Welche Art Projekte fördert der Prototype Fund?
Aus unserer Sicht gibt es gesellschaftliche Probleme, die mit Technologie gelöst werden können. Um solche Anwendungen zu entwickeln, fehlen in der Schweiz die Mittel und Experimentierräume. Gewisse Projekte brauchen einfach eine Anschubfinanzierung. Andere Projekte sind so ausgelegt, dass es unrealistisch ist, zu erwarten, dass sie je selbsttragend werden. Gerade im Demokratiekontext ist es nicht unbedingt erstrebenswert, dass solche Projekte Geld erwirtschaften. Wenn man ein Geschäft darauf aufbauen kann, wird es der Marktlogik gehorchen und der demokratische Prozess dieser untergeordnet.
Der Prototype Fund ist ein Gemeinschaftsprojekt von Opendata.ch mit der Stiftung Mercator Schweiz. Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden?
Im Rahmen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit haben Opendata.ch und Mercator Schweiz die Idee in der Schweiz lanciert. Das Programm Prototype Fund gab es zuvor bereits in Deutschland, wird dort jedoch vom Bund finanziert.
Ist die Zusammenarbeit auf die Fördermittel fokussiert?
Der Prototype Fund ist quasi eine Ministiftung, die von der Stiftung Mercator Schweiz finanziert wird. Es findet aber ein enger Austausch statt. Wir profitieren von ihrem Knowhow. Beispielsweise entspricht die Fördervereinbarung, die der Prototype Fund mit Projektteams trifft, sehr jenen der Stiftung Mercator Schweiz. Sie haben uns strukturell unterstützt. Auch die Teilnehmenden des Prototype Fund-Programm profitieren von der Partnerschaft. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt uns auch in Form von Workshops für unsere Mitarbeitenden etwa zu Themen wie Human Centred Design oder Kommunikation.
Der Prototype Fund hat gerade die dritte Förderrunde abgeschlossen. Fünf Projektteams erhalten insgesamt 500’000 Franken Fördergelder. Sie unterstützen sie mit Coaching und die Teams profitieren von Ihrem Netzwerk. Was brauchen die Projektteams am stärksten?
In der Regel brauchen die Teams Unterstützung auf allen drei Ebenen, Coaching, finanzielle Mittel und Netzwerk. Unser Förderansatz ist menschenzentriert, interdisziplinär, offen und kollaborativ mit einem flexiblen Programm, das sich den Bedürfnissen jeder Kohorte anpasst. Wir unterstützen sie nicht nur finanziell, sondern auch operativ. Die Zusammensetzung der Teams ist für uns dabei sehr wichtig.
Was heisst das?
Diversität ist von grosser Bedeutung: unterschiedliche Hintergründe und Erfahrungen sind ein Schlüssel zum Erfolg. Wir schauen auch auf einen Mix, wie lange die Teams schon zusammenarbeiten: ist es ein bestehender Verein oder haben sich die Teammitglieder erst für die Projekteingabe gefunden. Die Teams werden nicht nur Top-down von uns und unserem Netzwerk oder in Workshops gecoacht, sondern lernen auch voneinander. Dieses Lernen auf Augenhöhe wird sehr geschätzt.
Diversität ist von grosser Bedeutung: unterschiedliche Hintergründe und Erfahrungen sind ein Schlüssel zum Erfolg.
Florin Hasler, Geschäftsführer von Opendata.ch
Diversität kann aber auch herausfordern?
Die Teams haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen. Das macht das Planen von Workshops herausfordernd, sodass sie allen etwas bringen. Wir gestalten die Workshops darum sehr praktisch. Bisher hat dies gut funktioniert, aber wir lernen stets dazu.
Welche Themen bearbeitet Ihr in den Workshops?
Human Centred Design, also für und mit der Zielgruppe Lösungen für reale Probleme entwickeln, ist zentral. Auch Community Building, Kommunikation oder Fundraising sind wichtige Themen. Wir wollen den Projektteams vor allem die Augen öffnen, woran sie denken müssen. Interdisziplinäre Teams haben es da leichter.
