Ein Blick in der Coro­na­krise auf die Förder­stif­tun­gen mit dem Fokus Kultur

In den vergan­ge­nen Jahren hat sich der gemein­nüt­zige Sektor gewan­delt. Ohne Zusam­men­schlüsse von Stif­tun­gen in Verbän­den und in infor­mel­len Netz­wer­ken wären die schnel­len Hilfs­an­ge­bote ange­sichts der Coro­na­pan­de­mie für Stif­tun­gen und NPO in Form von Bera­tung und ausser­or­dent­li­chen Förder­mit­teln wohl kaum zustande gekom­men. Aber auch die neuen digi­ta­len Platt­for­men unter­schied­lichs­ter Träger­schaf­ten steu­ern zu effek­ti­vem Handeln bei. Die beiden Stif­tungs­ver­bände Swiss­Foun­da­ti­ons und proFonds künden auf ihren Websites Bera­tungs­an­ge­bote für ihre Mitglie­der an, das Center for Phil­an­thropy Studies (CEPS), vernetzt, bietet Hilfe und eine Über­sicht viel­fäl­ti­ger Initia­ti­ven an, die Schwei­zer Kultur­stif­tung Pro Helve­tia rich­tet online einen Info­point Covid-19 ein und StiftungSchweiz orga­ni­siert über Zoom ein praxis­na­hes Webi­nar, das der NPO-Szene aufzeigt, wie man Über­brü­ckungs­gel­der bean­tra­gen kann.

Das gab es so noch nie

Die gegen­wär­tige Pande­mie wird immer wieder und wohl leider zurecht – mit der Spani­schen Grippe von 1920 vergli­chen. Wir erle­ben somit ein säku­lar singu­lä­res Ereig­nis. Wenn wir diese hundert­jäh­rige Zeit­achse gedank­lich auf jene der Entwick­lung der Stif­tun­gen in der Schweiz proji­zie­ren, dann reali­siert man, dass es 1920 erst gut 160 klas­si­sche – d.h. fördernde, opera­tive, tragende gemein­nüt­zige – Stif­tun­gen gab, während es heute über 13’000 davon sind. Der Umkehr­schluss ist, nur ein mini­mal klei­ner Teil der heute exis­tie­ren­den Stif­tun­gen bestand schon zur Zeit der Spani­schen Grippe, um einen Beitrag zu einem gedach­ten kollek­ti­ven Erfah­rungs­schatz leis­ten zu können. Die Coro­na­pan­de­mie ist für alle Stif­tun­gen spek­ta­ku­lär neu. Sie stellt alle vor unge­ahnte Heraus­for­de­run­gen – jeden­falls jene Stif­tun­gen, die nicht einfach «den Laden herun­ter­las­sen», sondern eine ausge­prägte Dienst­leis­tungs­ori­en­tie­rung verfol­gen, weil sie ihr Mitge­stal­tungs­po­ten­zial erken­nen und nutzen wollen.

Die gegen­wär­tige Arbeit ist bei einer service­ori­en­tier­ten Förder­stif­tung sehr anspruchs­voll – sowohl auf der Einnah­men­seite, bei der Refi­nan­zie­rung, wie auf der Ausga­ben­seite, bei der Förde­rung. Mit dem Fokus Kultur betrach­ten wir die aktu­elle Heraus­for­de­rung. Es stel­len sich gleich­zei­tig beid­sei­tig viele zentrale Fragen. 

Fragen auf der Ausgabenseite

Die meis­ten Stif­tun­gen agie­ren beim Fördern über­wie­gend projekt­ori­en­tiert. In der Pande­mie ist aber sehr schnell der indi­vi­du­elle finan­zi­elle Grund­be­darf der Kultur­schaf­fen­den in den Vorder­grund getre­ten. Wie kann da der Schwenk von der Projekt­för­de­rung zur Einzel­per­so­nen­un­ter­stüt­zung gelin­gen? Rasch kommt auch die Gewis­sens­frage auf: Welches Projekt oder welche Struk­tur soll in solchen Notzei­ten über­haupt weiter­ge­för­dert werden? Soll für die Kultur gelten, was gegen­wär­tig in der Ökono­mie disku­tiert wird: Kann wie die Wirt­schaft auch die Kultur flexi­bel und krea­tiv genug sein für die Zeit nach der Krise, wenn die Welt eine neue sein wird?

