Die globale Verant­wor­tung auf der Kippe

Steht die internationale Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg? Der Rückzug der USA aus der WHO und die massiven Kürzungen internationaler Hilfsgelder drohen das arbeitsteilige Netzwerk zu zerreissen. Auch die Schweiz muss ihre Rolle und ihre Verantwortung in einer global vernetzten Welt neu definieren.

20. Januar 2025, Donald Trump zieht am Tag seiner Amts­ein­füh­rung die USA aus der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion WHO zurück – ein symbo­li­scher Akt mit gravie­ren­den Folgen. Die WHO verliert über Nacht ihre wich­tigste Geld­ge­be­rin. Hoch arbeits­tei­lige Projekte in Krisen­re­gio­nen stehen vor dem Aus. Schnell zeigt sich, dass der WHO-Austritt nur der Anfang war: In den darauf­fol­gen­den Wochen eska­liert der Konflikt zwischen der US-Regie­rung und den Verein­ten Natio­nen insge­samt. Die Trump-Admi­nis­tra­tion friert Beiträge ein und droht mit massi­vem Mittel­ent­zug. Die finan­zi­elle Schief­lage, in der sich die UNO ohne­hin befin­det, reift gerade zu einer exis­ten­zi­el­len Krise heran. Wenn die welt­weite Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit (EZ) vor einem Kipp­punkt steht: Was bedeu­tet die Situa­tion für die Schweiz, ihre Rolle als Gebe­rin­nen­land und als wirt­schaft­lich stark verzahnte Akteurin?

Mehr Flücht­linge denn je

Laut UNHCR gibt es zurzeit welt­weit über 120 Millio­nen gewalt­sam vertrie­bene Menschen – so viele wie noch nie zuvor. Davon rund 38 Millio­nen Flücht­linge. Zwei Drit­tel aller Vertrie­be­nen stam­men aus nur zehn Ländern: Afgha­ni­stan, der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo, dem Jemen, Kolum­bien, Paläs­tina, Soma­lia, dem Sudan, Syrien, der Ukraine und Vene­zuela. Beson­ders belas­tet sind Entwick­lungs- und Schwel­len­län­der, die 71 Prozent aller Vertrie­be­nen aufneh­men. Die jähr­li­che UNHCR-Publi­ka­tion Global Trends erscheint im Juni – bereits jetzt zeigen die vorläu­fi­gen Zahlen jedoch, dass sich der seit über zwölf Jahren anhal­tende Anstieg der Vertrie­be­nen drama­tisch fortsetzt.

Anja Klug, Leite­rin des UNHCR-Büros für die Schweiz und Lichtenstein

Gravie­rende Konsequenzen

Die welt­weit wach­sen­den Flücht­lings­la­ger und die gleich­zei­tig sinken­den Mittel für Aufnahme-Gemein­schaf­ten stel­len viele Gast­län­der vor immense Heraus­for­de­run­gen. Doch sind Geflüch­tete nur eine Belas­tung? «Flücht­linge können einen wert­vol­len Beitrag zur Wirt­schaft ihrer Aufnah­me­ge­sell­schaft leis­ten», sagt Anja Klug, Leite­rin des UNHCR-Büros für die Schweiz und Lich­ten­stein. Entschei­dend dafür seien jedoch der Zugang zu Bildung und Arbeits­markt sowie eine wirk­same Inte­gra­ti­ons­po­li­tik. «Um dieses Poten­zial zu entfal­ten, braucht es zunächst Inves­ti­tio­nen. Doch genau diese sind vieler­orts nicht mehr gesi­chert.» Die Folge: Die Inte­gra­tion stockt – und mit ihr die Möglich­keit, dass Geflüch­tete zum gesell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li­chen Leben etwas beitra­gen können. Eine durch die drama­ti­schen Kürzun­gen entstan­dene Bruch­stelle besteht bei den Program­men der loka­len Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen. «Wenn die Mittel für diese Struk­tu­ren wegbre­chen, leidet das gesamte Unter­stüt­zungs­netz­werk, das unter ande­rem vom UNHCR getra­gen wird», so ihre Einschät­zung. Denn Projekte zur Stabi­li­sie­rung fragi­ler Staa­ten, zur Siche­rung von Grund­ver­sor­gung oder zum Schutz beson­ders vulnerabler Grup­pen müss­ten gestri­chen oder ganz einge­stellt werden. Die Konse­quen­zen sind gravie­rend: «Ohne lang­fris­tige Lösun­gen wächst die Insta­bi­li­tät in den Gast­län­dern – und mit ihr das Risiko von Gewalt, Menschen­han­del und Weiter­flucht.» Fehlen die Perspek­ti­ven, wählen immer mehr Menschen den Weg in die Unsi­cher­heit – oft auf lebens­ge­fähr­li­chen Routen.

