Jürg Utzinger, Präsident der R. Geigy-Stiftung

Die Stif­tungs­fi­nan­zie­rung ermög­licht stra­te­gi­sche Arbeiten

Anfang Jahr hat Jürg Utzinger das Präsidium der R. Geigy-Stiftung übernommen. Seit 2015 ist er bereits Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH). Jürg Utzinger sagt, was die Förderung durch die Stiftung für das Institut bedeutet und weshalb es für die Forschung, Lehre und Umsetzung am Institut verschiedene Fachrichtungen braucht.

Johann Rudolf Geigy (1902–1995) hatte sowohl das Schwei­ze­ri­sche Tropen- und Public Health-Insti­tut gegrün­det, wie auch die R. Geigy-Stif­tung, welche die Förde­rung des Insti­tuts zum Zweck hat. Was ist der Vorteil, wenn die Arbei­ten auf ein Insti­tut und eine Stif­tung verteilt werden können?

Jürg Utzin­ger: Das Swiss TPH wurde 1943 gegrün­det – inmit­ten des Zwei­ten Welt­kriegs in einer Zeit der maxi­ma­len Isola­tion, was Mut und Weit­sicht bedurfte. Als «Provi­so­rium» mit 3‑jähriger Anschub­fi­nan­zie­rung hat sich in den vergan­ge­nen 80 Jahren eine Insti­tu­tion mit 900 Mitar­bei­ten­den aus über 80 Natio­nen mit einem Jahres­um­satz von rund CHF 100 Millio­nen entwi­ckelt die auf dem Gebiet der Globa­len Gesund­heit tätig ist. Die R. Geigy-Stif­tung ist 1998 als Zusam­men­schluss verschie­de­ner von Johann Rudolf Geigy gegrün­de­ten Stif­tun­gen, die bis ins Jahr 1976 zurück­ge­hen, entstan­den. Der Vorteil dieser Auftei­lung in Stif­tung und Insti­tut ist, dass wir dank der Stif­tung stra­te­gi­sche Gelder zur Verfü­gung haben.

Was heisst das?

Als Swiss TPH verfü­gen wir über Kern­mit­tel vom Bund, den beiden Träger­kan­to­nen Basel-Land­schaft und Basel-Stadt und der Univer­si­tät Basel aufgrund mehr­jäh­ri­ger Leis­tungs­ver­ein­ba­run­gen. Diese Gelder machen weni­ger als 25 Prozent aus und sind für genau defi­nierte Zwecke in der Lehre und Forschung bestimmt. Die Förde­rung durch die R. Geigy-Stif­tung bringt uns die einzi­gen stra­te­gi­schen Mittel. Diese können wir für inno­va­tive Ideen, die Förde­rung viel­ver­spre­chen­der Studie­ren­den und stra­te­gi­sche Forschungs­schwer­punkte einsetzen.

Das Ziel war mit Tuber­ku­lo­se­for­schung bewusst breit formu­liert und gab uns die nötige Flexibilität.

Jürg Utzin­ger, Präsi­dent R. Geigy Stiftung

Oft sind Förder­gel­der von Stif­tun­gen gerade stark projektbezogen.

Uns ermög­licht es die stra­te­gi­sche Arbeit. Als Beispiel kann ich unsere Tuber­ku­lo­se­for­schung nennen. Vor 15 Jahren haben wir diese ange­scho­ben. Wir hatten einen viel­ver­spre­chen­den Kandi­da­ten. Er hatte bereits die Zusage für eine Förder­pro­fes­sur vom Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­fonds, aber es fehl­ten noch Mittel, Instru­mente und Labor­aus­rüs­tung genauso wie Verbin­dun­gen in Länder mit beson­ders hoher Bürde der Tuber­ku­lose. Mit einer Anschub­fi­nan­zie­rung haben wir den Tuber­ku­lose-Schwer­punkt aufge­baut und konti­nu­ier­lich erwei­tert. Natür­lich muss der Stif­tungs­rat die Projekte abseg­nen. Und auch die Direk­tion muss sie als sinn­voll erach­ten. Aber das Beispiel zeigt, wie wir mit den Stif­tungs­gel­dern stra­te­gisch arbei­ten können: Das Ziel war mit Tuber­ku­lo­se­for­schung bewusst breit formu­liert und gab uns die nötige Flexi­bi­li­tät diese armuts­be­dingte Krank­heit in all ihren Facet­ten zu erfor­schen und neue Wege zu beschrei­ten für deren Bekämpfung.

