Der KlimaÂwanÂdel ist nur ein Symptom einer WirtÂschaftsÂform, die von ihrer StrukÂtur her extrakÂtiv und auf die AusbeuÂtung von Mensch und Natur ausgeÂrichÂtet ist. InzwiÂschen fördert eine Reihe von StifÂtunÂgen ein wachÂsenÂdes NetzÂwerk aus Forscher:innen, Innovator:innen und Aktivist:innen, die diese WirtÂschaftsÂordÂnung in Frage stelÂlen, welche die HauptÂurÂsaÂche für UmweltÂzerÂstöÂrung und eine nicht zu rechtÂferÂtiÂgende soziale UngleichÂheit ist.
Um KlimaÂneuÂtraÂliÂtät zu erreiÂchen, müssen wir drinÂgend MaßnahÂmen ergreiÂfen. Das ist keine Frage. Wenn wir dies jedoch nur im Rahmen eines «BusiÂness as usual» tun, das mit Blick auf die DekarÂboÂniÂsieÂrung ledigÂlich geringÂfüÂgig angeÂpasst wurde, dann werden wir künfÂtige GeneÂraÂtioÂnen auch weiterÂhin im Stich lassen.
Die GrenÂzen des Planeten
ProfesÂsor Johan RockÂström veröfÂfentÂlichte 2009 seine bahnÂbreÂchende Arbeit über die GrenÂzen des PlaneÂten. Darin legt er neun ökoloÂgiÂsche BelasÂtungsÂgrenÂzen fest, denen unsere Welt standÂhalÂten kann, ohne dass es zu gefährÂliÂchen, exisÂtenÂziÂelÂlen Krisen kommt.
MögliÂcherÂweise wird es Sie überÂraÂschen, dass der KlimaÂwanÂdel auf diesem planeÂtaÂriÂschen Index nicht einmal zu den drei wichÂtigsÂten BereiÂchen gehört, in denen sichere GrenzÂwerte überÂschritÂten wurden: Dies sind die EntwalÂdung, die StickÂstoff- und PhosÂphorÂströme sowie das schnellste ArtenÂsterÂbens in der Geschichte der MenschÂheit. Die WarnÂsiÂgnale leuchÂten zwar, aber allzu häufig tun sie es geräuschÂlos und ohne jede Berichterstattung.
Einer der Gründe dafür, warum es so schwer ist, mehr AufmerkÂsamÂkeit für die sich abzeichÂnende UmweltÂkaÂtaÂstroÂphe zu bekomÂmen, ist die aktuÂelle Häufung von Katastrophen.
Einer der Gründe dafür, warum es so schwer ist, mehr AufmerkÂsamÂkeit für die sich abzeichÂnende UmweltÂkaÂtaÂstroÂphe zu bekomÂmen, ist die aktuÂelle Häufung von KataÂstroÂphen. Der ÜberÂfall einer AtomÂmacht auf einen NachÂbarÂstaat stellt eine BedroÂhung für die globale SicherÂheit dar, wie es sie seit Ende des Kalten KrieÂges nicht mehr gegeÂben hat. WeltÂweit gibt es derzeit 100 MillioÂnen VertrieÂbene, ein trauÂriÂger RekordÂwert. RussÂlands Krieg in der Ukraine hat auch den Anstieg der EnerÂgieÂpreise verschärft und zu massiÂven BeeinÂträchÂtiÂgunÂgen in der NahrungsÂmitÂtelÂverÂsorÂgung geführt. Die UNO hat vor der Gefahr gewarnt, dass zig MillioÂnen Menschen in eine unsiÂchere ErnähÂrungsÂlage geraÂten könnÂten, die mögliÂcherÂweise jahreÂlang andauÂern und zu HungersÂnöÂten führen könnte. Zwei Jahre nach Ausbruch der Covid-PandeÂmie haben in einkomÂmensÂschwaÂchen Ländern ledigÂlich 16 Prozent der BevölÂkeÂrung auch nur eine einzige ImpfÂstoffÂdoÂsis erhalÂten. Die kaltÂblüÂtige ErmorÂdung von zehn PersoÂnen durch einen weißen RassisÂten in Buffalo , der es auf Schwarze abgeÂseÂhen hatte, ist das jüngste trauÂrige MahnÂmal für die anhalÂtenÂden und schwerÂwieÂgenÂden rassisÂtiÂschen UngeÂrechÂtigÂkeiÂten, denen Schwarze, indiÂgene und farbige Menschen ausgeÂsetzt sind. Der Oberste GerichtsÂhof der USA droht, die FrauÂenÂrechte auf den Stand der 1960er Jahre zurückÂzuÂstuÂfen. Die PandeÂmie hat die bestehenÂden UngleichÂheiÂten in Bezug auf Geschlecht, Rasse und EinkomÂmen vertieft. Die Macht liegt in den Händen WeniÂger. Und wer am wenigsÂten hat, leidet am meisten.
