreas Caminada: Unser Betrieb hier auf dem Schloss läuft gut. Deswegen wollten wir nach all den Jahren etwas zurückgeben. Geld sammeln und eine Stiftung unterstützen war ein Gedanke. Im Pingpong mit Sarah gingen unsere Ideen hin und her.
Sarah Caminada: Der Betrieb war extrem gewachsen. Andreas hat mit vier Mitarbeitenden angefangen. Heute arbeiten 70 Angestellte auf dem Schloss und in der Casa Caminada. Es macht Freude, und diese Freude und das Wissen wollen wir weitergeben.
AC: Nach reiflicher Überlegung haben wir uns entschieden, etwas Neues zu entwickeln. Es sollte ein Angebot sein, das es noch nicht gibt. Und wir wollten ein Zeichen für unsere Branche setzen. Mit unserer Stiftung können wir einen positiven Impuls geben. In der Kunst oder im Theater kennt man solche Förderprogramme. Diese Perspektive wollten wir auch in unsere Branche bringen. Ich habe Sarah gesagt, du musst das machen. (Lacht.)
SC: Uns war irgendwie klar, wir müssen für junge Menschen etwas machen. Wir erhalten 30, 40 Bewerbungen für eine Stage, pro Woche. Die Junggastronominnen und ‑gastronomen würden alle gerne bei uns hineinschauen. Doch leider müssen wir vielen absagen.
Das heisst?
SC: Gemäss Gesamtarbeitsvertrag müssen wir alle, die auf dem Betrieb arbeiten, bezahlen. Mehr als eine solche Stelle können wir leider nicht finanzieren. Das ist schade, weil wir sehr viele gute und interessante Lebensläufe von jungen Bewerberinnen und Bewerbern erhalten. Ihnen würden wir gerne eine Perspektive geben.
Und so kam die Idee zur Stiftung?
SC: Eine Stiftung schien uns die solideste Basis zu sein.
AC: Genau. Wir haben die Stiftung privat gegründet. Das Angebot ist bewusst unabhängig von unserem Betrieb gedacht, weil wir nicht wollten, dass es heisst Caminada bildet seine eigenen Leute aus. Von den über 25 Absolventinnen und Absolventen wollten nur zwei bei uns arbeiten. Die anderen arbeiten irgendwo in der Welt.
Wie haben Sie die Idee konkretisiert?
SC: Wir kreierten ein Programm für 20 Wochen. Es ist unterteilt in verschiedene Stages, sei es bei nationalen oder internationalen Köchen und Köchinnen oder auch bei Produzenten.
AC: Um Betriebe zu finden, nutzten wir unser Netzwerk. Wir haben ihnen erklärt, was wir machen wollen und was wir von ihnen erwarten.
SC: Sie sollen junge Menschen trainieren, aufnehmen und ihnen einen Einblick gewähren. Denn eine andere Schwierigkeit ist, dass Stagiaires oft einfach in der Produktionsküche landen. Das heisst Zwiebeln hacken …
AC: … Kräuter zupfen …
SC: … Rüebli schälen. Genau. Aber das ist nicht der Sinn unseres Programms. Die Stipendiaten sollen das Handwerk lernen. Natürlich machen bei uns auch Chefköche mit, welche die Programmteilnehmenden erst in die Produktionsküche schicken. Das ist auch okay. So müssen die Stipendiaten zuerst zeigen, was sie können. Sie brauchen ein gewisses Niveau. Die Erfahrung zeigt: Spätestens nach zwei Wochen haben sich die Stipendiaten bewiesen für andere Aufgaben.
Welche Rolle spielt Disziplin?
SC: Das Programm ist kein Freipass. Es geht nicht um Halligalli. Die jungen Menschen müssen etwas leisten.
AC: Die Stipendiaten sollen dabei sein, im Service, wenn die Gäste da sind, die Hektik spüren.
Wie lief das Programm an?
AC: Die Stiftung haben wir 2015 gegründet. Wir wollten langsam anfangen. Das Angebot ausschreiben,
selber schauen, wer sich bewirbt:
50 bis 60 Bewerbungen gingen ein.
