Karolina Frischkopf, Direktorin HEKS, Foto: Remo Naegeli

Die Verant­wor­tung für das huma­ni­täre System welt­weit wahrnehmen

Die US-Regierung stellt die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID komplett um. Der abrupte Finanzierungsstopp wirkt sich unmittelbar auf dringend benötigte Hilfe für Menschen aus. Karolina Frischkopf, HEKS Direktorin, sagt, wie ihre Arbeit betroffen ist und wie sich die Entwicklungszusammenarbeit generell entwickelt.

Die US-Regie­rung stellt die US-Behörde für Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit USAID komplett um. Was bedeu­tet dies für die welt­weite Entwicklungshilfe?

Die neue US-Regie­rung bedroht mit gleich­zei­ti­ger Einstel­lung der Beiträge an zentrale UNO-Orga­ni­sa­tio­nen und dem abrup­ten Finan­zie­rungs­stopp bei USAID das globale huma­ni­täre System. Durch präsi­diale Durch­füh­rungs­ver­ord­nun­gen wurden die Auszah­lun­gen von Geldern für laufende Projekte in der Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit und huma­ni­tä­ren Hilfe der USA welt­weit gestoppt. Seit dem 7. Februar 2025, sind welt­weit eine Viel­zahl der von der Agen­tur USAID ange­stell­ten Mitar­bei­ten­den bis auf Weite­res von ihrer Arbeit frei­ge­stellt. Der abrupte Finan­zie­rungs­stopp des welt­weit gröss­ten huma­ni­tä­ren Geld­ge­bers hat fatale Auswir­kun­gen auf Millio­nen von Menschen in Krisen­ge­bie­ten, die drin­gend auf über­le­bens­wich­tige huma­ni­täre Hilfe ange­wie­sen sind.

Sind auch Projekte betrof­fen, an welchen Sie betei­ligt sind?

Auch 900’000 Menschen, die in HEKS-Projek­ten unter­stützt werden, sind direkt betrof­fen. HEKS imple­men­tiert USAID-finan­zierte Projekte in der Ukraine, in Äthio­pien und in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo. Dort leis­tete HEKS bis anhin huma­ni­täre Hilfe für Menschen in schwer zugäng­li­chen und abge­le­ge­nen Regio­nen sowie in äusserst prekä­ren Lebenssituationen.

Der abrupte Finan­zie­rungs­stopp des welt­weit gröss­ten huma­ni­tä­ren Geld­ge­bers hat fatale Auswir­kun­gen auf Millio­nen von Menschen in Krisen­ge­bie­ten, die drin­gend auf über­le­bens­wich­tige huma­ni­täre Hilfe ange­wie­sen sind.

Karo­lina Frisch­kopf, Direk­to­rin HEKS

Diese Projekte hängen direkt von der Finan­zie­rung durch USAID im Umfang von 7,5 Millio­nen Fran­ken für 2025 ab. Ange­sichts der aktu­el­len Situa­tion ist leider davon auszu­ge­hen, dass diese Mittel unwi­der­ruf­lich ausblei­ben. Daher sah sich HEKS gezwun­gen, die betrof­fe­nen Projekte bis auf weite­res  zu stop­pen und die drin­gend benö­tigte huma­ni­täre Unter­stüt­zung der betrof­fe­nen Gemein­schaf­ten einzu­stel­len. Zudem drohen bis zu 100 HEKS-Mitar­bei­tende vor Ort ihre Stelle zu verlieren. 

HEKS setzt sich mit seinen Mitar­bei­ten­den und Part­nern in den betrof­fe­nen Ländern mit aller Kraft dafür ein, die Risi­ken und Schä­den für die betrof­fe­nen Menschen möglichst zu mini­mie­ren. Gleich­zei­tig versu­chen wir, andere Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten zu finden, um wenigs­tens einen Teil der entstan­de­nen Lücken zu schlies­sen, so dass wir in den sehr abge­le­ge­nen und prekä­ren Regio­nen zumin­dest präsent und in limi­tier­tem Masse aktiv blei­ben zu können. Wir appel­lie­ren an die Schwei­zer Bevöl­ke­rung, uns in dieser schwie­ri­gen Zeit zu unter­stüt­zen, damit wir unsere Arbeit für die loka­len Gemein­schaf­ten weiter­füh­ren können. Zudem ist auch der Bundes­rat gefor­dert, die Verant­wor­tung der Schweiz für das huma­ni­täre System welt­weit wahr­zu­neh­men und sich mit Nach­druck dafür einzu­set­zen, dass Millio­nen betrof­fe­ner Menschen nicht im Stich gelas­sen werden. HEKS wird weiter­hin alles dafür tun, den betrof­fe­nen Menschen in ihrem Kampf für ein Leben in Würde zur Seite zu stehen. 

