Wie sieht ihr persönliches 1.-August-Programm aus?
Am 1. August werde ich mit meiner Frau frühmorgens nach Brunnen reisen, um dort auf das Schiff zum Rütli zu steigen. Ab 10.30 Uhr sind wir dann auf dem Rütli und besuchen die Ausstellung der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete und des Schweizerischen Städteverbandes. Von 13.00 bis 14.30 Uhr findet dann die Feier statt, an der ich noch eine kurze Rede halten darf.
Die SGG ist Organisatorin der Feier auf dem Rütli. Ist diese Aufgabe mehr Fluch oder Segen?
Zur Feier werden seit Jahren neben Rednerinnen und Rednern unterschiedlicher Herkunft auch Organisationen eingeladen, die einen wichtigen gemeinnützigen Beitrag leisten. Solchen Organisationen eine öffentliche Plattform zu geben, erfüllt uns mit Stolz.
In der aktuellen Diskussion, wer die Feier auf dem Rütli organisieren soll, erhält man den Eindruck, dass die Wiege der Eidgenossenschaft zu einem trennenden statt verbindenden Element gemacht wird. Welche Rolle sehen Sie für das Rütli und wie wollen Sie das erreichen?
Immer wieder suchen wir an allen Verschiedenartigkeiten vorbei das Verbindende. Das Rütli ist der Ort, wo seit jeher das Verbindende gesucht wird. Vor siebenhundertdreiunddreissig Jahren beim Rütlischwur. Und vor hundertvierundsechzig Jahren, als die SGG das Rütli kaufte und dem Bund schenkte. Überall, wo das Verbindende der Schweiz gesucht wird, ist darum auch etwas Rütli dabei. Auf dieser Wiese, in den Berggebieten, in den Städten. Das Anders-Sein wird zur Vielfalt, wird zur Bereicherung, wird zur Stärke, wird zur Schweiz. Das hat die SGG in den vergangenen 164 Jahren hochzuhalten gesucht und möchte dies auch in Zukunft tun.
Das Anders-Sein wird zur Vielfalt, wird zur Bereicherung, wird zur Stärke, wird zur Schweiz.
Anders Stokholm, Präsident der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft
Der 1. August auf dem Rütli soll eine schöne und würdige Feier auf einer geschichtsträchtigen Wiese sein. Wir suchen bei der Gestaltung der Feier eine gute Balance zu finden, um eine stimmungsvolle Feier anbieten zu können, die man gerne besucht. Wir wollen aber bewusst keinen «Event» mit Rummel und Attraktionen auf dem Rütli.
Die SGG selbst hat turbulente Zeiten hinter sich. Sehen Sie auch positive Inputs und Erkenntnisse, die die SGG aus dieser Entwicklung mitnehmen kann?
Es wurde eine intensive Diskussion um die Statuten geführt, unter anderem auch um das richtige Verhältnis zwischen den kantonalen Gemeinnützigen Gesellschaften als Kollektivmitgliedern und den Einzelmitgliedern, sowie um die Strategie. Diese Diskussionen wurden intensiv und kontrovers geführt und letztlich an der Mitgliederversammlung 2024 demokratisch entschieden. Allein dieser Prozess zeigt, dass die SGG sich weiterentwickeln kann unter Einbezug möglichst vieler unterschiedlicher Auffassungen. Darauf lässt sich nun aufbauen und die Kraft wieder auf die gemeinnützigen Programme und Projekte lenken.
In einem Interview sprachen Sie von den Beiträgen, die die SGG für den gesellschaftlichen Zusammenhalt geleistet hat. In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft – wie kann dies der SGG auch in Zukunft gelingen?
Sie wird zum einen ihre Geschichte und bewährten Programme hochhalten und wertschätzen, denn diese Vergangenheit und Gegenwart hat sie geprägt. Sie wird zum anderen laufend Gemeinnützigkeit weiterentwickeln müssen. Diese besteht heute längst nicht mehr aus Einzelfallhilfe – das auch, aber nicht nur. Gerade die zentrifugalen Kräfte, die ich wahrnehme, zeigen auf, wie wichtig für die Gemeinnützigkeit eben auch der Zusammenhalt ist. So haben wir uns für die nächsten Jahre drei strategische Handlungsfelder gegeben: Sozialer Zusammenhalt, aktive Zivilgesellschaft sowie lebendige Demokratiekultur – alles Ansätze, die die Kohäsion unterstützen sollen.
Sie wird weiterhin sehr aufmerksam verfolgen, inwiefern der Zusammenhalt, die Zivilgesellschaft oder die Demokratie unter Druck gerät.
Anders Stokholm
Wie wollen Sie die SGG zukünftig positionieren?
Die SGG ist eine gemeinnützige Organisation unter vielen. Sie verfügt über eine finanzielle Basis, die ihr einen gewissen, aber auch bescheidenen Spielraum gibt. Damit wollen wir zum einen bewährte Aktivitäten weiterführen (bspw. Jobcaddie, Intergeneration, Freiwilligenmonitor), zum anderen neue Impulse geben, indem wir aktuelle Antworten suchen auf Herausforderungen wie das alterungsbedingte Auseinanderdriften der Bevölkerung (bspw. Zukunftsrat) oder der Verlust des Austausches zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsteilen (bspw. Lasst uns reden).
Wie politisch soll die SGG sein?
Die SGG hat sich die Unabhängigkeit in die Statuten geschrieben. Insofern versteht sie sich als keiner Partei verpflichtet. Da sie sich jedoch für die Gesellschaft, also die Polis, einsetzt, wird sie immer politisch sein, also eine gesellschaftliche Wirkung erzeugen wollen und sollen.
Die SGG hat als Gründerin der Pro Juventute oder Pro Senectute eine gewichtige Rolle in der Geschichte der gemeinnützigen Organisationen in der Schweiz. In welchen Herausforderungen wird die SGG in Zukunft Verantwortung übernehmen?
Sie wird weiterhin sehr aufmerksam verfolgen, inwiefern der Zusammenhalt, die Zivilgesellschaft oder die Demokratie unter Druck gerät. Wo sie solches wahrnimmt, wird sie darauf Antworten entwerfen zugunsten einer solidarischen, aktiven und resilienten Gesellschaft. So, wie sie es in ihrer 164-jährigen Geschichte schon mehrmals getan hat, meist im Kleinen, manchmal aber auch mit grossen Würfen wie jenen von Ihnen genannten.
Was motiviert Sie an diesem Amt?
Ich bin seit mehreren Jahrzehnten in irgendeiner Weise in gemeinnützigen Organisationen unterwegs. Solche Organisationen tragen zum gesellschaftlichen Frieden bei. Das ist heute mindestens so wichtig wie früher. Diesem Auftrag fühle ich mich verpflichtet.