Johann Rudolf Geigy (1902–1995) hatte sowohl das SchweiÂzeÂriÂsche Tropen- und Public Health-InstiÂtut gegrünÂdet, wie auch die R. Geigy-StifÂtung, welche die FördeÂrung des InstiÂtuts zum Zweck hat. Was ist der Vorteil, wenn die ArbeiÂten auf ein InstiÂtut und eine StifÂtung verteilt werden können?
Jürg UtzinÂger: Das Swiss TPH wurde 1943 gegrünÂdet – inmitÂten des ZweiÂten WeltÂkriegs in einer Zeit der maxiÂmaÂlen IsolaÂtion, was Mut und WeitÂsicht bedurfte. Als «ProviÂsoÂrium» mit 3‑jähriger AnschubÂfiÂnanÂzieÂrung hat sich in den verganÂgeÂnen 80 Jahren eine InstiÂtuÂtion mit 900 MitarÂbeiÂtenÂden aus über 80 NatioÂnen mit einem JahresÂumÂsatz von rund CHF 100 MillioÂnen entwiÂckelt die auf dem Gebiet der GlobaÂlen GesundÂheit tätig ist. Die R. Geigy-StifÂtung ist 1998 als ZusamÂmenÂschluss verschieÂdeÂner von Johann Rudolf Geigy gegrünÂdeÂten StifÂtunÂgen, die bis ins Jahr 1976 zurückÂgeÂhen, entstanÂden. Der Vorteil dieser AufteiÂlung in StifÂtung und InstiÂtut ist, dass wir dank der StifÂtung straÂteÂgiÂsche Gelder zur VerfüÂgung haben.
Was heisst das?
Als Swiss TPH verfüÂgen wir über KernÂmitÂtel vom Bund, den beiden TrägerÂkanÂtoÂnen Basel-LandÂschaft und Basel-Stadt und der UniverÂsiÂtät Basel aufgrund mehrÂjähÂriÂger LeisÂtungsÂverÂeinÂbaÂrunÂgen. Diese Gelder machen weniÂger als 25 Prozent aus und sind für genau defiÂnierte Zwecke in der Lehre und Forschung bestimmt. Die FördeÂrung durch die R. Geigy-StifÂtung bringt uns die einziÂgen straÂteÂgiÂschen Mittel. Diese können wir für innoÂvaÂtive Ideen, die FördeÂrung vielÂverÂspreÂchenÂder StudieÂrenÂden und straÂteÂgiÂsche ForschungsÂschwerÂpunkte einsetzen.
Das Ziel war mit TuberÂkuÂloÂseÂforÂschung bewusst breit formuÂliert und gab uns die nötige Flexibilität.
Jürg UtzinÂger, PräsiÂdent R. Geigy Stiftung
Oft sind FörderÂgelÂder von StifÂtunÂgen gerade stark projektbezogen.
Uns ermögÂlicht es die straÂteÂgiÂsche Arbeit. Als Beispiel kann ich unsere TuberÂkuÂloÂseÂforÂschung nennen. Vor 15 Jahren haben wir diese angeÂschoÂben. Wir hatten einen vielÂverÂspreÂchenÂden KandiÂdaÂten. Er hatte bereits die Zusage für eine FörderÂproÂfesÂsur vom SchweiÂzeÂriÂschen NatioÂnalÂfonds, aber es fehlÂten noch Mittel, InstruÂmente und LaborÂausÂrüsÂtung genauso wie VerbinÂdunÂgen in Länder mit besonÂders hoher Bürde der TuberÂkuÂlose. Mit einer AnschubÂfiÂnanÂzieÂrung haben wir den TuberÂkuÂlose-SchwerÂpunkt aufgeÂbaut und kontiÂnuÂierÂlich erweiÂtert. NatürÂlich muss der StifÂtungsÂrat die Projekte absegÂnen. Und auch die DirekÂtion muss sie als sinnÂvoll erachÂten. Aber das Beispiel zeigt, wie wir mit den StifÂtungsÂgelÂdern straÂteÂgisch arbeiÂten können: Das Ziel war mit TuberÂkuÂloÂseÂforÂschung bewusst breit formuÂliert und gab uns die nötige FlexiÂbiÂliÂtät diese armutsÂbeÂdingte KrankÂheit in all ihren FacetÂten zu erforÂschen und neue Wege zu beschreiÂten für deren Bekämpfung.