Wie zeigen sich die Auswir­kun­gen vor Ort?

Für die betrof­fe­nen Menschen in diesen Krisen­re­gio­nen sind die Folgen teil­weise drama­tisch. Millio­nen von Menschen, die drin­gend auf huma­ni­täre Hilfe wie Wasser, Nahrung und medi­zi­ni­sche Grund­ver­sor­gung ange­wie­sen sind, drohen diese über­le­bens­wich­tige Hilfe zu verlie­ren. Zahl­rei­che Programme müssen dras­tisch redu­ziert oder gänz­lich einge­stellt werden. Um nur ein Beispiel eines betrof­fe­nen HEKS-Projek­tes zu nennen: In der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo sollte  mit der Instand­stel­lung bzw. dem Bau einer Brücke eine bisher sehr schwer erreich­bare Region mit Hilfs­gü­tern versorgt werden. Diese Brücke kann – Stand heute – nicht fertig­ge­stellt werden, wodurch rund 40’000 notlei­dende Menschen von huma­ni­tä­rer Hilfe weiter­hin abge­schnit­ten bleiben.

Wie stark vernetzt ist die inter­na­tio­nale Entwicklungszusammenarbeit?

Die inter­na­tio­nale Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit würde ohne starke Netz­werke und Alli­an­zen gar nicht funk­tio­nie­ren. Gerade auch die UN-Orga­ni­sa­tio­nen spie­len in fragi­len Kontex­ten eine zentrale Rolle, welche die Arbeit der Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen fazi­li­tiert und koor­di­niert.  Auch HEKS und andere Schwei­zer Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen sind stark einge­bun­den in solche Netzwerke.

Wir appel­lie­ren an die Schwei­zer Bevöl­ke­rung, insbe­son­dere auch die Schwei­zer Philantrop:innen, uns in dieser schwie­ri­gen Zeit zu unterstützen.

Karo­lina Frischkopf

Können andere Orga­ni­sa­tio­nen die Lücke füllen?

Wir prüfen derzeit inten­siv, ob und wie wir aufgrund des Shut­downs von USAID ausblei­bende finan­zi­elle Mittel kompen­sie­ren können, etwa mit zusätz­li­chen Anstren­gun­gen im Fund­rai­sing oder mit der Suche nach ande­ren aktu­el­len oder neuen insti­tu­tio­nel­len Geld­ge­bern. HEKS hat finan­zi­elle Reser­ven, die jedoch zu einem substan­zi­el­len Teil zweck­ge­bun­den sind und deshalb nicht für andere Zwecke einge­setzt werden können. Wir appel­lie­ren an die Schwei­zer Bevöl­ke­rung, insbe­son­dere auch die Schwei­zer Philantrop:innen, uns in dieser schwie­ri­gen Zeit zu unter­stüt­zen. Zudem ist auch der Bundes­rat gefor­dert, die Verant­wor­tung der Schweiz für das huma­ni­täre System welt­weit wahr­zu­neh­men und Millio­nen betrof­fe­ner Menschen nicht im Stich zu lassen. HEKS wird weiter­hin alles dafür tun, die betrof­fe­nen Menschen in den sehr schwer zugäng­li­chen und abge­le­ge­nen Gebie­ten zur Seite zu stehen, gerade auch, weil es dort oft weder staat­li­che Behör­den noch andere Orga­ni­sa­tio­nen gibt, die über­neh­men könnten. 

Auch die Schweiz plant weni­ger für die Entwick­lungs­hilfe zu zahlen. Was bedeu­tet dies?

