Vor einem Jahr hat der Kanton Zürich die Praxis zur Steuerbefreiung von Stiftungen angepasst. Der 7. Stiftungsrechtstag an der Universität Zürich nutzte die Gelegenheit, die Entwicklungen aufzugreifen und einzuordnen. Fast 300 Teilnehmende füllten die Aula der Universität Zürich. Die Referen:tinnen zeichneten das Bild eines dynamischen Sektors, wenn die verschiedenen Akteure den Spielraum nutzen. Einleitend legte Georg von Schnurbein, Professor am Center for Philanthropy Studies CEPS in Basel, die Kennzahlen des Sektors dar. Die Liquidationen haben im vergangenen Jahr mit 268 einen Höchstwert erreicht. Neugründungen gab 298 es schweizweit etwas mehr. Liquidationen seien notwendig, sagte von Schnurbein. «Die Konsolidierung ist wichtig, damit sich der Stiftungssektor an der gesellschaftlichen Entwicklung orientieren kann.»
Neue Praxis in bestehendem gesetzlichen Rahmen
Den Paradigmenwechsel in der Steuerbefreiung von Stiftungen im Kanton Zürich ordnete die Professorin für Steuerrecht an der Universität Luzern Andrea Opel ein. Sie betonte, dass diese Änderungen der Steuerpraxis innerhalb des bestehenden Rechts vorgenommen wurde. Sie wies darauf hin, dass gerade die in der alten Praxis geforderte Ehrenamtlichkeit der Mitglieder des Stiftungsrates keine gesetzliche Grundlage habe. «Das ‹Opfer› ist nicht von den Stiftungsräten, sondern vom Stifter eingefordert», sagte sie. Es sei auch nicht begründbar, weshalb die Ehrenamtlichkeit von den Stiftungsrät:innen eingefordert werden sollte, nicht aber von den anderen Organen. Eine solche Erfordernis stehe zudem der Professionalisierung entgegen. Eine Umfrage bei allen Kantonen hat ergeben, dass die Praxis bei der Honorierung uneinheitlich bleibt.
Doch es zeigt sich eine Tendenz, vom «Ehrenamtlichkeitsdogma» abzurücken. Andere Kantone folgen dem Vorbild von Zürich, mit Abstufungen: Einige lassen eine moderate Entschädigung zu, andere wie Zürich eine angemessene. Auch der in der alten Praxis geforderte Inlandbezug bei internationalen Tätigkeiten habe keine gesetzliche Verankerung, führte Opel aus. Im Gegenteil: Im Gesetzgebungsprozess sei dieser explizit verworfen worden. Mit der neuen Praxis werden Tätigkeiten im Inland und im Ausland grundsätzlich mit dem gleichen Massstab gemessen. Andrea Opel blickte auch auf die generelle Dynamik, welche die Initiative von Zürich in die Stiftungslandschaft gebracht hat. Opel wies auf Projekte in anderen Kantone wie Luzern, St. Gallen, Genf und Tessin hin sowie auf politische Vorstösse in Luzern und Basel. Ausserdem blickte sie auf Liechtenstein: Das Fürstentum hat die Zürcher Praxis faktisch letzten Sommer übernommen.
Eine dynamisches Stiftungsverständnis
Dominique Jakob, Leiter des Stiftungsrechtstags und des Zentrums für Stiftungsrecht, Universität Zürich, sprach ausgehend von der Zürcher Standortinitiative über notwendige Weiterentwicklungen und eine zeitgemässes Aufsichtsrecht. Er freute sich, dass auch zahlreiche Vertreter:innen aus den Behörden anwesend waren. «Damit Stiftungen ihr volles Potenzial entfalten können, müssen sie sich den dynamischen Zeiten anpassen können», sagte Jakob. Im Umfeld einer volatilen Weltlage mit zahlreichen Krisen habe sich die Rolle der Stiftungen verändert. Stiftungen würden aktiv an den globalen Transformationsprozessen teilnehmen. Der Fokus sei heute auf die Wirkung gerichtet.