SC: Bewerberinnen und Bewerber stellen sich ihr Programm von 20 Wochen bei der Anmeldung selbst zusammen. Ich berate sie höchstens, wenn jemand bspw. nur Betriebe im europäischen Norden wählt oder eine ähnliche Küche für alle Stationen. Dann empfehle ich, dass es cool wäre, noch einen Betrieb im Süden zu suchen oder etwa eine klassische französische Küche zu wählen. Ich gebe Inputs. Sie entscheiden. Oft sagen heute die Teilnehmenden, sie fänden die Austernfarm cool, und gehen anschliessend noch zu einem Chocolatier. Es sind diese Gegensätze, die faszinieren.
AC: Sie können auch zum Metzger oder Käser, Sensorikkurse belegen – oder Trüffel suchen gehen.
SC: In der ersten Runde haben wir dann drei Stipendiaten ausgewählt.
AC: Diese drei starteten 2016 das Programm. Wir sammelten Erfahrungen, ob unsere Idee funktioniert. Wie klappt es etwa mit dem Visum, wenn jemand nach New York geht?
Weshalb diese Zurückhaltung?
SC: Hätte es sich als unmöglich erwiesen, etwa in die USA zu gehen, hätten wir das Programm entsprechend anpassen müssen. Es war uns wichtig, dass wir es nachhaltig aufbauen, nicht schnell.
AC: Was wir realisiert haben ist, dass wir einen Schritt weitergehen müssen. Die Stipendiaten erhalten heute von uns ein Wertebuch. Darin steht genau, was wir von ihnen erwarten. Jede und jeder kommt zum Start des Programms eine Woche zu uns aufs Schloss. Würden wir feststellen, dass jemand keine Motivation hat, könnten wir ihn noch aus dem Programm herausnehmen.
SC: Bis jetzt ist dies zum Glück noch nie vorgekommen. So nahmen in der zweiten Runde acht Stipendiaten teil.
Wie ist das Programm organisiert?
SC: Haben sie ein Programm gewählt erhalten die Stipendiaten jeweils ein ganzes Package. Es ist wie bei einer Around-the-World Reise. Sie erhalten ein Programm …
AC: … Flugtickets …
SC: … Kontaktdaten, bei wem sie sich melden müssen …
AC: … Sackgeld, Versicherungen …
SC: … eigentlich alles drum herum.
Uccelin zahlt das alles. Was kostet ein Programm?
AC: Pro Person kostet es die Stiftung rund 15’000 Franken.
Und wie finanziert sich die Stiftung.
AC: Uccelin ist keine vermögende Stiftung. Sie finanziert sich aus dem laufenden Betrieb. Bei allen Menüs in unseren Restaurants gehen zwei Franken an die Stiftung. Wenn ich an einem Symposium teilnehme, zahlt der Veranstalter einen Betrag an die Stiftung. Auch Charitys veranstalten wir.
Das heisst?
AC: Wir machen hier auf dem Schloss eine Veranstaltung im kleinen Rahmen. 40 Gäste. Maximal. Sie zahlen 800 Franken für den kulinarischen Abend. Dieses Geld geht vollumfänglich an die Stiftung. Das ist eine gute Basis. Wir haben auch schon in Zürich eine Culinary Cinema Nights veranstaltet, drei Tage. Ein voller Erfolg, aber sehr viel Aufwand.
SC: Ausserdem unterstützen uns starke Gönner.
AC: Wir haben einen Gönner, der findet genau das toll, was wir machen. Er hat sein Vermögen selbst in unserer Branche verdient. Die Nachhaltigkeit unseres Ansatzes hat ihn überzeugt.
SC: Diese Unterstützung ist toll. Am Anfang war es mir eher unangenehm, unsere Stiftung zu präsentieren, wenn am gleichen Anlass jemand ein Projekt präsentierte, bei welchem es um Hunger ging.
AC: Wir spürten, wer uns unterstützt, sucht genau das.