Noch nie gab es global so viele paral­lele Konflikte und Menschen auf der Flucht wie heute. Gleich­zei­tig war wohl der Wohl­stand in den Ländern im Norden noch nie so hoch. Vor diesem Hinter­grund mutet es absurd an, den Bundes­haus­halt über eine Budget­kür­zung bei der inter­na­tio­na­len Zusam­men­ar­beit sanie­ren zu wollen. Als eines der reichs­ten Länder der Welt mit einer tief veran­ker­ten huma­ni­tä­ren Tradi­tion hat die Schweiz die Mittel und die Verant­wor­tung, sich für eine gerech­tere Welt und damit für Frie­den und Stabi­li­tät einzu­set­zen. Das ist nicht nur ein Gebot der Soli­da­ri­tät, sondern auch im Eigen­in­ter­esse der Schweiz, sei es als Beitrag für die globale Sicher­heit, die für uns als Klein­staat exis­ten­zi­ell ist, oder sei es aus der Sicht einer Export­wirt­schafts­na­tion. Statt­des­sen spart das Parla­ment nun auf dem Buckel der ärms­ten Menschen der Welt – eine sehr kurz­sich­tige Poli­tik, welche die Kosten der Konse­quen­zen nicht mitberücksichtigt.

Verliert die Entwick­lungs­hilfe gene­rell in den west­li­chen Ländern an Rückhalt?

Bis zu Covid konn­ten jähr­lich Fort­schritte in der nach­hal­ti­gen Entwick­lung welt­weit verzeich­net werden, der Hunger ging zurück, die Kinder­sterb­lich­keit nahm ab, die Agenda 2030 war mit regio­na­len und saiso­na­len Höhen und Tiefen gene­rell gese­hen auf Kurs. Seit Covid beob­ach­ten wir eine Trend­wende, vielen Ländern geht es schlech­ter. Die Gründe dafür sind viel­schich­tig. Die hohe Zahl an Konflik­ten und durch den Klima­wan­del beding­ten Kata­stro­phen sind aber sicher wesent­li­che Fakto­ren. In einem solchen Umfeld wird es anspruchs­vol­ler, die Notwen­dig­keit, die Wirkung und vor allem auch die Erfolge der Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit für ein brei­tes Publi­kum verständ­lich aufzuzeigen. 

In unse­ren Brei­ten­gra­den ist eine Krisen­mü­dig­keit zu spüren und eine gewisse Tendenz, sich von der globa­li­sier­ten Welt abzu­schot­ten, sich in die eigene «Bubble» zurückzuziehen. 

Karo­lina Frischkopf

Ja, die inter­na­tio­nale Zusam­men­ar­beit nützt. Ja, die Resi­li­enz und Fähig­keit, auf Krisen zu reagie­ren, wächst in den loka­len Gemein­schaf­ten, Und ja, es braucht mehr Unter­stüt­zung, weil eben auch die Heraus­for­de­run­gen wach­sen. Gleich­zei­tig ist in unse­ren Brei­ten­gra­den eine Krisen­mü­dig­keit zu spüren und eine gewisse Tendenz, sich von der globa­li­sier­ten Welt abzu­schot­ten, sich in die eigene «Bubble» zurück­zu­zie­hen. In einem solchen Kontext ist es wich­tig, sich im Klei­nen wie im Gros­sen an unsere Grund­werte zu erin­nern und uns über deren Bedeu­tung bewusst zu werden. Dazu gehört eine freie, offene Demo­kra­tie, in welcher die Grund­rechte jedes und jeder Einzel­nen durch den Rechts­staat und seine Insti­tu­tio­nen geschützt sind. Versu­che von auto­ri­tär-natio­na­lis­ti­schen Strö­mun­gen, demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen gezielt zu dele­gi­ti­mie­ren und den «civil space» bewusst zu limi­tie­ren, gilt es deshalb als Zivil­ge­sell­schaft zu benen­nen und zu bekämp­fen. Pauschale Angriffe auf die Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit gehö­ren hier auch dazu.

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

Folgen Sie StiftungSchweiz auf

-
-