Kürzung zur Unzeit

Manfred Elsig, Profes­sor für Inter­na­tio­nale Bezie­hun­gen der Univer­si­tät Bern

«Der russi­sche Angriff auf die Ukraine hat in den letz­ten Jahren zu einer Prio­ri­tä­ten­ver­schie­bung im Westen geführt – zum Nach­teil vieler am wenigs­ten entwi­ckel­ten Länder», erklärt Manfred Elsig, Profes­sor für Inter­na­tio­nale Bezie­hun­gen der Univer­si­tät Bern. Der Schnitt bei den ameri­ka­ni­schen Entwick­lungs­gel­dern komme just zu einem Zeit­punkt, in dem rechts­bür­ger­li­che Regie­run­gen in eini­gen euro­päi­schen Ländern bereits drama­ti­sche Kürzun­gen in der inter­na­tio­na­len Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit beschlos­sen haben, sagt Andreas Miss­bach, Geschäfts­füh­rer von Alli­ance Sud.

Andreas Miss­bach, Geschäfts­füh­rer von Alli­ance Sud

Auch das Schwei­zer Parla­ment hat eine Kürzung von 110 Millio­nen Fran­ken allein für das Jahr 2025 beschlos­sen. Das bedeu­tet, gemäss einer Umfrage von Alli­ance Sud bei ihren Mitglie­dern, dass unge­fähr 3,7 Millio­nen Menschen nicht mehr von Hilfs­pro­jek­ten erreicht werden. «Der Unter­schied der US-Kürzun­gen zu jenen der euro­päi­schen Länder ist das plötz­li­che Wegbre­chen», betont Miss­bach, und weiter, «da konnte man mit gewis­sen Mass­nah­men die Folgen noch abfe­dern.» Werden Projekte nicht weiter­ge­führt, habe das unmit­tel­bare Auswir­kun­gen, vor allem auf die Ärms­ten und jene, die auf Hilfe bei der Grund­ver­sor­gung ange­wie­sen seien, gibt Elsig zu beden­ken. Er wirft ein, «brechen Gelder aus lang­fris­ti­gen Part­ner­schaf­ten plötz­lich weg – laut aktu­el­len Schät­zun­gen sind es jähr­lich rund 50 Milli­ar­den US-Dollar –, ist beson­ders die huma­ni­täre Hilfe betrof­fen. Die Prio­ri­tä­ten verschie­ben sich schlag­ar­tig, das gesamte System gerät dadurch zusätz­lich unter Druck. Ich kann mich an keine ähnlich radi­kale Verän­de­rung erin­nern.» Es habe immer wieder Para­dig­men­wech­sel gege­ben – aber nie so abrupt und einschneidend.

