Mit neuen Ansätzen will Brainforest einen Beitrag zum Erreichen der CO2-Ziele leisten. Sie gingen im Dezember 2019 an den Start. Was waren die schwierigsten Momente?
Susanne Wittig: Drei Monate nach unserer Gründung kam der erste Lockdown. Dies hat insbesondere das Fundraising erschwert. Auch der Teamaufbau online war eine Herausforderung. Mit gezielten online Aktivitäten haben wir dies aber gut gemeistert.
Es beteiligen sich Stiftungen, Private, Family Offices und eine Bank: Was hat die Geldgeber überzeugt?
SW: Unsere Erfahrung, Professionalität und die sehr diverse Zusammensetzung der Teams. Auch die unternehmerische Idee, die für Skalierbarkeit und Geschwindigkeit steht, hat überzeugt, gepaart mit dem «for-impact»/NGO-Ansatz. Dieser steht für die Qualität der Waldprojekte, die sich z.B. durch einen Fokus auf Biodiversität und die Berücksichtigung sozialer Aspekte ausdrückt.

Auch bei der Finanzierung gehen Sie neue Wege?
Leo Caprez: Ja, unser Finanzierungsmodell trifft auf breites Interesse, denn wir haben einen Weg gefunden, Impact Investments mit Spendengeldern als Risikokapital zu verknüpfen.
Was ist der Vorteil, wenn man philanthropisches Kapital und Kapital aus Impact Investments kombiniert?
LC: Brainforest kann philanthropisches Kapital als Risikokapital nutzen. Das macht die Investition in die «Impact-first» Ventures attraktiver und zieht mehr Impact Investments für eine exponentiell gesteigerte Wirkung der Ventures an. Um neue Wege in den Anstrengungen gegen den Klimawandel zu gehen, müssen wir den Mut haben, zu experimentieren. Regenerative Geschäftsmodelle, beispielsweise, sind jedoch oft forschungsintensiv und für klassische Investoren unattraktiv. Dennoch brauchen wir sie!
Was Brainforest als Venture Studio bietet, ist aus einer Idee ein Geschäftsmodell zu entwickeln und dieses auszugründen. Als steuerbefreiter Verein sind wir finanziert durch Spendengelder und Rückflüsse aus den Ventures.
Und dann folgt die Abgrenzung?
SW: Genau. Nach der Gründung der Ventures fliesst Investment Kapital in die unabhängigen for-impact Ventures.
Persönliches Interesse am Thema und Risikobereitschaft spielen eine massgebliche Rolle.
Susanne Wittig, Mitgründerin Brainforest
Wer ist die Zielgruppe. Wer investiert in solche Ventures, resp. Start-ups?
SW: Erste Erfahrungen zeigen, dass es sich primär um Unternehmerfamilien und Stiftungen handelt, bei denen die Familienmitglieder, Unternehmerinnen, Stifter oder Mitglieder der nächsten Generation im Entscheidungsprozess involviert sind. Persönliches Interesse am Thema und Risikobereitschaft spielen eine massgebliche Rolle. Auch eine europäische Nachhaltigkeitsbank gehört zu unseren Geldgebern. Ermöglicht wurde Brainforest aber überhaupt erst vom Migros Pionierfonds, unserem ersten Unterstützer.
Wie sieht es mit Transparenz und mit der Qualität der Projekte aus.
SW: Unsere Ventures verpflichten sich zur B‑Corp Zertifizierung. Diese wiederum verpflichtet zu Transparenz und hohen Governance Standards. Ausserdem haben wir selbst ein sehr anspruchsvolles Board mit Mitgliedern wie Thomas Vellacott, CEO des WWF Schweiz, Prof. Dr. Jaboury Gazoul, Chair für Ökosystemmanagement an der ETH Zürich und Simona Scarpaleggia, ehem. CEO von IKEA Schweiz und Board Member von EDGE Certification.
Wie bleibt Brainforest in der Verantwortung?
SW: Mindestens ein Geschäftsführungsmitglied von Brainforest ist im strategischen Gremium der Ventures vertreten. Brainforest hält Anteile an den Ventures. So behalten wir einen gewissen Einfluss auf deren Mission und Strategie.

