Professor Dominique Jakob, Tagungsleiter des Zürcher Stiftungsrechtstag und Leiter des Zentrums für Stiftungsrecht, Universität Zürich, Bild: zVg

Den Spiel­raum für einen dyna­mi­schen Sektor nutzen

Der 7. Zürcher Stiftungsrechtstag befasste sich mit der Zürcher Initiative für den Stiftungsstandort und der Wirkung für die Stiftungslandschaft in der Schweiz. Ausserdem beleuchtete er politische und rechtliche Entwicklungen auf. Die Beiträge zeichneten das Bild eines Sektors und wie er dynamisch auf die gesellschaftlichen Herausforderungen reagieren kann.

Vor einem Jahr hat der Kanton Zürich die Praxis zur Steu­er­be­frei­ung von Stif­tun­gen ange­passt. Der 7. Stif­tungs­rechts­tag an der Univer­si­tät Zürich nutzte die Gele­gen­heit, die Entwick­lun­gen aufzu­grei­fen und einzu­ord­nen. Fast 300 Teil­neh­mende füll­ten die Aula der Univer­si­tät Zürich. Die Referen:tinnen zeich­ne­ten das Bild eines dyna­mi­schen Sektors, wenn die verschie­de­nen Akteure den Spiel­raum nutzen. Einlei­tend legte Georg von Schnur­bein, Profes­sor am Center for Phil­an­thropy Studies CEPS in Basel, die Kenn­zah­len des Sektors dar. Die Liqui­da­tio­nen haben im vergan­ge­nen Jahr mit 268 einen Höchst­wert erreicht. Neugrün­dun­gen gab 298 es schweiz­weit etwas mehr. Liqui­da­tio­nen seien notwen­dig, sagte von Schnur­bein. «Die Konso­li­die­rung ist wich­tig, damit sich der Stif­tungs­sek­tor an der gesell­schaft­li­chen Entwick­lung orien­tie­ren kann.»

Profes­sor Georg von Schnur­bein, Direk­tor des Center for Phil­an­thropy Studies (CEPS), Sandra Salis, Leite­rin Klas­si­sche Stif­tun­gen, BVG- und Stif­tungs­auf­sicht des Kantons Zürich (BVS), Zürich und Matthias Inauen Leiter Firmen­an­sied­lun­gen, Stand­ort­för­de­rung des Kantons Zürich (v. L.), Bild: zVg

Neue Praxis in bestehen­dem gesetz­li­chen Rahmen

Den Para­dig­men­wech­sel in der Steu­er­be­frei­ung von Stif­tun­gen im Kanton Zürich ordnete die Profes­so­rin für Steu­er­recht an der Univer­si­tät Luzern Andrea Opel ein. Sie betonte, dass diese Ände­run­gen der Steu­er­pra­xis inner­halb des bestehen­den Rechts vorge­nom­men wurde. Sie wies darauf hin, dass gerade die in der alten Praxis gefor­derte Ehren­amt­lich­keit der Mitglie­der des Stif­tungs­ra­tes keine gesetz­li­che Grund­lage habe. «Das ‹Opfer› ist nicht von den Stif­tungs­rä­ten, sondern vom Stif­ter einge­for­dert», sagte sie. Es sei auch nicht begründ­bar, weshalb die Ehren­amt­lich­keit von den Stiftungsrät:innen einge­for­dert werden sollte, nicht aber von den ande­ren Orga­nen. Eine solche Erfor­der­nis stehe zudem der Profes­sio­na­li­sie­rung entge­gen. Eine Umfrage bei allen Kanto­nen hat erge­ben, dass die Praxis bei der Hono­rie­rung unein­heit­lich bleibt. 