Kinder stark betroffen

«Alle Struk­tu­ren der UNHCR sind von den Spar­mass­nah­men betrof­fen», sagt Kluge, in welchem Ausmass, sei noch nicht über­all klar. Jedoch zeich­nen sich viele fatale Auswir­kun­gen ab. Das Hilfs­werk schreibt am 7. Mai dieses Jahres, dass aktu­ell mehr als 17,4 Millio­nen geflüch­tete Kinder in Gefahr seien, Gewalt, Miss­brauch, Menschen­han­del oder Fami­li­en­tren­nung zu erle­ben; damit tref­fen die Kürzun­gen die effek­tiv Schwächs­ten. UNHCR schätzt, dass allein in Ostafrika und der Region der Gros­sen Seen eine Million Kinder – viele unbe­glei­tet – verstärkt Ausbeu­tung und Miss­brauch ausge­setzt sind. Im Südsu­dan wurden 75 Prozent der Anlauf­stel­len für Frauen und Mädchen geschlos­sen; rund 80’000 Über­le­bende sexua­li­sier­ter Gewalt erhal­ten ab sofort keine Hilfe mehr. In der DR Kongo droht über 85 Prozent der geflüch­te­ten Klein­kin­der Staa­ten­lo­sig­keit, weil Gebur­ten nicht mehr regis­triert werden. Auch in Jorda­nien, Angola, Malawi und Kolum­bien verlie­ren Kinder den Zugang zu Bildung, Schutz und medi­zi­ni­scher Versorgung.

Deut­li­che Spuren

Die Schwei­zer Entwick­lungs­or­ga­ni­sa­tio­nen spüren die Kürzun­gen stark. «Sie sind gewis­ser­mas­sen Opfer ihres eige­nen Erfolgs: Weil sie über Jahre hinweg hoch­wer­tige Arbeit geleis­tet haben, erhiel­ten sie viele ausge­schrie­bene Mandate von inter­na­tio­na­len Geld­ge­bern wie USAID. Schwei­zer Orga­ni­sa­tio­nen genies­sen einen hervor­ra­gen­den Ruf», gibt Miss­bach zu beden­ken. Möglich sei dies durch die Zusam­men­ar­beit mit der DEZA und dem Seco, die auf Leis­tung und Quali­tät setzen und mit diesen Orga­ni­sa­tio­nen in Form von Leis­tungs­ver­trä­gen arbei­ten. Daraus sei eine Fach­kom­pe­tenz erwach­sen, die heute inter­na­tio­nal gefragt sei. Von den Kürzun­gen stark betrof­fen ist Genf als globa­ler UNO-Stand­ort. Einer­seits sei die Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit Teil der DNA der Schwei­zer Aussen­po­li­tik, quasi die «Soft Power» der Schweiz neben der Menschen­rechts­po­li­tik, sagt Elsig. Doch diese Soft Power gerate unter Druck: «Es gibt Kürzun­gen bei inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen, zahl­rei­chen öffent­lich-priva­ten Part­ner­schaf­ten und Orga­ni­sa­tio­nen, die sich beispiels­weise für die Bekämp­fung von AIDS, Mala­ria und Tuber­ku­lose einset­zen. Aber auch inter­na­tio­nale Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen, die sich in Projek­ten enga­gie­ren und globale Advo­cacy-Arbeit machen, sind betrof­fen.» Die Konse­quen­zen seien nicht zu unter­schät­zen: «Es kommt hier zu teils substan­zi­el­len Kürzun­gen der Programme und viele Stel­len werden gestri­chen. Dabei geht auch Know-how verlo­ren und die Arbeits­mo­ral ist betroffen.»