Die Schweiz ist beim euroÂpäiÂschen Forschungs- und InnoÂvaÂtiÂonsÂförÂderÂproÂgramm HoriÂzon Europe nicht mehr assoÂziÂiert. Hat dies Ihre Arbeit in den letzÂten Jahren verändert?
Das ist absoÂlut so. Beim Projekt- und ProgrammÂportÂfoÂlio des InstiÂtuts war die EU als GeldÂgeÂbeÂrin jedes Jahr an dritÂter oder vierÂter Stelle. Seit zwei Jahren können wir keine der presÂtiÂgeÂträchÂtiÂgen PersoÂnenÂförÂdeÂrungsÂgrants (ERC) mehr abhoÂlen, also spieÂlen wir nicht mehr in der EuroÂpäiÂschen ChamÂpiÂons League mit. Bei grosÂsen VerbundsÂproÂjekÂten können wird nicht mehr den Lead übernehmen.
Aber Sie können noch mitmachen?
Ja, aber wir müssen unsere Fahne immer hochÂhalÂten und sagen, „hey, da sind wir“ um nicht vergesÂsen zu werden. Wir müssen uns quasi aufdränÂgen. KurzÂfrisÂtig ist uns das gelunÂgen und wir machen bei verschieÂdeÂnen ProjekÂten mit aber eben nicht im Lead und genau dort spielt die Musik! Für unsere InstiÂtuÂtion, die im verganÂgeÂnen Jahr knapp 300 aktive Projekte und Programme in über 100 Ländern betreute, ist das eine grosse Herausforderung.
Wie gross sind die Projekte?
Wir haben vor ein paar Jahren extra eine kleine AbteiÂlung mit rund drei StelÂlen aufgeÂbaut für das Projekt- und Grant ManageÂment. Unser externe Beirat hatte uns ermuÂtigt, diese AbteiÂlung aufzuÂbauen, um grosse EU Projekte zu gewinÂnen und diese im Lead voranÂzuÂtreiÂben. Nach weniÂgen Jahren konnÂten wir das erste zehn-MillioÂnen-Euro-Projekt gewinÂnen, bei dem wir den Lead überÂnomÂmen haben und so die InnoÂvaÂtion und ForschungsÂschwerÂpunkte defiÂnieÂren. Dieses Projekt kommt bald zum Abschluss; heute können wir keine vergleichÂbaÂren Projekte mehr gewinÂnen. Die PoliÂtik muss schnell einen Weg finden, damit die Schweiz wieder voll assoÂziÂiert ist beim FörderÂproÂgramm der EU, um den Forschungs- und InnoÂvaÂtiÂonsÂstandÂort langÂfrisÂtig zu sichern und neue Talente für unser Land zu gewinnen.
ArbeiÂten Sie mit andeÂren StifÂtunÂgen zusammen?
Noch wenig. Wir arbeiÂten bspw. mit der Forlen StifÂtung. Aber hier haben wir noch Luft nach oben. Wir könnÂten zukünfÂtig weitere StifÂtunÂgen suchen, die eine ähnliÂche Mission und AusstrahÂlung haben.
Bei der gerechÂten VerteiÂlung der ImpfÂstoffe hat die MenschÂheit versagt.
Jürg UtzinÂger, PräsiÂdent R. Geigy Stiftung
Beim Swiss TPH denkt man an MediÂzin. Aber der letztÂjähÂrige FörderÂpreis der R. Geigy-StifÂtung ging an zwei BioloÂgen und an eine EpideÂmioÂloÂgin, die MediÂkaÂmenÂtenÂtransÂport mit DrohÂnen testet, was mehr techÂnisch klingt. Auch der GrünÂder Johann Rudolf Geigy war Zoologe. Ist das EngaÂgeÂment für die GesundÂheit heute interdisziplinär?