Doch es zeigt sich eine Tendenz, vom «Ehren­amt­lich­keits­dogma» abzu­rü­cken. Andere Kantone folgen dem Vorbild von Zürich, mit Abstu­fun­gen: Einige lassen eine mode­rate Entschä­di­gung zu, andere wie Zürich eine ange­mes­sene. Auch der in der alten Praxis gefor­derte Inland­be­zug bei inter­na­tio­na­len Tätig­kei­ten habe keine gesetz­li­che Veran­ke­rung, führte Opel aus. Im Gegen­teil: Im Gesetz­ge­bungs­pro­zess sei dieser expli­zit verwor­fen worden. Mit der neuen Praxis werden Tätig­kei­ten im Inland und im Ausland grund­sätz­lich mit dem glei­chen Mass­stab gemes­sen. Andrea Opel blickte auch auf die gene­relle Dyna­mik, welche die Initia­tive von Zürich in die Stif­tungs­land­schaft gebracht hat. Opel wies auf Projekte in ande­ren Kantone wie Luzern, St. Gallen, Genf und Tessin hin sowie auf poli­ti­sche Vorstösse in Luzern und Basel. Ausser­dem blickte sie auf Liech­ten­stein: Das Fürs­ten­tum hat die Zürcher Praxis faktisch letz­ten Sommer übernommen. 

Eine dyna­mi­sches Stiftungsverständnis 

Domi­ni­que Jakob, Leiter des Stif­tungs­rechts­tags und des Zentrums für Stif­tungs­recht, Univer­si­tät Zürich, sprach ausge­hend von der Zürcher Stand­ort­in­itia­tive über notwen­dige Weiter­ent­wick­lun­gen und eine zeit­ge­mäs­ses Aufsichts­recht. Er freute sich, dass auch zahl­rei­che Vertreter:innen aus den Behör­den anwe­send waren. «Damit Stif­tun­gen ihr volles Poten­zial entfal­ten können, müssen sie sich den dyna­mi­schen Zeiten anpas­sen können», sagte Jakob. Im Umfeld einer vola­ti­len Welt­lage mit zahl­rei­chen Krisen habe sich die Rolle der Stif­tun­gen verän­dert. Stif­tun­gen würden aktiv an den globa­len Trans­for­ma­ti­ons­pro­zes­sen teil­neh­men. Der Fokus sei heute auf die Wirkung gerichtet. 

Vor dem Hinter­grund der star­ren Rechts­form sprach er sich für ein dyna­mi­sches Stif­tungs­ver­ständ­nis aus. «Voll­zug des ursprüng­li­chen Stif­ter­wil­lens bedeu­tet, nicht die Mumi­fi­zie­rung eines histo­ri­schen Wort­lauts, sondern den Kern­vor­stel­lun­gen des Stif­ters in einer zeit­ge­mäs­sen Ausprä­gung die stets grösst­mög­li­che Wirk­sam­keit zu verlei­hen», sagte er. Eine Weiter­ent­wick­lung der Stif­tung bedeute für den Stif­tungs­rat, das Ermes­sen rich­tig auszu­le­gen. Den Wort­laut müsse er in den histo­ri­schen Kontext stel­len. Man müsse den hypo­the­ti­schen Stif­ter­wil­len ermit­teln und eruie­ren, was er gewollt hätte, wenn er die heuti­gen Umstände gekannt hätte. Dabei unter­schied er, was möglich ist inner­halb der bestehen­den Statu­ten und wann eine Ände­rung notwen­dig ist. Weiter­ent­wick­lung von Stif­tun­gen sei eine Notwen­dig­keit für eine akti­ves und moder­nes Stif­tungs­we­sen. Er forderte: «Gesetz­li­che Spiel­räume soll­ten zuguns­ten von Stif­tun­gen gehand­habt werden, nicht gegen sie.»