Gibt es Kompetenzen, die typischerweise fehlen, bspw. Finanzkompetenz?
Wir wählen in der Regel Teams aus, die breit aufgestellt sind. Viele sind selbständig und haben ein unternehmerisches Know How. Was wir mantraartig predigen und was nicht nur in der Softwareentwicklung extrem wichtig ist: Entwickelt nicht im stillen Kämmerlein und präsentiert am Schluss die fertige Lösung, sondern testet früh und immer wieder eure Ideen mit eurer Zielgruppe. Findet heraus, was sind die Probleme, was die Bedürfnisse und löst euer Projekt diese wirklich. Es ist ein iterativer Prozess.
Wer sind die Zielgruppen. Handelt es sich um Entwickler:innen oder Endnutzer:innen?
Gemeint sind die Endnutzer:innen. Es ist wichtig im System eingebettet zu sein, in dem das Projekt funktionieren soll. Das Projekt Crossroads bspw. ist im Bereich der Interkulturalität an Schulen eingebettet. Das Team arbeitet mit der Pädagogischen Hochschule St. Gallen (PH) zusammen und testet es an Schulen. Die Logik von Lehrmitteln und wie ein Projekt im Schulbereich reüssiert ist sehr herausfordernd und ohne Austausch mit der PH nicht möglich. Das Projekt Demokratis richtet sich an Organisationen im Politikbereich, die sich in der Advocacy engagieren. Seit dem Beginn hat das Projekt bei verschiedenen Vereinen mehrere Feedbackschlaufen durchlaufen. Die Entwicklung ist ein «never ending Loop».
Sie haben in den vergangenen Jahren 160 Projektanträge erhalten und 90 Personen in 13 Projekten gefördert. Hat sich bei diesen Anträgen ein Schwerpunkt herauskristallisiert, ein Problem, das von vielen bearbeitet wird?
In den ersten beiden Jahren lag der inhaltliche Fokus auf Partizipation und Demokratie. Für die dritte Runde haben wir die Förderthemen erweitert. Wir suchten jegliche Open-Source-Projekt für Lösungen gesellschaftlicher Probleme.
Weshalb diese Ausweitung?
Der Prototype Fund ist selbst ein Prototyp. Wir wollen experimentieren. Wir wollten sehen, was es in anderen Bereichen noch gibt. Zudem wollten wir verhindern, dass wir Gefahr laufen, zu wenig Projektideen im Bereich Partizipation und Demokratie zu erhalten. Der dritte Grund ist die Finanzierung. Das Programm «Digitalisierung und Gesellschaft» der Mercator Schweiz wird ab der vierten Runde noch unsere Overhead-Kosten finanzieren, aber die Projekte nicht mehr.
Der Prototype Fund ist selbst ein Prototyp. Wir wollen experimentieren.
Florin Hasler
Sie brauchen neue Fördermittel?
Wenn wir bei den Themen breiter aufgestellt sind, glauben wir, auch einfacher weitere Fördermittelgeber und Stiftungen für unsere Projekte zu finden. Für diese bieten wir die einmalige Chance, dass sie ihre Förderthemen mit einem Technologieansatz, mit offener Innovation und Partizipation verknüpfen können. Wir übernehmen dann die ganze in diesem Kontext mehrfach erprobte Projektbetreuung und sie wissen, dass am Schluss etwas dabei rausschauen wird. Zudem schlägt das Programm die Brücke zwischen der Technologie- und anderen Communities. Von diesem Austausch profitieren dann alle.
Prototype Fund
Der Prototype Fund unterstützt aktuell fünf Projekte. Am Demo Day im Februar haben die fünf Teams ihre Lösungsansätze vorgestellt. Mehr Informationen zu den fünf Projekten Climate Gains, Crossroads, Demokratis, ExoDAO, Bootis gibt es hier.
Mehr Informationen zu Opendata.ch lesen ab morgen in der neuen Ausgabe von The Philanthropist: Datensegen – Datenfluch.