Wenn die Stif­tun­gen diesen Wandel ziel­füh­rend beglei­ten möch­ten, müssen sie den Austausch mit den ande­ren, vor allem mit den staat­li­chen Akteu­ren suchen und eine kluge Koope­ra­tion einge­hen. Vertre­te­rin­nen und Vertre­ter der Kultur­schaf­fen­den sowie der Veran­stal­tungs­bran­che haben sich schon am 12. März zu einer Anhö­rung mit dem Bundes­amt für Kultur und der Pro Helve­tia getrof­fen. Gemein­sam konn­ten sie errei­chen, dass der Bundes­rat eine «erste Tran­che» von 280 Millio­nen Fran­ken. für die nächs­ten zwei Monate als Über­brü­ckungs­hilfe beschloss. Das ist ein statt­li­cher Betrag, der sogar den gesam­ten jähr­li­chen Förder­um­fang aller gemein­nüt­zi­gen Schwei­zer Stif­tun­gen (ca. 200 Millio­nen Fran­ken) um 40 Prozent übertrifft.

Vermut­lich werden nicht alle Struk­tu­ren (Insti­tu­tio­nen, Orga­ni­sa­tio­nen etc.) die Krise über­le­ben, trotz der mannig­fal­ti­gen Unter­stüt­zungs­be­stre­bun­gen, bspw. auch jene der Kantone. Die bange Frage ist, ob es den Kultur­anbie­tern in den Performing Arts gelin­gen wird, das Publi­kum, das gegen­wär­tig in unent­gelt­li­che digi­tale Räume abwan­dert, später von Neuem für das Charisma des kollek­ti­ven Live­er­leb­nis­ses zurück­zu­ge­win­nen, dann wieder entgeltlich.

Wie wich­tig Kultur­er­leb­nisse für uns alle sind, erle­ben wir aktu­ell beson­ders inten­siv. Denn unsere gebuch­ten Konzert­ti­ckets verfal­len eins nach dem ande­ren und eine Ausstel­lung nach der ande­ren, die wir uns für einen Besuch vorge­merkt hatten, wird abge­bla­sen oder ins Irgend­wann verscho­ben. Umso dank­ba­rer sind wir den vielen Kultur­schaf­fen­den und Kultur­in­sti­tu­tio­nen, die ihre Krea­ti­vi­tät nicht erlah­men lassen und uns auch in dieser schwie­ri­gen Peri­ode auf digi­ta­lem Weg viele Kultur­er­leb­nisse ermöglichen.

Fragen auf der Einnahmenseite

Ein Stif­tungs­rat, der sich vor dem Hinter­grund der Coro­na­krise mit der Auffor­de­rung nach rascher Erhö­hung seiner Ausschüt­tun­gen konfron­tiert sieht, wird auf der ande­ren Seite beim Studium des Quar­tals­aus­zugs des Anlage-Port­fo­lios seiner Stif­tung ins Grübeln kommen – und bei der Prüfung der Optio­nen beim Anle­gen sich im Dilemma sehen.

Die Aktien haben mindes­tens 10 Prozent bis 20 Prozent korri­giert, sogar die Immo­bi­li­en­ti­tel haben verlo­ren, und die Fest­ver­zins­li­chen im Depot rentie­ren noch immer nicht. Mancher­orts droht eine Kürzung oder gar ein Ausfall bei den Divi­den­den­zah­lun­gen. Wegen des kürz­lich noch­mals herab­ge­setz­ten Refe­renz­zins­sat­zes brin­gen auch die physisch gehal­te­nen Immo­bi­lien immer weni­ger Cash. Ihre Rendi­ten sind auch wegen ande­rer Ursa­chen gefähr­det: Krisen­be­dingte Zahlungs­aus­fälle bei den Mietern von Wohn- und Geschäfts­lie­gen­schaf­ten, aber auch poten­zi­elle Leer­stände wegen konjunk­tur­be­dingt abneh­men­der Migra­tion sind die Hinter­gründe. Der Blick auf das Risiko einer mittel­fris­ti­gen Hyper­in­fla­tion ist auch kein veri­ta­bler Trost.