Krisen sind verbunden
Diese Krisen sind miteinÂanÂder verbunÂden und stehen nicht für sich allein – manche spreÂchen deshalb von einer «globaÂlen MultiÂkrise». Das grundÂleÂgende Problem ist eine WirtÂschaft, die auf falschen VorausÂsetÂzunÂgen beruht: dass das BIP-WachsÂtum für sich genomÂmen gleichÂbeÂdeuÂtend mit Erfolg sei, dass die Märkte alle unsere Probleme lösen könnÂten und dass wir getrennt von der natürÂliÂchen Umwelt und ihren GrenÂzen exisÂtieÂren könnÂten. Dieses Konzept von WirtÂschaft verlangt, dass es bis in alle Zukunft von Allem und Jedem immer mehr und auf immer schnelÂleÂrer Weise geben muss.
Dabei ist vielen unter uns klar, dass unser System nicht funkÂtioÂnieÂren kann: Wenn wir nämlich einmal darüber nachÂdenÂken, wie viele RessourÂcen vonnöÂten sind, um auch nur einen Becher zu produÂzieÂren, der 20 MinuÂten lang Kaffee enthalÂten wird; oder wie viel BilligÂmode gekauft, getraÂgen und innerÂhalb eines Jahres wieder entsorgt wird. Wenn wir uns die grauÂenÂvolle WirkÂlichÂkeit der «moderÂnen» MassenÂtierÂhalÂtung vor Augen führen, für die wertÂvolle Wälder abgeÂholzt werden, um Soja anzuÂbauen, mit dem Kühe gemäsÂtet werden, die selbst niemals das TagesÂlicht sehen und zu TausenÂden in riesiÂgen StälÂlen zusamÂmenÂgeÂpfercht sind. Wenn wir an das Leben all der Menschen denken, die in den FinanzÂdiÂstrikÂten unseÂrer Städte glitÂzernde BüroÂgeÂbäude putzen, die mehrere Jobs haben und darum kämpÂfen, irgendÂwie über die Runden zu kommen. Wenn wir an all die Kinder denken, die sich auf MüllÂberÂgen mit dem AussorÂtieÂren von RecyÂclingÂmaÂteÂriaÂlien abplaÂgen, statt in der Schule zu lernen. Wenn wir sehen, dass WissenÂschaftÂler in WindesÂeile ImpfÂstoffe gegen Covid entwiÂckelÂten, dass es uns jedoch nicht gelang, sie den gefährÂdetsÂten Menschen in andeÂren Ländern bereitzustellen.
Es gibt aber auch gute NachÂrichÂten: Zum Glück ist es nicht so, dass die FunkÂtiÂonsÂweise unseÂrer WirtÂschaft durch irgendÂein eherÂnes physiÂkaÂliÂsches Gesetz deterÂmiÂniert wäre. Sie ist von Menschen gestalÂtet und kann folgÂlich von Menschen veränÂdert werden. Neben dem in zurückÂlieÂgenÂden JahrÂzehnÂten vorherrÂschenÂden neoklasÂsiÂschen DenkÂanÂsatz, gibt es eine reiche und vielÂfälÂtige TradiÂtion wirtÂschaftÂliÂcher DenkÂrichÂtunÂgen mit unterÂschiedÂliÂchen GrundÂanÂnahÂmen und AnalyÂsen: die KompleÂxiÂtätsÂökoÂnoÂmie, WohlÂfahrtsÂökoÂnoÂmie, ökoloÂgiÂsche ÖkonoÂmie, femiÂnisÂtiÂsche ÖkonoÂmie, VerhalÂtensÂökoÂnoÂmie sowie eine Anzahl weiteÂrer Ansätze.