Die Schweiz ist beim euro­päi­schen Forschungs- und Inno­va­ti­ons­för­der­pro­gramm Hori­zon Europe nicht mehr asso­zi­iert. Hat dies Ihre Arbeit in den letz­ten Jahren verändert?

Das ist abso­lut so. Beim Projekt- und Programm­port­fo­lio des Insti­tuts war die EU als Geld­ge­be­rin jedes Jahr an drit­ter oder vier­ter Stelle. Seit zwei Jahren können wir keine der pres­ti­ge­träch­ti­gen Perso­nen­för­de­rungs­grants (ERC) mehr abho­len, also spie­len wir nicht mehr in der Euro­päi­schen Cham­pi­ons League mit. Bei gros­sen Verbunds­pro­jek­ten können wird nicht mehr den Lead übernehmen.

Aber Sie können noch mitmachen?

Ja, aber wir müssen unsere Fahne immer hoch­hal­ten und sagen, „hey, da sind wir“ um nicht verges­sen zu werden. Wir müssen uns quasi aufdrän­gen. Kurz­fris­tig ist uns das gelun­gen und wir machen bei verschie­de­nen Projek­ten mit  aber eben nicht im Lead und genau dort spielt die Musik! Für unsere Insti­tu­tion, die im vergan­ge­nen Jahr knapp 300 aktive Projekte und Programme in über 100 Ländern betreute, ist das eine grosse Herausforderung.

Wie gross sind die Projekte?

Wir haben vor ein paar Jahren extra eine kleine Abtei­lung mit rund drei Stel­len aufge­baut für das Projekt- und Grant Manage­ment. Unser externe Beirat hatte uns ermu­tigt, diese Abtei­lung aufzu­bauen, um grosse EU Projekte zu gewin­nen und diese im Lead voran­zu­trei­ben. Nach weni­gen Jahren konn­ten wir das erste zehn-Millio­nen-Euro-Projekt gewin­nen, bei dem wir den Lead über­nom­men haben und so die Inno­va­tion und Forschungs­schwer­punkte defi­nie­ren. Dieses Projekt kommt bald zum Abschluss; heute können wir keine vergleich­ba­ren Projekte  mehr gewin­nen. Die Poli­tik muss schnell einen Weg finden, damit die Schweiz wieder voll asso­zi­iert ist beim Förder­pro­gramm der EU, um den Forschungs- und Inno­va­ti­ons­stand­ort lang­fris­tig zu sichern und neue Talente für unser Land zu gewinnen.

Arbei­ten Sie mit ande­ren Stif­tun­gen zusammen?

Noch wenig. Wir arbei­ten bspw. mit der Forlen Stif­tung. Aber hier haben wir noch Luft nach oben. Wir könn­ten zukünf­tig weitere Stif­tun­gen suchen, die eine ähnli­che Mission und Ausstrah­lung haben.

Bei der gerech­ten Vertei­lung der Impf­stoffe hat die Mensch­heit versagt.

Jürg Utzin­ger, Präsi­dent R. Geigy Stiftung

Beim Swiss TPH denkt man an Medi­zin. Aber der letzt­jäh­rige Förder­preis der R. Geigy-Stif­tung ging an zwei Biolo­gen und an eine Epide­mio­lo­gin, die Medi­ka­men­ten­trans­port mit Droh­nen testet, was mehr tech­nisch klingt. Auch der Grün­der Johann Rudolf Geigy war Zoologe. Ist das Enga­ge­ment für die Gesund­heit heute interdisziplinär?