Ange­sichts des Grund­sat­zes «Eine Stif­tung währet ewig­lich», der bei den hiesi­gen Förder­stif­tun­gen breit veran­kert ist – manch­mal statu­ta­risch vorge­schrie­ben, oftmals ohne Not verin­ner­licht – ist anti­zy­kli­sches Handeln, also die Ausschüt­tun­gen hoch­fah­ren, gegen­wär­tig selten: Zu gross ist die Furcht vor einer «Implo­sion» des Stif­tungs­ka­pi­tals infolge under­per­for­mance bei gleich­zei­ti­gem outspen­ding. Vor diesem Hinter­grund öffnen jetzt, da der Bedarf an Förder­mit­teln beson­ders gross ist, wohl nur wenige Stif­tun­gen die Hähne ihrer Förder­töpfe. Es braucht ja für gewisse Stif­tungs­räte bereits Nerven­stärke, ihre für die laufende Förder­pe­ri­ode beschlos­sene Mittel­quote wegen der schwie­ri­gen Situa­tion in den Finanz­märk­ten resp. in der Welt­wirt­schaft nicht zu kürzen. Nicht jede Stif­tung ist von ihrer Finanz­si­tua­tion her risikofähig; und nicht jeder Stif­tungs­rat ist von seiner Psycho­lo­gie her risikobereit.

So gese­hen finde ich es sehr bemer­kens­wert, dass verein­zelte Förder­stif­tun­gen ihr Förder­vo­lu­men trotz der geschil­der­ten Umstände gegen­wär­tig erhö­hen. In Basel sind mir dies­be­züg­lich die Fonda­tion Botnar und die Chris­toph Merian Stif­tung aufgefallen.

Meine Erwä­gun­gen

Ich vermute, dass bei der Erfül­lung der akuten Förder­be­dürf­nisse die Stif­tun­gen alles in allem nur einen limi­tier­ten Anteil haben werden. Die Stif­tun­gen sind über­wie­gend von den Finanz­märk­ten abhän­gig und können einen Markt­zy­klus nicht einfach mit Steu­er­erhö­hun­gen oder mit Geld­dru­cken «aushe­beln». Und Verschul­dungs­me­cha­ni­ken, die bei der Öffent­li­chen Hand gang und gäbe sind, entspre­chen nicht dem Verständ­nis des Instru­ments der Förderstiftung.

Viele Förder­stif­tun­gen sind in ihrer Entschei­dungs­fin­dung auch nicht beson­ders schnell getak­tet. Manche Stif­tung mag sich deshalb arbeits­lo­gis­tisch und kapa­zi­täts­mäs­sig oder finan­zi­ell momen­tan gar nicht in der Lage sehen, einen wesent­li­chen Beitrag an die Bewäl­ti­gung der aktu­el­len Förder­krise zu leis­ten. Umso wich­ti­ger scheint mir, dass die Förder­stif­tun­gen sich bereits jetzt ihre Über­le­gun­gen machen, auf welche Weise sie nach der Über­win­dung der aktu­el­len Verwer­fun­gen beim Fördern beson­ders gut helfen können. Dazu braucht es die Inputs und das Moni­to­ring der Stif­tungs­ver­bände und ähnli­cher Netz­werke. Mit einer online «Sprech­stunde Kultur­för­de­rung in Krisen­zei­ten» für seine Mitglie­der am 27. April geht Swiss­Foun­da­ti­ons wieder einmal voran. Und sie wird in diesem Webi­nar kluger­weise dann auch ein Fens­ter in die Zukunft aufstos­sen: «Die Zeit danach – Wie berei­ten sich Stif­tun­gen auf die Zeit nach der Krise vor.»

Finden Sie mehr zu viel­fäl­ti­gen Kultur-Projek­ten auf der Stif­tungs­Schweiz-Platt­form

Pro Helve­tia sucht Projekte, die unter den aktu­el­len Bedin­gun­gen der einge­schränk­ten Mobi­li­tät neue Formate initi­ie­ren oder inten­si­vie­ren.

Illus­tra­tion: Peter Tilles­sen

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