Verant­wor­tung tragen

Für Miss­bach ist klar: Die Schweiz darf nicht schwei­gen. Sie darf sich ihrer Verant­wor­tung nicht entzie­hen. Er wünscht sich deshalb zwei Dinge vom Bundes­rat: «Erstens soll sich der Bundes­rat zu Wort melden. Er hat bis heute zu den Kürzun­gen der USA nicht kommu­ni­ziert. Es brau­che einen klaren Posi­ti­ons­be­zug. Und zwei­tens bedürfe es eines Nach­trags­kre­di­tes des EDA im Parla­ment, um die 110 Millio­nen Kürzun­gen im Jahr 2025 wieder aufzu­he­ben. Die Schwei­zer Bevöl­ke­rung würde hinter diesen Forde­run­gen stehen, so die Ergeb­nisse einer ETH-Umfrage von Ende 2021 (veröf­fent­licht am 29. Juni 2022): 55 Prozent der Schweizer:innen befür­wor­ten höhere Ausga­ben für Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit. 80 Prozent über­schät­zen diese Ausga­ben deut­lich. Wird offen­ge­legt, dass die Schweiz jähr­lich nur 350–400 Fran­ken pro Kopf ausgibt, steigt die Zustim­mung auf 71 Prozent. Auch poli­ti­sche Mass­nah­men zur Reduk­tion globa­ler Ungleich­heit finden breite Unter­stüt­zung: 90 Prozent fordern stren­gere Regeln für Unter­neh­men, 76 Prozent eine wirk­same Klima­po­li­tik und 74 Prozent Mass­nah­men gegen Steu­er­ver­mei­dung. Über die Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit hinaus beschäf­tigt sich Alli­ance Sud mit der Entwick­lungs­fi­nan­zie­rung in einem erwei­ter­ten Sinne. Dazu gehö­ren Fragen der Poli­tik­ko­hä­renz in der Schweiz – also der Zusam­men­hang zwischen innen- und aussen­po­li­ti­schen Entschei­dun­gen – insbe­son­dere dort, wo Schwei­zer Poli­tik oder Wirt­schaft einen nega­ti­ven Einfluss auf margi­na­li­sierte Grup­pen im Globa­len Süden haben. Ein Beispiel dafür ist die Rolle der Schweiz als Stand­ort für Unter­neh­mens­ge­winne, die im Ausland erwirt­schaf­tet werden, aber oft nicht dort versteu­ert werden, wo sie entste­hen. Auch ihre Funk­tion als globa­ler Rohstoff­han­dels­platz oder Sitz inter­na­tio­nal täti­ger Konzerne, die sich im Ausland nicht an diesel­ben sozia­len und ökolo­gi­schen Stan­dards halten wie in der Schweiz, gehört dazu.

Globale Verflech­tun­gen

«Die Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit ist sehr wich­tig für die Wirt­schafts­ent­wick­lung», sagt Elsig von der Berner Univer­si­tät. Sie wirke auf mehre­ren Ebenen: Einer­seits durch Inves­ti­tio­nen in die Grund­ver­sor­gung wie Gesund­heit, Bildung, Infra­struk­tur und Gover­nance, ande­rer­seits durch handels­re­le­vante Mass­nah­men, etwa Wirt­schafts­för­de­rung und Inno­va­tion. Beson­ders für klei­nere Volks­wirt­schaf­ten sei der Zugang zu regio­na­len und inter­na­tio­na­len Wert­schöp­fungs­ket­ten und zum Handel entschei­dend, erklärt Elsig, und weiter, «viele Entwick­lungs­län­der benö­ti­gen diesen exter­nen Support, um sich besser zu posi­tio­nie­ren und um Export­po­ten­ziale ausschöp­fen zu können.»
Für die eigen­stän­dige Entwick­lung ist neben dem Zugang entspre­chen­des Kapi­tal zu haben, entschei­dend, betont der Geschäfts­füh­rer von Alli­ance Sud. Deshalb sei der Kampf gegen die Steu­er­flucht so wich­tig. Das sind Mittel, die den Ländern des Südens fehlen. Und er sagt: «Afrika verliert jähr­lich doppelt so viel Geld durch Kapi­tal­flucht, wie es insge­samt in der Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit erhält.»

Finanz­flüsse umleiten

Der aller­grösste Teil davon ist Steu­er­ver­mei­dung von Konzer­nen», sagt Andreas Miss­bach, «zu einem gros­sen Teil in Zusam­men­hang mit der Rohstoff­för­de­rung – deshalb zeigt sich gerade in afri­ka­ni­schen Ländern seit Langem, dass es grund­le­gende Refor­men braucht.» Auf Initia­tive dieser Länder werde nun über eine UNO-Steu­er­kon­ven­tion verhan­delt, was eigent­lich verdeut­li­che, wie wenig koope­ra­tiv der Globale Norden, inklu­sive der Schweiz, bisher sei. Umso wich­ti­ger sei es jetzt, umzu­den­ken: «Man kann es sich einfach nicht mehr leis­ten, dass den Ländern des Globa­len Südens das Geld abfliesst – es muss vor Ort blei­ben und das finan­zie­ren, was heute über Hilfe geschieht.» Die 4. Inter­na­tio­nale Konfe­renz zur Entwick­lungs­fi­nan­zie­rung (FfD4) vom 30. Juni bis 3. Juli 2025 in Sevilla könnte ein Wende­punkt sein, so Miss­bach: «Jetzt wäre der Moment, dass Europa und auch die Schweiz endlich handeln würden.»