Unser Insti­tut war von Beginn an sehr breit aufge­stellt. Die Gesund­heit und das Wohl­erge­hen umfas­sen nicht nur medi­zi­ni­sche, sondern ebenso ökolo­gi­sche, soziale und sozio­kul­tu­relle Aspekte. Ich bin selbst Umwelt­na­tur­wis­sen­schaft­ler mit einem Dokto­rat in Epide­mio­lo­gie. Am Insti­tut haben wir Biolog:innen, Mediziner:innen, Ökonom:innen, Pharmazeut:innen, Sozialwissenschafter:innen, Umweltwissenschafter:innen und andere. Wir haben globale Heraus­for­de­run­gen. Diese können wir nur inter- und trans­dis­zi­pli­när ange­hen. Wir müssen diese Silos aufbre­chen und lösungs­ori­en­tiert und part­ner­schaft­lich arbeiten.

Hat die Pande­mie das Bewusst­sein in unse­rer Gesell­schaft dafür verändert?

Sie hat die Gesell­schaft für Gesund­heits­fra­gen sensi­bi­li­siert. Es war das erste Mal, dass unsere Gene­ra­tion die Folgen eines Pande­mie-Ausbruchs haut­nah und in Echt­zeit erlebt hat. Wir muss­ten erken­nen: «COVID-19 anywhere is COVID-19 ever­y­where.» Wir leben in einer vernetz­ten Welt. Ein Krank­heits­er­re­ger kann inner­halb von 24 Stun­den von Wuhan aus in die Schweiz oder nach Brasi­lien reisen. Dieses Problem haben wir erkannt. Dank Inno­va­tion und Spit­zen­for­schung haben wir es geschafft, in weni­gen Mona­ten mehrere sichere und wirk­same Impf­stoffe zu entwi­ckeln. Bei der gerech­ten Vertei­lung der Impf­stoffe hat die Mensch­heit aller­dings versagt.

Was meinen Sie?

Wir haben zu wenig erkannt, dass es nicht reicht, wenn die reiche Bevöl­ke­rung sich drei- oder vier­mal durch­imp­fen kann, bevor die Menschen in ärme­ren Ländern Zugang zu einer Erst­imp­fung bekam. Wir haben beim fairen Zugang zur phar­ma­zeu­ti­schen Inter­ven­tion versagt. Daran müssen wir arbei­ten. Es ging doch darum, wie wir als Mensch­heit so schnell wie möglich aus einer Pande­mie heraus­kom­men mit möglichst gerin­gen gesund­heit­li­chen, sozia­len und ökono­mi­schen Auswir­kun­gen. Es hätte andere, schnel­lere und kosten­güns­ti­gere Mecha­nis­men gege­ben. Hier muss die Welt in Zukunft enger zusammenstehen.

Gehört dieses Thema zu den Schwer­punk­ten, die Sie zukünf­tig setzen werden?

Das wird sicher ein Schwer­punkt. Wir sind über­zeugt, wir brau­chen ein natio­na­les Refe­renz­zen­trum oder ein natio­na­les Netz­werk, das eine bessere Über­wa­chung und bessere Inter­ven­ti­ons­mög­lich­keit bietet, um eine Pande­mie schnell zu erken­nen und der Poli­tik evidenz-basierte Hand­lungs­op­tio­nen aufzeigt, um gezielt einzu­grei­fen. Das verlangt nicht nur nach medi­zi­ni­schem Wissen. Wir haben gese­hen, dass wir für die Bekämp­fung einer Pande­mie Gesund­heits­fra­gen beant­wor­ten und gesell­schafts­ver­träg­li­che Wege finden müssen. Das Swiss TPH und die R. Geigy-Stif­tung werden sich mit all Ihrem Fach­wis­sen, dem gros­sen Netz­werk und dem nöti­gen Enthu­si­as­mus dafür einsetzen.

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