2024 wird für den Recherchefonds der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung ein Rekordjahr: Noch nie seien so viele Gesuche eingereicht und so viele Recherchen unterstützt worden, verkündet Stiftungsratspräsidentin Anita Panzer. Im laufenden Jahr gefördert wurden oder werden unter anderem Recherchen zu einem Chefarzt im Bürgerspital Solothurn, der ein umstrittenes Medizinprogramm vorantrieb («Solothurner Zeitung»), zu Mitarbeitenden der Stadtpolizei Zürich, die in den sozialen Medien mit Symbolen von Rechtsextremen posieren («Tsüri.ch») oder zur Investitionstätigkeit einer Pensionskasse in Zürich (Recherchekollektiv WAV).
Die Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung hatte den beim Netzwerk investigativ.ch angesiedelten Fonds 2019 lanciert, um vertiefte Recherchen im Schweizer Regional- und Lokaljournalismus zu fördern. Zusätzlich wird den Journalist:innen nach Wunsch ein Coach aus dem Investigativ-Netzwerk zur Seite gestellt – ein Angebot, das laut der Stiftungsratspräsidentin ebenfalls dankbar genutzt werde. Die rekordhohe Zahl der Gesuche zeige, dass der Recherchefonds inzwischen bekannt und beliebt sei, meint Panzer: «Dass in der Zwischenzeit auch andere Fonds entstanden sind, etwa der Recherchefonds von Surprise oder JournaFonds, zeigt, dass das Interesse von Medienschaffenden an zeitaufwendigen Recherchen vorhanden ist. Gleichzeitig braucht es aber oft eine zusätzliche Finanzierung, da die Medienhäuser nicht für die gesamte Arbeit aufkommen.» Die weiteren Recherchefonds sieht die Präsidentin nicht als Konkurrenz, im Gegenteil: «Je mehr Recherchen unterstützt werden können, desto mehr tragen wir alle zur Medienvielfalt und zu einem qualitativen Journalismus bei.» Zudem habe jeder Fonds seine eigenen inhaltlichen Kriterien, nach denen er Fördergelder vergebe: «Wir sind überzeugt, dass es den Recherchefonds der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung wegen seiner Ausrichtung auf tiefgehende Recherchen im Lokaljournalismus angesichts der aktuell sehr angespannten Situation der Medien weiterhin braucht», sagt Panzer und spielt damit auf das Sparprogramm an, das Tamedia im August angekündigt hatte. Neben dem Recherchefonds, dem jährlich 25’000 Franken zur Verfügung stehen, vergibt die Stiftung im Rahmen des Medienpreises Aargau/Solothurn jährlich den Preis für die beste Recherche. Zudem finanziert sie jedes Jahr ein Stipendium für den Investigative Summer Course an der Columbia University in New York und unterstützt weitere Projekte im Bereich der Recherche.
Medienversorgung fördern
Bereits 1957 hatten der Solothurner Verleger Gottlieb Vogt und sein Sohn und Nachfolger Hans Vogt die Stiftung ins Leben gerufen, die gemäss ihrem Stiftungszweck die Vogt-Schild AG erhalten sollte. Die Aktien der Gründerfamilie gingen in die Stiftung über, die in der Folge die «Solothurner Zeitung» und das «Grenchner Tagblatt» herausgab und nachdem Vater und Sohn kurz nacheinander verstorben waren den Weiterbestand der Firma sicherte. 2009 wurden die beiden Regionalzeitungen an die AZ-Mediengruppe verkauft. Die Stiftung richtete sich in der Folge neu aus und widmet sich seither der Medienförderung. Ihr Zweck ist es, «eine vielfältige, dem liberalen Gedankengut verpflichtete und regional ausgewogene Medienversorgung im Kanton Solothurn zu fördern. Ausserdem unterstützt sie die berufliche Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten sowie die Forschung und Entwicklung im Bereich der gedruckten, elektronischen, digitalen und anderer Medien.»
Viel Innovationskraft
Im Lauf der Jahre hat die Stiftung ihren Stiftungszweck leicht angepasst. So gehört heute etwa die Verbesserung der Medienkompetenz vor allem von Jugendlichen ebenfalls zu ihren Zielen. Ihr Fokus gilt aber unverändert dem Lokaljournalismus, insbesondere im Kanton Solothurn, und der Förderung der Recherchefähigkeit von Journalist:innen sowie der politischen Berichterstattung zur Stärkung der Demokratie. Denn: «Demokratie funktioniert nicht ohne eine informierte Öffentlichkeit», ist Anita Panzer überzeugt. «Journalist:innen klären auf, informieren, ordnen ein und tragen durch ihre Arbeit zur Meinungsbildung und zur Kontrolle von Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei.» Angesichts der beschränkten Ressourcen, die den Redaktionen zur Verfügung stehen, könnten Stiftungen Anschubquellen für neue Medienprojekte und Geschäftsmodelle sein, die langfristig guten Journalismus ermöglichen, sagt Panzer. Als Beispiel nennt sie den länderübergreifenden Media Forward Fund, der von verschiedenen Stiftungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz initiiert worden ist und in diesem Sommer die erste Förderrunde durchgeführt hat. Obwohl sich die Schweizer Medien zweifellos in einer Krise befinden, blickt die Präsidentin der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung durchaus hoffnungsvoll in die Zukunft: «Wenn ich die Gesuche betrachte, die bei uns eingehen, muss ich sagen: Im Journalismus sind viele kreative Köpfe am Werk, die neue Ideen haben und mit viel Innovationskraft neue Projekte entwickeln. Hier können wir, gerade mit Anschubfinanzierungen, einen kleinen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.»