Druck mit Wirkung

Die Liefer­ket­ten sind das Nerven­sys­tem der globa­li­sier­ten Wirt­schaft. Ein Blick über die Grenze zeigt, dass das in Deutsch­land seit dem 1. Januar 2023 geltende Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz (LkSG) Unter­neh­men verpflich­tet, menschen­recht­li­che und umwelt­be­zo­gene Risi­ken in ihren globa­len Liefer­ket­ten zu iden­ti­fi­zie­ren und diesen vorzu­beu­gen. Syste­ma­ti­sche Verstösse wie Kinder­ar­beit, Zwangs­ar­beit oder Umwelt­zer­stö­rung sollen damit verhin­dert werden. Der Pres­se­spre­cher des deut­schen Bundes­amts für Wirt­schaft und Ausfuhr­kon­trolle (BAFA) hält fest: «Die meis­ten verpflich­te­ten Unter­neh­men sind gut bis sehr gut auf die Umset­zung des LkSG vorbe­rei­tet. Die nach Abschluss der Prüfung durch das BAFA gege­be­nen Hinweise werden von den Unter­neh­men umge­setzt. Auch im Rahmen von anlass­be­zo­ge­nen Kontrol­len und mögli­chen menschen­recht­li­chen Verstös­sen nehmen die Unter­neh­men ihre gesetz­li­chen Verpflich­tun­gen sehr ernst.» So haben, gemäss dem Rechen­schafts­be­richt 2023, erste Beschwer­den und risi­ko­ba­sierte Prüfun­gen zu konkre­tem Handeln geführt.

Zweite Abstim­mung

Reichen frei­wil­lige Initia­ti­ven aus – oder braucht es einen verbind­li­chen gesetz­li­chen Rahmen, um eine kohä­rente Poli­tik zu betrei­ben, die Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit, Menschen­rechte und Wirt­schaft mitein­an­der verknüpft? Die Meinun­gen in der Schweiz gehen hier ausein­an­der. Ende Mai wurde bei der Bundes­kanz­lei zum zwei­ten Mal eine breit abge­stützte Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive (KVI) einge­reicht. Eine erste KVI schei­terte am 29. Novem­ber 2020, an der Zwei­drit­tel­mehr­heit der Stan­des­stim­men. Das Volks­mehr wurde mit 50,7 Prozent erreicht.

Neuori­en­tie­rung

«Die Resi­li­enz vieler Entwick­lungs­län­der hat sich in den vergan­ge­nen zwan­zig Jahren deut­lich verbes­sert», sagt Elsig. Das zeigte sich auch während der globa­len Finanz- und Wirt­schafts­krise von 2007 bis 2009: Zahl­rei­che Entwick­lungs­län­der erhol­ten sich schnel­ler als einige OECD-Staa­ten. Dennoch bleibe das System verletz­lich: «Klima­ti­sche Extreme oder geopo­li­ti­sche Span­nun­gen tref­fen fragile Staa­ten oft mit doppel­ter Wucht», so der Berner Profes­sor. Solche Erschüt­te­run­gen fördern neue Abhän­gig­kei­ten und erfor­dern lang­fris­tige, verläss­li­che Unter­stüt­zung. Dafür brau­che es poli­ti­schen Durch­hal­te­wil­len. Ein verfrüh­ter Rück­zug west­li­cher Geldgeber:innen habe Folgen: «Zieht sich Europa zurück, hinter­lässt es ein Vakuum, das andere Mächte schnell füllen», warnt Elsig. Tatsäch­lich sei zu beob­ach­ten, dass sich viele Länder des Globa­len Südens zuneh­mend poli­tisch an China orien­tie­ren – mit weit­rei­chen­den geopo­li­ti­schen Konse­quen­zen. Zeigt sich der Globale Norden bereit, Verant­wor­tung zu über­neh­men – oder verste­tigt sich der Rück­zug ins natio­nale Schneckenhaus?

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