Sie sind Co-Autorin einer Studie zur Diversität in Stiftungsräten. Wo steht die Forschung heute?
Alle sprechen über Diversität, aber es gibt nur wenige Daten. Deswegen ist es wichtig, diese zu sammeln und zu erforschen. Es gab bisher noch keine Studie über die Situation in der Schweiz.
Wie waren die Reaktionen auf Ihre Anfragen?
Wir haben nur die Angaben von Stiftungen berücksichtigt, die unseren Fragekatalog vollständig ausgefüllt haben. So hatten wir die Daten von 107 Stiftungen, die 720 Mitglieder von Stiftungsräten repräsentieren. Die Umfrage war in Deutsch und Französisch und wir hatten etwa ebenso viele Antworten aus der Deutschschweiz wie aus der Romandie.
Alle sind sich einig, dass Diversität ein Vorteil ist.
Laetitia Gill
Gab es auch Rückmeldungen auf die publizierten Resultate?
Viele haben uns ermutigt, weiterzumachen. Sowohl von den Befragten als auch von der Zivilgesellschaft wird erwartet, dass das Thema weiter vertieft wird. Aline Kratz-Ulmer und ich waren von der Antwortquote und der Resonanz auf die Umfrage positiv überrascht.
Wie ist die Situation in den Stiftungsräten heute?
65 Prozent der Befragten halten ihr Gremium für divers. Allerdings zeigen sich Unterschiede. So halten die Frauen ihre Stiftungsräte weniger divers als Männer. Unterschiede betreffen auch das Alter. Je älter eine Person ist, umso diverser schätzt sie das Gremium ein. Was allerdings durch alle Alterskategorien gleich ist: Alle sind sich einig, dass Diversität ein Vorteil ist. Auch wünschen sich übrigens 73 Prozent, dass das Thema mehr Gewicht erhält.
Was verhindert, dass die Gremien diverser sind?
Oft geschehen Rekrutierungen durch das eigene Netzwerk der Personen, die bereits vertreten sind. Gezielt nach anderen Lebensläufen zu suchen, benötigt Ressourcen. Eine Sensibilisierung für unsere unbewussten Voreingenommenheiten und Vorurteile würde zu mehr Vielfalt beitragen; ein Thema, das übrigens im Modul «Leadership and Diversity» der Weiterbildung in Philanthropie an der Universität Genf (DAS in Philanthropy) behandelt wird.
Auch bezüglich Ausbildung sind die Stiftungsräte wenig divers.
Die grosse Mehrheit hat einen universitären oder Hochschulabschluss.
Sehen Sie darin ein Problem?
Das hängt vom Tätigkeitsgebiet der Stiftung ab. Die Frage ist, ob die Zusammensetzung adäquat ist in Relation zur Tätigkeit der Stiftung und den Herausforderungen, denen sie sich stellen muss.
Junge Menschen müssen einbezogen und auch ermutigt werden, ihre Vision von Philanthropie zu äußern.
Laetitia Gill
Spielt auch die fehlende Entlöhnung eine Rolle?
Das ist in der Tat manchmal ein Hindernis. Gerade junge Menschen, die sich in einer Phase befinden, in der sie ihr Berufs- und Privatleben aufbauen, und die in einigen Stiftungsräten wertvoll wären, können es sich nicht immer leisten, unbezahlt zu arbeiten. Die fehlende Vergütung ist jedoch nur eine Komponente.
Eine Mehrheit der Stiftungsratsmitglieder ist älter als 50 Jahre. Gleichzeitig ist es oft nicht einfach, eine Nachfolge zu regeln. Hängen diese beiden Themen zusammen?
Junge Menschen sind bereit, sich zu engagieren, was wir im Bereich des Klimawandels deutlich sehen. Es bedarf jedoch einer integrativen Führung, die es jedem Mitglied ermöglicht, seine Meinung frei zu äußern und unterschiedliche Ansichten zu berücksichtigen. Junge Menschen müssen einbezogen und auch ermutigt werden, ihre Vision von Philanthropie zu äußern. Diese generationsübergreifende Vielfalt und der Dialog werden eine Stärke für den Sektor sein.
Kann die Grösse des Stiftungsrates einen Beitrag zur Diversität leisten? Gibt es eine ideale Grösse?
Obwohl es von der Größe der Stiftung abhängt, wären fünf bis sieben Mitglieder ideal, zwei bis drei scheinen etwas wenig zu sein. Die Arbeit im Stiftungsrat ist eine Gruppenarbeit. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Kompetenzen fehlen werden, wenn der Rat nur zwei Mitglieder hat. Die Gruppendynamik und die Komplementarität der Profile und der Sensibilitäten fördern die kollektive Intelligenz und damit die Qualität der Governance. Auch die Erneuerung von Mandaten ist entscheidend. Derzeit kennt kaum eine Stiftung eine Amtszeitbeschränkung. Auch dies würde zu einer positiven Dynamik beitragen.
Zur Studie: Diversité dans la gouvernance du secteur non-profit