Laetitia Gill, Co-Autorin der Studie «Diversité dans la gouvernance du secteur non-profit»

Diver­si­tät ist ein Vorteil

Die Diversität in Stiftungsräten in der Schweiz hat Laetitia Gill, zusammen mit Aline Kratz-Ulmer, im Rahmen der Aktivitäten des Centre en Philanthropie der Universität Genf untersucht. Es ist die erste Forschungsarbeit auf diesem Gebiet. Das Ergebnis zeigt: Diversität wird mehrheitlich positiv angesehen. Aber es gibt noch Potenzial.

Sie sind Co-Autorin einer Studie zur Diver­si­tät in Stif­tungs­rä­ten. Wo steht die Forschung heute?

Alle spre­chen über Diver­si­tät, aber es gibt nur wenige Daten. Deswe­gen ist es wich­tig, diese zu sammeln und zu erfor­schen. Es gab bisher noch keine Studie über die Situa­tion in der Schweiz. 

Wie waren die Reak­tio­nen auf Ihre Anfragen?

Wir haben nur die Anga­ben von Stif­tun­gen berück­sich­tigt, die unse­ren Frage­ka­ta­log voll­stän­dig ausge­füllt haben. So hatten wir die Daten von 107 Stif­tun­gen, die 720 Mitglie­der von Stif­tungs­rä­ten reprä­sen­tie­ren. Die Umfrage war in Deutsch und Fran­zö­sisch und wir hatten etwa ebenso viele Antwor­ten aus der Deutsch­schweiz wie aus der Romandie.

Alle sind sich einig, dass Diver­si­tät ein Vorteil ist.

Laeti­tia Gill

Gab es auch Rück­mel­dun­gen auf die publi­zier­ten Resultate?

Viele haben uns ermu­tigt, weiter­zu­ma­chen. Sowohl von den Befrag­ten als auch von der Zivil­ge­sell­schaft wird erwar­tet, dass das Thema weiter vertieft wird. Aline Kratz-Ulmer und ich waren von der Antwort­quote und der Reso­nanz auf die Umfrage posi­tiv überrascht. 

Wie ist die Situa­tion in den Stif­tungs­rä­ten heute?

65 Prozent der Befrag­ten halten ihr Gremium für divers. Aller­dings zeigen sich Unter­schiede. So halten die Frauen ihre Stif­tungs­räte weni­ger divers als Männer. Unter­schiede betref­fen auch das Alter. Je älter eine Person ist, umso diver­ser schätzt sie das Gremium ein. Was aller­dings durch alle Alters­ka­te­go­rien gleich ist: Alle sind sich einig, dass Diver­si­tät ein Vorteil ist. Auch wünschen sich übri­gens 73 Prozent, dass das Thema mehr Gewicht erhält.

Was verhin­dert, dass die Gremien diver­ser sind?

Oft gesche­hen Rekru­tie­run­gen durch das eigene Netz­werk der Perso­nen, die bereits vertre­ten sind. Gezielt nach ande­ren Lebens­läu­fen zu suchen, benö­tigt Ressour­cen. Eine Sensi­bi­li­sie­rung für unsere unbe­wuss­ten Vorein­ge­nom­men­hei­ten und Vorur­teile würde zu mehr Viel­falt beitra­gen; ein Thema, das übri­gens im Modul «Leader­ship and Diver­sity» der Weiter­bil­dung in Phil­an­thro­pie an der Univer­si­tät Genf (DAS in Phil­an­thropy) behan­delt wird.

Auch bezüg­lich Ausbil­dung sind die Stif­tungs­räte wenig divers.

Die grosse Mehr­heit hat einen univer­si­tä­ren oder Hochschulabschluss.

Sehen Sie darin ein Problem?

Das hängt vom Tätig­keits­ge­biet der Stif­tung ab. Die Frage ist, ob die Zusam­men­set­zung adäquat ist in Rela­tion zur Tätig­keit der Stif­tung und den Heraus­for­de­run­gen, denen sie sich stel­len muss.

Junge Menschen müssen einbe­zo­gen und auch ermu­tigt werden, ihre Vision von Phil­an­thro­pie zu äußern. 

Laeti­tia Gill

Spielt auch die fehlende Entlöh­nung eine Rolle?

Das ist in der Tat manch­mal ein Hinder­nis. Gerade junge Menschen, die sich in einer Phase befin­den, in der sie ihr Berufs- und Privat­le­ben aufbauen, und die in eini­gen Stif­tungs­rä­ten wert­voll wären, können es sich nicht immer leis­ten, unbe­zahlt zu arbei­ten. Die fehlende Vergü­tung ist jedoch nur eine Komponente.

Eine Mehr­heit der Stif­tungs­rats­mit­glie­der ist älter als 50 Jahre. Gleich­zei­tig ist es oft nicht einfach, eine Nach­folge zu regeln. Hängen diese beiden Themen zusammen?

Junge Menschen sind bereit, sich zu enga­gie­ren, was wir im Bereich des Klima­wan­dels deut­lich sehen. Es bedarf jedoch einer inte­gra­ti­ven Führung, die es jedem Mitglied ermög­licht, seine Meinung frei zu äußern und unter­schied­li­che Ansich­ten zu berück­sich­ti­gen. Junge Menschen müssen einbe­zo­gen und auch ermu­tigt werden, ihre Vision von Phil­an­thro­pie zu äußern. Diese gene­ra­ti­ons­über­grei­fende Viel­falt und der Dialog werden eine Stärke für den Sektor sein.

Kann die Grösse des Stif­tungs­ra­tes einen Beitrag zur Diver­si­tät leis­ten? Gibt es eine ideale Grösse?

Obwohl es von der Größe der Stif­tung abhängt, wären fünf bis sieben Mitglie­der ideal, zwei bis drei schei­nen etwas wenig zu sein. Die Arbeit im Stif­tungs­rat ist eine Grup­pen­ar­beit. Es ist ziem­lich wahr­schein­lich, dass Kompe­ten­zen fehlen werden, wenn der Rat nur zwei Mitglie­der hat. Die Grup­pen­dy­na­mik und die Komple­men­ta­ri­tät der Profile und der Sensi­bi­li­tä­ten fördern die kollek­tive Intel­li­genz und damit die Quali­tät der Gover­nance. Auch die Erneue­rung von Manda­ten ist entschei­dend. Derzeit kennt kaum eine Stif­tung eine Amts­zeit­be­schrän­kung. Auch dies würde zu einer posi­ti­ven Dyna­mik beitragen.


Zur Studie: Diver­sité dans la gouver­nance du secteur non-profit


Diver­si­tät hat viele Gesichter

Wie divers, wie inklu­siv sind Stif­tungs­räte zusam­men­ge­setzt? Wie ist die Eigen­wahr­neh­mung hinsicht­lich Diver­si­tät? Welches sind die bestim­men­den Fakto­ren? Wir haben uns auf die Spuren­su­che gemacht. 

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