Poli­ti­sche Vorstösse

Auch zwei aktu­el­len poli­ti­schen Vorstösse widmete sich der Stif­tungs­rechts­tag. Rechts­an­walt Thomas Spre­cher, Konsu­lent bei Niede­rer Kraft Frey AG, legte die aktu­elle Situa­tion beim Trans­pa­renz­re­gis­ter dar. Insbe­son­dere der Druck aus dem Ausland im Kampf gegen Geld­wä­sche­rei führte dazu, dass der Bundes­rat eine entspre­chende Geset­zes­vor­lage erar­bei­tet hat. Spre­cher bezeich­nete es als Büro­kra­tie­mons­ter, dass vor allem Aufwand verur­sacht und dessen Wirkung frag­wür­dig sei. Insbe­son­dere kriti­sierte er, dass die Vorlage des Bundes­ra­tes auch die Stif­tun­gen einschliesse. Das Trans­pa­renz­re­gis­ter soll die wirt­schaft­lich Berech­tig­ten einer Orga­ni­sa­tion auflis­ten. In seinen Ausfüh­run­gen legte Spre­cher dar, dass es bei einer Stif­tung keine wirt­schaft­lich Berech­tig­ten gebe. Deswe­gen subsi­diäre den oder die Stiftungsratspräsident:in einzu­tra­gen, mache keinen Sinn. Dennoch: Das Trans­pa­renz­re­gis­ter dürfte kommen. Ob die Stif­tun­gen betrof­fen sein werden ist aller­dings noch offen. Der Stän­de­rat hat in seinen Bera­tun­gen die Stif­tun­gen von der Pflicht ausge­nom­men. Wie sich diese Rege­lung im weite­ren Gesetz­ge­bungs­pro­zess entwi­ckeln wird, wird sich zeigen. 

Im Kampf gegen die Geld­wä­sche­rei ist auch eine Revi­sion des Geld­wä­sche­rei­ge­set­zes geplant. Mit dieser könn­ten weitere Pflich­ten auf Berater:innen von Stif­tun­gen zukom­men. Damit seien nicht nur Juris­ten gemeint. Thomas Spre­cher führte aus, weshalb Stif­tun­gen denk­bar unge­eig­net sind für Geldwäscherei. 

Domi­ni­que Jakob, Leiter des Zentrums für Stif­tungs­recht, Univer­si­tät Zürich, Thierry Burkart, Stän­de­rat und Präsi­dent der FDP, und Michael Schaep­man, Rektor der Univer­si­tät Zürich (v.l.), Bild: zVg

Das zweite poli­ti­sche Geschäft betraf die Fami­li­en­stif­tun­gen. Stän­de­rat Thierry Burkart, der mit seiner Motion zur Stär­kung der Fami­li­en­stif­tun­gen und zur Aufhe­bung des Verbots von Unter­halts­stif­tun­gen das Thema vor einem Jahr ins Rollen brachte, sprach zur Funk­tion der Fami­li­en­stif­tung in der Weiter­gabe von geschaf­fe­nen Werten. Lukas Brug­ger, Rechts­an­walt und Lehr­be­auf­trag­ter an der Univer­si­tät Zürich führte zudem die recht­li­chen Modelle für eine zeit­ge­mässe Fami­li­en­stif­tung aus. Die Motion Burkart sieht er als Möglich­keit, das Modell der Fami­li­en­stif­tung neu zu denken. Er sprach sich dafür aus, das Bestehende anzu­pas­sen statt ganz neu zu denken. Es soll ein geeig­ne­tes Mittel zur Nach­lass­pla­nung sein und keine Konkur­renz zum Sektor der gemein­nüt­zi­gen Stif­tun­gen. Eine Mehr­heit der Anwe­sen­den sprach sich in einer im Saal durch­ge­führ­ten Umfrage dafür aus, das Unter­halts­ver­bot bei Fami­li­en­stif­tun­gen zu strei­chen. Wie lange der poli­ti­sche Prozess dauern wird, ist offen. Thierry Burkart sagte, entschei­dend werde sein, wie stark das Thema poli­ti­siert werde und ob deswe­gen ein Refe­ren­dum drohe.

Blick über die Grenzen

In Podi­ums­dis­kus­sio­nen vertief­ten Expert:innen die Themen. Mit Beiträ­gen zum Thema Steward Owner­ship bot der Zürcher Stif­tungs­rechts­tag einen Blick über die Grenze. Die Inputs inspi­rier­ten und zeig­ten, wie in Deutsch­land, Nieder­lande und Däne­mark mit den Themen umge­gan­gen wird und welche Rolle Stif­tun­gen dabei spielen.


Mehr Infor­ma­tio­nen zum 7. Zürcher Stiftungsrechtstag

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

Folgen Sie StiftungSchweiz auf

-
-