Vor dem Hintergrund der starren Rechtsform sprach er sich für ein dynamisches Stiftungsverständnis aus. «Vollzug des ursprünglichen Stifterwillens bedeutet, nicht die Mumifizierung eines historischen Wortlauts, sondern den Kernvorstellungen des Stifters in einer zeitgemässen Ausprägung die stets grösstmögliche Wirksamkeit zu verleihen», sagte er. Eine Weiterentwicklung der Stiftung bedeute für den Stiftungsrat, das Ermessen richtig auszulegen. Den Wortlaut müsse er in den historischen Kontext stellen. Man müsse den hypothetischen Stifterwillen ermitteln und eruieren, was er gewollt hätte, wenn er die heutigen Umstände gekannt hätte. Dabei unterschied er, was möglich ist innerhalb der bestehenden Statuten und wann eine Änderung notwendig ist. Weiterentwicklung von Stiftungen sei eine Notwendigkeit für eine aktives und modernes Stiftungswesen. Er forderte: «Gesetzliche Spielräume sollten zugunsten von Stiftungen gehandhabt werden, nicht gegen sie.»
Politische Vorstösse
Auch zwei aktuellen politischen Vorstösse widmete sich der Stiftungsrechtstag. Rechtsanwalt Thomas Sprecher, Konsulent bei Niederer Kraft Frey AG, legte die aktuelle Situation beim Transparenzregister dar. Insbesondere der Druck aus dem Ausland im Kampf gegen Geldwäscherei führte dazu, dass der Bundesrat eine entsprechende Gesetzesvorlage erarbeitet hat. Sprecher bezeichnete es als Bürokratiemonster, dass vor allem Aufwand verursacht und dessen Wirkung fragwürdig sei. Insbesondere kritisierte er, dass die Vorlage des Bundesrates auch die Stiftungen einschliesse. Das Transparenzregister soll die wirtschaftlich Berechtigten einer Organisation auflisten. In seinen Ausführungen legte Sprecher dar, dass es bei einer Stiftung keine wirtschaftlich Berechtigten gebe. Deswegen subsidiäre den oder die Stiftungsratspräsident:in einzutragen, mache keinen Sinn. Dennoch: Das Transparenzregister dürfte kommen. Ob die Stiftungen betroffen sein werden ist allerdings noch offen. Der Ständerat hat in seinen Beratungen die Stiftungen von der Pflicht ausgenommen. Wie sich diese Regelung im weiteren Gesetzgebungsprozess entwickeln wird, wird sich zeigen.
Im Kampf gegen die Geldwäscherei ist auch eine Revision des Geldwäschereigesetzes geplant. Mit dieser könnten weitere Pflichten auf Berater:innen von Stiftungen zukommen. Damit seien nicht nur Juristen gemeint. Thomas Sprecher führte aus, weshalb Stiftungen denkbar ungeeignet sind für Geldwäscherei.
Das zweite politische Geschäft betraf die Familienstiftungen. Ständerat Thierry Burkart, der mit seiner Motion zur Stärkung der Familienstiftungen und zur Aufhebung des Verbots von Unterhaltsstiftungen das Thema vor einem Jahr ins Rollen brachte, sprach zur Funktion der Familienstiftung in der Weitergabe von geschaffenen Werten. Lukas Brugger, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Universität Zürich führte zudem die rechtlichen Modelle für eine zeitgemässe Familienstiftung aus. Die Motion Burkart sieht er als Möglichkeit, das Modell der Familienstiftung neu zu denken. Er sprach sich dafür aus, das Bestehende anzupassen statt ganz neu zu denken. Es soll ein geeignetes Mittel zur Nachlassplanung sein und keine Konkurrenz zum Sektor der gemeinnützigen Stiftungen. Eine Mehrheit der Anwesenden sprach sich in einer im Saal durchgeführten Umfrage dafür aus, das Unterhaltsverbot bei Familienstiftungen zu streichen. Wie lange der politische Prozess dauern wird, ist offen. Thierry Burkart sagte, entscheidend werde sein, wie stark das Thema politisiert werde und ob deswegen ein Referendum drohe.
Blick über die Grenzen
In Podiumsdiskussionen vertieften Expert:innen die Themen. Mit Beiträgen zum Thema Steward Ownership bot der Zürcher Stiftungsrechtstag einen Blick über die Grenze. Die Inputs inspirierten und zeigten, wie in Deutschland, Niederlande und Dänemark mit den Themen umgegangen wird und welche Rolle Stiftungen dabei spielen.