Konkrete VeränÂdeÂrunÂgen
PartÂners for a New Economy (P4NE) wurde 2015 von vier StifÂtunÂgen (Oak, MAVA, Marisla und KR FounÂdaÂtiÂons) gegrünÂdet. Die Laudes- und die Ford-StifÂtung kamen 2020 hinzu, das Omidyar Network 2022. Die ZusamÂmenÂarÂbeit wird von der Swiss PhilÂanÂthropy FounÂdaÂtion orgaÂniÂsiert. Wir finanÂzieÂren die Ideen, die Menschen und die nötiÂgen RessourÂcen, um alterÂnaÂtive WirtÂschaftsÂperÂspekÂtiÂven in konkrete VeränÂdeÂrunÂgen umzuÂsetÂzen, die verhinÂdern, dass wir KippÂpunkte für den KlimaÂwanÂdel erreiÂchen und die ZerstöÂrung unseÂrer Heimat einleiÂten. StattÂdesÂsen sind wir bemüht, eine regeÂneÂraÂtive WirtÂschaft zu schafÂfen, die Mensch und Natur gleiÂcherÂmaÂßen förderÂlich ist. Wenn wir für eine neue WirtÂschaftsÂform eine breite Basis gewinÂnen wollen, müssen wir gewährÂleiÂten, dass der ÜberÂgang den LebensÂstanÂdard der Menschen erhöht.
Was bedeuÂtet dies konkret? Lassen Sie mich von ein paar BegeÂbenÂheiÂten berichten.
Seit 2016 finanÂziert P4NE OrgaÂniÂsaÂtioÂnen, die sich dafür einsetÂzen, dass NachÂhalÂtigÂkeit auf die PrioÂriÂtäÂtenÂliste der ZentralÂbanÂken gesetzt wird. Die SchweiÂzer DenkÂschmiede CounÂcil on EconoÂmic PoliÂcies (CEP), Prof. Mariana MazzuÂcaÂtos InstiÂtute for InnoÂvaÂtion and Public Purpose (IIPP) sowie die New EconoÂmics FounÂdaÂtion (NEF) betäÂtigÂten sich in den BereiÂchen Forschung und MeinungsÂbilÂdung, wobei PosiÂtive Money die ÖffentÂlichÂkeitsÂarÂbeit überÂnahm. In diesem Bereich wurden gewalÂtige FortÂschritte erzielt – es wurde ein Club grüner NotenÂbanÂkiers (NGFS) gegrünÂdet, dem inzwiÂschen mehr als 100 Länder angeÂhöÂren, die sich einen WettÂlauf um die SpitÂzenÂplätze liefern. Die Bank of England hat ihr Mandat dahinÂgeÂhend aktuaÂliÂsiert, dass sie den ÜberÂgang zur KlimaÂneuÂtraÂliÂtät unterÂstützt. Auch die geldÂpoÂliÂtiÂsche StraÂteÂgie der EuroÂpäiÂschen ZentralÂbank enthält jetzt einen AktiÂonsÂplan, der den KlimaÂwanÂdel berücksichtigt.
Wollen wir ein neues wirtÂschaftÂliÂches ParaÂdigma schafÂfen, so müssen wir auch die an unseÂren UniverÂsiÂtäÂten gelehrÂten wirtÂschaftÂliÂchen Dogmen hinterfragen.
