Die andere Art der Philanthropie

Unter­neh­me­ri­sches Denken, part­ner­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und mass­ge­schnei­derte Finan­zie­rungs­mo­delle: Venture Phil­an­thropy ist eine Ergän­zung zur tradi­tio­nel­len Förderweise.

«Venture Phil­an­thropy ist weder die beste noch die einzige Art der Phil­an­thro­pie. Es ist eine Art, sich anders zu enga­gie­ren», sagt Etienne Eichen­ber­ger, geschäfts­füh­ren­der Gesell­schaf­ter von WISE phil­an­thropy advi­sors. 2012 war diese Orga­ni­sa­tion das erste Mitglied aus der Schweiz der Euro­pean Venture Phil­an­thropy Asso­cia­tion EVPA. Venture Phil­an­thropy werde den Sektor auch nicht trans­for­mie­ren oder revo­lu­tio­nie­ren, fügt er an. Aber er sieht sie als anre­gende Ergän­zung im hete­ro­ge­nen Phil­an­thro­pie­sek­tor. Vincent Pfam­mat­ter, Anwalt und Vorstands­mit­glied des Dach­ver­bands gemein­nüt­zi­ger Stif­tun­gen und Vereine proFonds, weist darauf hin, dass Venture Phil­an­thropy kein juris­tisch defi­nier­ter Begriff sei. Entspre­chend gebe es viele Ausprä­gun­gen. Etienne Eichen­ber­ger umschreibt sie als Werk­zeug­kas­ten, aus dem Stif­tun­gen gute Ideen entneh­men könnten. 

Hilfe zur Selbsthilfe

Eines dieser Werk­zeuge ist die mass­ge­schnei­derte Finan­zie­rung: Viele Arten der finan­zi­el­len Unter­stüt­zung sind möglich, zum Beispiel die Kombi­na­tion von Spen­den und Darle­hen. «Aufgrund der für steu­er­be­freite Einrich­tun­gen gelten­den Rege­lun­gen gilt es genau zu defi­nie­ren, ob es sich um eine Spende oder ein Darle­hen handelt, das zurück­ge­zahlt werden muss und eine Rendite erwirt­schaf­ten kann», sagt Vincent Pfam­mat­ter. Gerade zum Start von Sozi­al­pro­jek­ten können Darle­hen von Venture-Phil­an­thro­pen für Projekt­trä­ger eine entschei­dende Hilfe sein. «In dieser Situa­tion geben Banken in der Regel keine Kredite», sagt er. «Ein solches finan­zi­el­les Enga­ge­ment ist nahe beim Venture-Kapi­tal, aber mit einem sozia­len Ziel.» Mit güns­ti­gen Kondi­tio­nen und der Bereit­schaft, das finan­zi­elle Risiko zu tragen, ermög­li­chen Darle­hens­ge­ber und ‑gebe­rin­nen das Projekt. Im Zentrum des phi-
lanthro­pi­schen Enga­ge­ments steht jedoch die Orga­ni­sa­tion und nicht das Projekt wie in der tradi­tio­nel­len Phil­an­thro­pie. Co-Geschäfts­füh­rer der Jacobs Foun­da­ti­ons, Fabio Segura, sagt: In der Regel würden Orga­ni­sa­tio­nen finanziert. 

«Zu diesem Zweck soll eine realis­ti­sche finan­zi­elle Ausstiegs­per­spek­tive bestehen.»

Fabio Segura

Damit einher geht eine unter­neh­me­ri­sche, länger­fris­tige Denk­weise. Inno­va­tion, Effi­zi­enz und Wachs­tums­ab­sich­ten gehö­ren gemäss Fabio Segura dazu genauso wie ein syste­ma­ti­sches und lang­fris­ti­ges Wirkungs­ma­nage­ment. Er fügt an: «Ein wesent­li­cher Aspekt der Venture Phil­an­thropy ist, dass das finan­zi­elle Enga­ge­ment ein Modell unter­stützt, das es ermög­licht, die Wirkung über die direk­ten Förder­bei­träge zu steigern. 

«Die Frage ist, wie sich diese beiden Ansätze bereichern.»