Unser InstiÂtut war von Beginn an sehr breit aufgeÂstellt. Die GesundÂheit und das WohlÂergeÂhen umfasÂsen nicht nur mediÂziÂniÂsche, sondern ebenso ökoloÂgiÂsche, soziale und sozioÂkulÂtuÂrelle Aspekte. Ich bin selbst UmweltÂnaÂturÂwisÂsenÂschaftÂler mit einem DoktoÂrat in EpideÂmioÂloÂgie. Am InstiÂtut haben wir Biolog:innen, Mediziner:innen, Ökonom:innen, Pharmazeut:innen, Sozialwissenschafter:innen, Umweltwissenschafter:innen und andere. Wir haben globale HerausÂforÂdeÂrunÂgen. Diese können wir nur inter- und transÂdisÂziÂpliÂnär angeÂhen. Wir müssen diese Silos aufbreÂchen und lösungsÂoriÂenÂtiert und partÂnerÂschaftÂlich arbeiten.
Hat die PandeÂmie das BewusstÂsein in unseÂrer GesellÂschaft dafür verändert?
Sie hat die GesellÂschaft für GesundÂheitsÂfraÂgen sensiÂbiÂliÂsiert. Es war das erste Mal, dass unsere GeneÂraÂtion die Folgen eines PandeÂmie-Ausbruchs hautÂnah und in EchtÂzeit erlebt hat. Wir mussÂten erkenÂnen: «COVID-19 anywhere is COVID-19 everÂyÂwhere.» Wir leben in einer vernetzÂten Welt. Ein KrankÂheitsÂerÂreÂger kann innerÂhalb von 24 StunÂden von Wuhan aus in die Schweiz oder nach BrasiÂlien reisen. Dieses Problem haben wir erkannt. Dank InnoÂvaÂtion und SpitÂzenÂforÂschung haben wir es geschafft, in weniÂgen MonaÂten mehrere sichere und wirkÂsame ImpfÂstoffe zu entwiÂckeln. Bei der gerechÂten VerteiÂlung der ImpfÂstoffe hat die MenschÂheit allerÂdings versagt.
Was meinen Sie?
Wir haben zu wenig erkannt, dass es nicht reicht, wenn die reiche BevölÂkeÂrung sich drei- oder vierÂmal durchÂimpÂfen kann, bevor die Menschen in ärmeÂren Ländern Zugang zu einer ErstÂimpÂfung bekam. Wir haben beim fairen Zugang zur pharÂmaÂzeuÂtiÂschen InterÂvenÂtion versagt. Daran müssen wir arbeiÂten. Es ging doch darum, wie wir als MenschÂheit so schnell wie möglich aus einer PandeÂmie herausÂkomÂmen mit möglichst gerinÂgen gesundÂheitÂliÂchen, soziaÂlen und ökonoÂmiÂschen AuswirÂkunÂgen. Es hätte andere, schnelÂlere und kostenÂgünsÂtiÂgere MechaÂnisÂmen gegeÂben. Hier muss die Welt in Zukunft enger zusammenstehen.
Gehört dieses Thema zu den SchwerÂpunkÂten, die Sie zukünfÂtig setzen werden?
Das wird sicher ein SchwerÂpunkt. Wir sind überÂzeugt, wir brauÂchen ein natioÂnaÂles RefeÂrenzÂzenÂtrum oder ein natioÂnaÂles NetzÂwerk, das eine bessere ÜberÂwaÂchung und bessere InterÂvenÂtiÂonsÂmögÂlichÂkeit bietet, um eine PandeÂmie schnell zu erkenÂnen und der PoliÂtik evidenz-basierte HandÂlungsÂopÂtioÂnen aufzeigt, um gezielt einzuÂgreiÂfen. Das verlangt nicht nur nach mediÂziÂniÂschem Wissen. Wir haben geseÂhen, dass wir für die BekämpÂfung einer PandeÂmie GesundÂheitsÂfraÂgen beantÂworÂten und gesellÂschaftsÂverÂträgÂliÂche Wege finden müssen. Das Swiss TPH und die R. Geigy-StifÂtung werden sich mit all Ihrem FachÂwisÂsen, dem grosÂsen NetzÂwerk und dem nötiÂgen EnthuÂsiÂasÂmus dafür einsetzen.