Von 2021 auf 2023 hat sich das Volumen an Einzelspenden praktisch halbiert. Sind klare Ursachen erkennbar?
Zunächst haben wir mit der Plattform WeCollect die Herausforderung, eine Art Demokratie-Infrastruktur mit Spenden zu finanzieren. Das macht es schwieriger, als beispielsweise Spenden für konkrete Initiativen oder Referenten zu erhalten. Aufgrund unserer Ressourcen setzen wir auf Online-Spenden. Der Wettbewerb hat hier stark zugenommen, das ist für uns als kleines Team spürbar. Denn immer mehr Organisationen und Parteien sind auf digitalen Kanälen präsent und investieren verstärkt in Online-Fundraising.
Der Aufwand für Unterschriftensammlungen wächst weiter.
Daniel Graf, Gründer der Online-Plattform WeCollect
Wie hat sich die Nachfrage nach dem Angebot von WeCollect entwickelt?
Die Nachfrage ist gestiegen. Denn der Aufwand für Unterschriftensammlungen wächst weiter – auf der Strasse genauso wie im Internet. Besonders kleine Organisationen sind auf Unterstützung angewiesen. WeCollect übernimmt für die Unterschriftenbögen die Portokosten, was eine Entlastung ist. Noch wichtiger: Wir beraten Initiativen und Referenden vor dem Start, damit sie möglichst effizient sammeln können.
Welche Aktionen von WeCollect haben besonders erfolgreich funktioniert?
Wir sind gut im Sprint und im Marathon. Bei Referenden – wie dem E‑ID-Referendum – ist der Zeitdruck immer enorm: Es bleiben nur 100 Tage für 50’000 Unterschriften. Hier können wir dank unserer Community, aktuell rund 150’000 Menschen, Projekte oft in letzter Minute ins Ziel bringen. Volksinitiativen dagegen brauchen lange Vorbereitungen, oft mit Kosten von 100’000 Franken und mehr. Kleine Netzwerke oder Einzelpersonen können das nicht stemmen. WeCollect und die Stiftung für direkte Demokratie helfen hier, etwa bei der Inklusions-Initiative, mit Strategiehilfe und einer Anschubfinanzierung.
In den vergangenen Wochen wurde die Schweiz von einem Skandal um gefälschte Unterschriften getroffen. Hatte das auch Auswirkungen auf WeCollect?
Ja, das hat alle getroffen, die mit Freiwilligen Unterschriften sammeln. Viele Menschen sind verunsichert und zögerlich, wenn sie für eine Unterschrift angesprochen werden. Engagierte Bürger:innen, die auf der Strasse oder bei Veranstaltungen sammeln, bekommen weniger Unterschriften als früher und müssen sich oft anhören: «Wie viel verdienst du an meiner Unterschrift?» Das ist frustrierend. Ich mache mir Sorgen, dass die Betrügereien im grossen Stil wie die boomenden kommerziellen Sammelfirmen das freiwillige Engagement für die direkte Demokratie nachhaltig schädigen.
Manche unterschreiben auf WeCollect das erste Mal eine Initiative oder ein Referendum.
Daniel Graf
Die Entwicklungen in verschiedenen Ländern zeigen, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist. Wie kann WeCollect zur Stärkung der direkten Demokratie in der Schweiz beitragen?
WeCollect gibt gerade kleinen Netzwerken die Chance, ihre Themen auf die politische Agenda zu setzen. Gleichzeitig ermutigen wir Menschen, sich aktiv zu engagieren. Manche unterschreiben auf WeCollect das erste Mal eine Initiative oder ein Referendum, weil sie vorher nie gefragt wurden. Dazu gelingt es uns oft, dass Nutzer:innen von WeCollect nicht nur für sich selbst unterzeichnen, sondern den Freundeskreis und die Nachbarschaft motivieren, auch mitzumachen. Das zeigt: Demokratie lebt vom Engagement und muss aktiv gefördert werden.
Mit dem Stiftungsrat der Stiftung für direkte Demokratie arbeiten Sie an einem Rettungsplan für WeCollect. Können Sie sagen, wo Sie stehen und was es braucht, damit der Plan gelingt?
Wir starten am Sonntag eine Spendenkampagne. Uns fehlen bis Ende des Jahres 250’000 Franken, um den Betrieb für die nächsten sechs Monate zu sichern und WeCollect wieder auf stabile Beine zu stellen. Wir gehen dabei offen mit unserer Finanzlage um und setzen auf die Unterstützung der WeCollect-Community, die uns schon in den letzten Jahren unterstützt hat. Und klar: Die Spannung steigt, je näher der Kampagnenstart rückt. Es bleibt abzuwarten, ob wir rechtzeitig die nötige Unterstützung erhalten. Wenn das gelingt, streben wir in einem nächsten Schritt eine nachhaltigere Finanzierung an und wollen unsere Mittelbeschaffung diversifizieren.
Einsatz für die direkte Demokratie
WeCollect wurde 2015 gegründet. Die Civic-Tech-Plattform unterstützt Initiativen und Referenden. Seit dem Start wurden 800’000 Unterschriften für 102 Initiativen und Referenden gesammelt. Dazu gehört bspw. die Inklusionsinitiative, deren Zustandekommen die Bundeskanzlei diese Woche bestätigt hat. 2019 hat der Gründer der Plattform Daniel Graf WeCollect an die Stiftung für direkte Demokratie. So wird die politische Unabhängigkeit gesichert. Die Stiftung bietet als erste Crowd-Stiftung der Schweiz Unterstützung und Starthilfe für Volksinitiativen und Referenden aus der Zivilgesellschaft.