Daniel Graf, digitaler Demokrat, Bild: Herbert Zimmermann

«Demo­kra­tie lebt vom Enga­ge­ment und muss aktiv geför­dert werden»

Die Demokratie-Plattform WeCollect kommuniziert ihre Finanzlage offen: Bis Ende Jahr fehlen 250'000 Franken. Gründer Daniel Graf sagt, wie sie das Geld sammeln wollen und eine nachhaltige Finanzierung anstreben, weshalb die Plattform wichtig ist für die Demokratie und wie der Skandal um gefälschte Unterschriften die freiwilligen Sammler:innen trifft.

Von 2021 auf 2023 hat sich das Volu­men an Einzel­spen­den prak­tisch halbiert. Sind klare Ursa­chen erkennbar?

Zunächst haben wir mit der Platt­form WeColl­ect die Heraus­for­de­rung, eine Art Demo­kra­tie-Infra­struk­tur mit Spen­den zu finan­zie­ren. Das macht es schwie­ri­ger, als beispiels­weise Spen­den für konkrete Initia­ti­ven oder Refe­ren­ten zu erhal­ten. Aufgrund unse­rer Ressour­cen setzen wir auf Online-Spen­den. Der Wett­be­werb hat hier stark zuge­nom­men, das ist für uns als klei­nes Team spür­bar. Denn immer mehr Orga­ni­sa­tio­nen und Parteien sind auf digi­ta­len Kanä­len präsent und inves­tie­ren verstärkt in Online-Fundraising. 

Der Aufwand für Unter­schrif­ten­samm­lun­gen wächst weiter.

Daniel Graf, Grün­der der Online-Platt­form WeCollect

Wie hat sich die Nach­frage nach dem Ange­bot von WeColl­ect entwickelt?

Die Nach­frage ist gestie­gen. Denn der Aufwand für Unter­schrif­ten­samm­lun­gen wächst weiter – auf der Strasse genauso wie im Inter­net. Beson­ders kleine Orga­ni­sa­tio­nen sind auf Unter­stüt­zung ange­wie­sen. WeColl­ect über­nimmt für die Unter­schrif­ten­bö­gen die Porto­kos­ten, was eine Entlas­tung ist. Noch wich­ti­ger: Wir bera­ten Initia­ti­ven und Refe­ren­den vor dem Start, damit sie möglichst effi­zi­ent sammeln können.

Welche Aktio­nen von WeColl­ect haben beson­ders erfolg­reich funktioniert? 

Wir sind gut im Sprint und im Mara­thon. Bei Refe­ren­den – wie dem E‑ID-Refe­ren­dum – ist der Zeit­druck immer enorm: Es blei­ben nur 100 Tage für 50’000 Unter­schrif­ten. Hier können wir dank unse­rer Commu­nity, aktu­ell rund 150’000 Menschen, Projekte oft in letz­ter Minute ins Ziel brin­gen. Volks­in­itia­ti­ven dage­gen brau­chen lange Vorbe­rei­tun­gen, oft mit Kosten von 100’000 Fran­ken und mehr. Kleine Netz­werke oder Einzel­per­so­nen können das nicht stem­men. WeColl­ect und die Stif­tung für direkte Demo­kra­tie helfen hier, etwa bei der Inklu­si­ons-Initia­tive, mit Stra­te­gie­hilfe und einer Anschubfinanzierung.

In den vergan­ge­nen Wochen wurde die Schweiz von einem Skan­dal um gefälschte Unter­schrif­ten getrof­fen. Hatte das auch Auswir­kun­gen auf WeCollect?

Ja, das hat alle getrof­fen, die mit Frei­wil­li­gen Unter­schrif­ten sammeln. Viele Menschen sind verun­si­chert und zöger­lich, wenn sie für eine Unter­schrift ange­spro­chen werden. Enga­gierte Bürger:innen, die auf der Strasse oder bei Veran­stal­tun­gen sammeln, bekom­men weni­ger Unter­schrif­ten als früher und müssen sich oft anhö­ren: «Wie viel verdienst du an meiner Unter­schrift?» Das ist frus­trie­rend. Ich mache mir Sorgen, dass die Betrü­ge­reien im gros­sen Stil wie die boomen­den kommer­zi­el­len Sammel­fir­men das frei­wil­lige Enga­ge­ment für die direkte Demo­kra­tie nach­hal­tig schädigen.

Manche unter­schrei­ben auf WeColl­ect das erste Mal eine Initia­tive oder ein Referendum.

Daniel Graf

Die Entwick­lun­gen in verschie­de­nen Ländern zeigen, dass Demo­kra­tie keine Selbst­ver­ständ­lich­keit ist. Wie kann WeColl­ect zur Stär­kung der direk­ten Demo­kra­tie in der Schweiz beitragen?

WeColl­ect gibt gerade klei­nen Netz­wer­ken die Chance, ihre Themen auf die poli­ti­sche Agenda zu setzen. Gleich­zei­tig ermu­ti­gen wir Menschen, sich aktiv zu enga­gie­ren. Manche unter­schrei­ben auf WeColl­ect das erste Mal eine Initia­tive oder ein Refe­ren­dum, weil sie vorher nie gefragt wurden. Dazu gelingt es uns oft, dass Nutzer:innen von WeColl­ect nicht nur für sich selbst unter­zeich­nen, sondern den Freun­des­kreis und die Nach­bar­schaft moti­vie­ren, auch mitzu­ma­chen. Das zeigt: Demo­kra­tie lebt vom Enga­ge­ment und muss aktiv geför­dert werden.

Mit dem Stif­tungs­rat der Stif­tung für direkte Demo­kra­tie arbei­ten Sie an einem Rettungs­plan für WeColl­ect. Können Sie sagen, wo Sie stehen und was es braucht, damit der Plan gelingt?

Wir star­ten am Sonn­tag eine Spen­den­kam­pa­gne. Uns fehlen bis Ende des Jahres 250’000 Fran­ken, um den Betrieb für die nächs­ten sechs Monate zu sichern und WeColl­ect wieder auf stabile Beine zu stel­len. Wir gehen dabei offen mit unse­rer Finanz­lage um und setzen auf die Unter­stüt­zung der WeColl­ect-Commu­nity, die uns schon in den letz­ten Jahren unter­stützt hat. Und klar: Die Span­nung steigt, je näher der Kampa­gnen­start rückt. Es bleibt abzu­war­ten, ob wir recht­zei­tig die nötige Unter­stüt­zung erhal­ten. Wenn das gelingt, stre­ben wir in einem nächs­ten Schritt eine nach­hal­ti­gere Finan­zie­rung an und wollen unsere Mittel­be­schaf­fung diversifizieren. 


Einsatz für die direkte Demokratie

WeColl­ect wurde 2015 gegrün­det. Die Civic-Tech-Platt­form unter­stützt Initia­ti­ven und Refe­ren­den. Seit dem Start wurden 800’000 Unter­schrif­ten für 102 Initia­ti­ven und Refe­ren­den gesam­melt. Dazu gehört bspw. die Inklu­si­ons­in­itia­tive, deren Zustan­de­kom­men die Bundes­kanz­lei diese Woche bestä­tigt hat. 2019 hat der Grün­der der Platt­form Daniel Graf WeColl­ect an die Stif­tung für direkte Demo­kra­tie. So wird die poli­ti­sche Unab­hän­gig­keit gesi­chert. Die Stif­tung bietet als erste Crowd-Stif­tung der Schweiz Unter­stüt­zung und Start­hilfe für Volks­in­itia­ti­ven und Refe­ren­den aus der Zivilgesellschaft. 

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

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