SC: Ich glaube, unser Projekt überzeugt, weil man die Menschen dahinter sieht.
AC: Wir spüren, dass wir ein Fundament geschaffen haben. Und das wird wertgeschätzt. Es eröffnet viele neue Möglichkeiten. Beispielsweise haben wir mit Smiling Gecko eine Kooperation entwickelt. Der Verein ist in Kambodscha aktiv. Wir bieten nun ein Zusatzprogramm. Die Uccelin-Absolventen können nach dem Abschluss für zwei Monate nach Kambodscha und dort das Küchen- und das Serviceteam der Smiling-Gecko-Farm unterstützen. Dort geben sie etwas zurück. Sie vermitteln das Handwerk weiter, das sie gelernt haben.
«Es war uns wichtig, dass wir das Programm nachhaltig aufbauen, nicht schnell.»
Wovon profitieren die Absolventen am meisten?
SC: Das Programm steht auf drei Säulen. Erstens das Handwerk. Zweitens das Netzwerk. Drittens die persönliche Herausforderung. In diesen 20 Wochen starten sie mehrmals einen neuen Job, müssen neue Namen lernen, neue Anforderungen meistern.
Wie hat Sie die Coronakrise getroffen?
SC: Wir mussten alle Programmteilnehmenden nach Hause holen.
Sie waren über die ganze Welt verstreut?
SC: Genau. Wir haben alle zurückgeholt. Wir unterstützten sie und organisierten, dass sie wieder arbeiten konnten, damit keiner in ein finanzielles Loch fällt. Unterdessen haben zwei das Programm wieder gestartet. Mit den wöchentlich ändernden
Reisebestimmungen ist aber klar, dass sie sehr flexibel sein müssen.
Und wie traf es Ihren Betrieb selbst?
AC: Wir hatten 2,5 Monate komplett geschlossen.
SC: Es war schlimm und schwierig. Aber wir hatten den vollen Support unserer Mitarbeitenden. Alle stimmten der Kurzarbeit zu. Und als wir wieder eröffnet haben, gab es keine Diskussion über das Hygienekonzept oder darüber, ob wir Masken anziehen. Das war sehr cool. Alle waren sich einig, dass wir jetzt Gas geben müssen. Alle haben eine mega Energie mitgebracht.
Wie starteten Sie selbst Ihre Karriere? Profitierten Sie auch von Stages?
AC: Ich habe meine Lehre in Laax in einer gutbürgerlichen Küche absolviert. Dann ging ich für ein Jahr nach Vancouver. Mein Homestay-Vater war ehemaliger Koch. Wie ein Mentor hat er mir einiges gezeigt. Er hat organisiert, dass ich in ein zwei Restaurants in Vancouver hineinschauen konnte. Das war je ein Tag. Das hat mir die Augen geöffnet.
Und heute nehmen Sie Ihre Gäste mit auf eine Sinnreise.
AC: Unsere Gäste sollen spüren, dass viel Arbeit und Leidenschaft dahinter steckt. Sie sollen in eine Atmosphäre eintauchen, die rundum glücklich macht. Dazu gehört ein Topessen, ein Topservice, die Architektur … Wir bieten keine riesige Show. Es ist ein sehr subtiles Erlebnis von aufeinander abgestimmten Elementen. Wenn alles miteinander harmoniert, dann gehen unsere Gäste extrem zufrieden.
Wie geht es mit der Stiftung weiter?
AC: Aktuell können wir nur zehn Stipendiaten auf das Programm schicken. In Zukunft könnten es 100 werden – wenn wir genügend Geld sammeln. Vom Angebot müssen nicht nur Schweizer profitieren, und nicht nur Köchinnen und Köche. Es muss auch nicht die Highend-Gastronomie sein. Es geht um das Handwerk. Das gilt auch für den Service, für den Metzger …
SC: Und an einer Idee für ein Alumni arbeiten wir auch. So könnten die
Absolventen ihr Netzwerk weiterpflegen.
Erfahren Sie mehr über die Uccelin Fundaziun auf stiftungschweiz.ch