Die Erde ist in einer Situation, bei welcher es sehr schnell gehen muss, der Handlungsbedarf ist dringend. Sie denken gross. Wie gehen Sie vor, dass das Geld rasch fliessen wird?
LC: Wir setzen auf Hebelwirkung und Kollaboration: Auf die Hebelwirkung von philanthropischem Geld als Risikokapital, um ein Vielfaches davon an Impact Investments für natürliche Klimalösungen anzuziehen. Auf der Suche nach echten Gamechangern gehen wir bei der Entwicklung der Lösungen systemisch vor. So trägt jedes Venture auf unterschiedliche Weise dazu bei, dass mehr Wald mit all seinen Ökosystemleistungen entsteht. Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Ventures – wir nennen es das Brainforest Ökosystem – entsteht ein zusätzlicher Hebeleffekt.
Aktuell verfolgen Sie zwei Ansätze?
LC: Ja, Xilva ist einer davon. Es soll ein globaler Marktplatz, eine IT-Plattform entstehen, die möglichen Kapitalgebern und Kapitalgeber innen eine transparente, einfache und innovative Lösung bietet, um in Waldprojekte zu investieren.
Und das zweite Projekt?
SW: In der zweiten Organisation wird ein digitaler Wald-Klimastandard entwickelt. Dazu wurde die Ecosystem Value Association (EVA) gegründet. Ihr Ziel ist es, Standards für die Bewertung von Ökosystemleistungen zu entwickeln, um diese sichtbar zu machen und ihre Inwertsetzung zu ermöglichen – das heisst, wirtschaftliche Anreize zur Bekämpfung des Klimawandels zu setzen.
Weshalb dieser Ansatz?
SW: In den bisherigen Modellen für den Handel mit CO2-Emissionsrechten wird der Beitrag der Wälder und der Waldwirtschaft wenig berücksichtigt. Die Grundlage für eine realistische ökologische und ökonomische Bewertung der Bedeutung der Wälder für den Klimaschutz sind belastbare Zahlen und Fakten. Nur dann ist ein echter, ökonomischer Anreiz für die Waldeigentümer vorhanden, um sich für den Wald als Öko-Dienstleister und die CO2-Senkung finanziell zu engagieren. Der Wald-Klimastandard basiert auf einer Best Practice Analyse etablierter und weltweit anerkannter Standards. Um einen qualitativ hochwertigen Standard zu entwickeln, werden diese Themen mit führenden Vertretern und Vertreter innen verschiedener Interessensgruppen, bspw. Öffentlichkeit (Politik, NGO) Markt, Wissenschaft & Technik und Wald, im Rahmen eines Multi-Stakeholder-Dialogs diskutiert. Der von EVA hierfür initiierte Wald-Klimarat – ergänzt durch öffentliche Konsultationen – wird die finalen Prinzipien für den Standard festlegen.
Wir wollen für hochwertige CO2-Zertifikate und qualitative Projekte sorgen.
Leo Caprez, Mitgründer Brainforest
Weshalb setzen Sie auf den CO2-Markt?
LC: Zur Erreichung der Pariser Ziele brauchen wir in erster Linie die Reduktion von Emissionen, aber auch Kompensation, wo nicht oder noch nicht anders möglich. Der Bedarf ist aktuell riesig. Die Gefahr von Missbrauch ist hoch. Wir wollen für hochwertige CO2-Zertifikate und qualitative Projekte sorgen. Dabei ist der Fokus auf CO2 ausdrücklich nur der Anfang. Im Zentrum steht der Wald mit all seinen Ökosystemleistungen. Xilva ist ein globaler Marktplatz für Wald. EVA hat das Ziel, die Ökosystemleistungen von Wald in Wert zu setzen.
Es gibt den Vorwurf, CO2-Märkte schaden der ganzen Sache. Es brauche vor allem Geld für die Menschen vor Ort, um deren Bestrebungen zu unterstützen.
LC: Genau das ist das Ziel: Den Menschen vor Ort über CO2-Zertifikate und dem Zugang zum CO2-Markt zusätzliche Einnahmequellen zur Verfügung zu stellen und damit einen Anreiz zu schaffen, Wald wiederaufzuforsten, zu erhalten und nachhaltig zu bewirtschaften.