Etienne Eichen­ber­ger

Zu diesem Zweck soll eine realis­ti­sche finan­zi­elle Ausstiegs­per­spek­tive bestehen.» Die Jacobs Foun­da­tion unter­stützt schon seit Jahr­zehn­ten Orga­ni­sa­tio­nen, die sich am Markt orien­tie­ren. 2015 hat die Stif­tung ein expe­ri­men­tel­les Venture-Phil­an­thropy-Port­fo­lio gestar­tet. Zuerst hat sie Bildungs-Start-ups in West­afrika unter­stützt. Im Jahr 2021 hat sie eine Unter­gruppe für Bildungs­un­ter­neh­men in allen Regio­nen einge­führt, die sie Scien­ti­fic Capi­tal nennt. «Mit diesem Enga­ge­ment will die Jacobs Foun­da­tion die unter­stütz­ten Unter­neh­men dazu animie­ren, ihre Dienst­leis­tun­gen und Produkte auf wissen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen aufzu­bauen», sagt Fabio Segura. Projekt­trä­ger in Berei­chen, in denen eine Dienst­leis­tung erbracht wird – etwa im Bildungs­be­reich – oder wo es um ein Produkt geht, sind für Etienne Eichen­ber­ger ein typi­sches Feld, in dem sich Venture Phil­an­thropy eignet. Diese Art Projekte hat wahr­schein­lich mehr Chan­cen auf eine gemischte Finan­zie­rung, die zu einer finan­zi­el­len Unab­hän­gig­keit führen kann.

Netz­werk und Wissen

Wesent­li­che Charak­te­ris­tika der Venture Phil­an­thropy sind zudem die nicht-finan­zi­elle Unter­stüt­zung oder der Zugang zum Netz­werk des Spen­ders. «Auch braucht es als Spen­der eine gute Kennt­nis der Heraus­for­de­run­gen und der Akteure», sagt Etienne Eichen­ber­ger. «Die Spen­der brau­chen eine gute Analyse der Orga­ni­sa­tion, die sie unter­stüt­zen, wollen und oft verein­ba­ren sie gerne Ergeb­nisse, die sie gemein­sam errei­chen können.» Hierzu würden die Geld­ge­ber ausrei­chend Kennt­nisse und Ressour­cen benö­ti­gen, sagt Fabio Segura. Doch der Aufwand lohnt sich: «Die Erfah­rung zeigt, dass Orga­ni­sa­tio­nen, die neben finan­zi­el­lem Kapi­tal auch andere Formen der Unter­stüt­zung wie Know-how oder Zugang zu rele­van­ten Netz­wer­ken erhal­ten, eher auf die phil­an­thro­pi­schen Ziele der Geld­ge­ber einge­hen als Orga­ni­sa­tio­nen, die nur mit Geld unter­stützt werden.» Aller­dings haben die vergan­ge­nen Jahre auch Gren­zen aufge­zeigt. So hätten viele unter­stützte Unter­neh­men es nicht geschafft, eine nennens­werte Grösse zu errei­chen, sagt Fabio Segura. Ausser­dem seien die einge­setz­ten Mittel im Bereich Venture Phil­an­thropy insge­samt beschei­den geblie­ben im Vergleich zu Risi­ko­ka­pi­tal­in­ves­ti­tio­nen und tradi­tio­nel­len phil­an­thro­pi­schen Spen­den. Etienne Eichen­ber­ger sieht denn auch den gros­sen Nutzen dieses Werk­zeug­kas­tens vor allem darin, dass die Werk­zeuge auch die tradi­tio­nelle Phil­an­thro­pie beein­flus­sen und ihre Praxis heraus­for­dern. «Die Frage ist, wie sich die beiden Ansätze berei­chern und nicht ableh­nen – und welche neuen dazu­kom­men werden», sagt er. «Man muss aner­ken­nen, dass Venture Phil­an­thropy in Europa schon 15 Jahre alt ist. Persön­lich glaube ich, dass die jungen Gene­ra­tio­nen an Spen­dern und Spen­de­rin­nen bereits dabei sind, das Konzept zu entwi­ckeln, das folgen wird.» 

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

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