Nach der FinanzÂkrise stellte die engliÂsche KöniÂgin bei einem Besuch an der London School of EconoÂmics die berühmte Frage, warum niemand die Krise hatte kommen sehen. WomögÂlich haben sich alle, die schon einmal in einer AnfänÂger-VorleÂsung zum Thema WirtÂschaft saßen, gefragt, welchen Bezug dieses Fach eigentÂlich zur realen Welt hat und welche AntworÂten es auf die großen Fragen unseÂrer Zeit – vom KlimaÂwanÂdel bis zur LebensÂhalÂtungsÂkosÂtenÂkrise – bietet. Wollen wir ein neues wirtÂschaftÂliÂches ParaÂdigma schafÂfen, so müssen wir auch die an unseÂren UniverÂsiÂtäÂten gelehrÂten wirtÂschaftÂliÂchen Dogmen hinterÂfraÂgen. Unter der Leitung von Hewlett haben sich einige StifÂtunÂgen zusamÂmenÂgeÂschlosÂsen, um neue akadeÂmiÂsche Zentren zu finanÂzieÂren. Andere, darunÂter P4NE, finanÂzieÂren RethinÂking EconoÂmics und weitere NetzÂwerke aus StudieÂrenÂden, die sich dafür einsetÂzen, veralÂtete wirtÂschaftsÂwisÂsenÂschaftÂliÂche LehrÂpläne zu ändern – und um eine GeneÂraÂtion engaÂgierÂter junger FührungsÂkräfte mit breit gefäÂcherÂten wirtÂschaftÂliÂchen DenkÂanÂsätÂzen aufzuÂbauen, die den Wandel in RegieÂrunÂgen und UnterÂnehÂmen voranÂtreiÂben werden.
«Donut ÖkonoÂmie»
StelÂlen Sie sich einen Donut vor. Der innere Kreis ist die UnterÂgrenze miniÂmaÂler StanÂdards, die für ein menschenÂwürÂdiÂges Dasein erforÂderÂlich sind: GesundÂheit, Nahrung, Bildung, UnterÂkunft usw. Der äußere Ring steht für die ökoloÂgiÂsche BelasÂtungsÂgrenze, die durch neun GrenzÂwerte für den PlaneÂten dargeÂstellt wird. Das Ziel unseÂrer WirtÂschaft – so Kate Raworth in ihrem überÂaus erfolgÂreiÂchen Buch «Donut ÖkonoÂmie» – sollte darin bestehen, dass unsere wirtÂschaftÂliÂchen AktiÂviÂtäÂten innerÂhalb des Donut angeÂsieÂdelt sind, sodass die menschÂliÂchen BedürfÂnisse innerÂhalb der GrenÂzen unseÂres PlaneÂten erfüllt werden können. Raworths DoughÂnut EconoÂmics Action Lab setzt diese TheoÂrie in die Praxis um und arbeiÂtet dabei auf allen Ebenen: ausgeÂhend von NachÂbarÂschafÂten bis hin zu StädÂten und RegieÂrunÂgen rund um den Globus – darunÂter AmsterÂdam, BarceÂlona und Mexico Stadt.
Donut-PrinÂziÂpien sehen sich mittÂlerÂweile in der PoliÂtikÂgeÂstalÂtung der EU veranÂkert, wobei ein breiÂtes SpekÂtrum an IndiÂkaÂtoÂren berückÂsichÂtigt wird, die über das BIP hinausÂgeÂhen. Das ZOE InstiÂtut, ein deutÂscher Think & Do Tank, arbeiÂtet eng mit der EU-KommisÂsion zusamÂmen, veranÂstalÂtet co-kreaÂtive ArbeitsÂtrefÂfen für hochÂranÂgige poliÂtiÂsche EntscheiÂdungsÂträÂger und veröfÂfentÂlicht Vorschläge, wie sie die Vision der Donut-ÖkonoÂmie umsetÂzen können.
Die EntscheiÂdung zur GrünÂdung von PartÂners for a New Economy vor sieben Jahren war ein Schritt ins UngeÂwisse. Die ZielÂvorÂgabe ist auch überÂaus kühn: die UmgeÂstalÂtung unseÂres WirtÂschaftsÂsysÂtems dahinÂgeÂhend, dass die Belange von Mensch und Natur aufgeÂwerÂtet werden, damit sich alle LebensÂforÂmen entfalÂten können. Vor dem HinterÂgrund exisÂtenÂziÂelÂler BedroÂhunÂgen an mehreÂren FronÂten ist diese ZielÂvorÂgabe zugleich auch unerÂlässÂlich. Wenn die PhilÂanÂthroÂpie nicht das große Ganze in den Blick nimmt und neue wirtÂschaftÂliÂche DenkÂweiÂsen und PrakÂtiÂken fördert, wer dann?
Dieser Beitrag erschien zuerst im PhilÂanÂthropy Impact magazine.