Pusch, praktischer Umweltschutz, motiviert und unterstützt Institutionen in ihrem Engagement, natur- und umweltgerecht zu handeln. Wir haben haben mit Geschäftsleiter Felix Meier gesprochen
Wie sehen die Lebensräume der Pflanzen und Tiere und natürlich auch jene der Menschen 2030 in der Schweiz aus?
Der Siedlungsraum wird in Zukunft wieder grüner, vielfältiger und lebendiger werden. Es wird mehr naturnahe Flecken wie Wildblumenwiesen, Bienenweiden oder bunte Hecken geben, in denen eine Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten ein Zuhause, Nahrung und Unterschlupf finden. Solche naturnahen Lebensräume in der Nachbarschaft werden auch für uns Menschen an Bedeutung gewinnen und für die Naherholung gefragter denn je.
Denn Landwirtschaftsflächen – so es die heutige Politik will — werden wohl in Zukunft noch intensiver bewirtschaftet werden. Um möglichst hohe Erträge zu erzielen, wird ein so hoher Einsatz synthetischer Pestizide nötig sein, so dass auf solchen Flächen ausser den Nutzpflanzen kein Leben mehr möglich sein wird.
Der Klimawandel steht noch keine 16 Jahre zuoberst auf dem Sorgenbarometer der Bevölkerung. Merken Sie, dass die Schulen sensibler geworden sind?
Pusch ist mit seinen rund 80 Umweltlehrpersonen ja jährlich in rund 3000 Klassen unterwegs und sensibilisiert und motiviert Schülerinnen und Schüler für die Umwelt. Wir sind also an der Front und spüren den Puls. Das Bewusstsein für Natur und Umwelt ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Dazu haben nicht zuletzt die Jungen mit der Klimaschutzbewegung «Friday for Future» beigetragen. Lehrpersonen und Schulleitungen nehmen die Umweltthemen ernster als früher und diskutieren diese mit ihren Klassen.
Wie sieht es in anderen Bereichen aus?
Nicht nur Schulen, sondern auch Unternehmen und Gemeinden engagieren sich mehr und mehr für die Umwelt. Das Bewusstsein und die Dringlichkeit des Klimaschutzes, des Biodiversitätsverlustes sind angekommen. Viele wollen handeln, doch wo soll man beginnen, was ist tatsächlich wichtig, welches sind die besten Lösungen für welche Fragen etc.? Hier haben wir ein Angebot. Wir unterstützen engagierte Akteur*innen und Multiplikator*innen in Schulen, Gemeinden und Unternehmen ganz praktisch, indem wir Orientierung schaffen, Weiterbildungen anbieten, coachen und sie auch in strategischen Fragen unterstützen. Neudeutsch würde man hier von Enabling sprechen.
Sind viele Schweizer Gemeinden bereit, etwas für artenreiche Lebensräume zu tun?
Mittlerweile engagieren sich viele Gemeinden für den Naturschutz. Doch oft ist dies eine Art Restflächen-Engagement. Das heisst, wenn beim Bau einer Strasse oder einer Siedlung eine Fläche übrigbleibt, wird sie für die Natur genutzt. So entstehen isolierte Biotope. Das ist zwar ein Mehrwert, doch brauchen die meisten Tiere und Pflanzen vernetzte Lebensräume, um zu überleben. Das heisst, Gemeinden und Kantone müssen diese Vernetzung aktiv in die Planung aufnehmen. Eine solche ökologische Infrastruktur sollte eine ebenso grosse Bedeutung erhalten wie etwa die Verkehrsinfrastruktur.
Eine ökologische Infrastruktur sollte eine ebenso grosse Bedeutung erhalten wie etwa die Verkehrsinfrastruktur.
Felix Meier, Geschäftsführer Pusch
Gemeinden sind für die Förderung der Biodiversität wichtige Akteurinnen. Sie besitzen eigene Flächen, die sie naturnah gestalten und pflegen können und sie können ihre Bevölkerung und ihre Unternehmen motivieren, der Natur mehr Raum zu geben. Ausserdem können sie auf Bau- und Nutzungsplanungen Einfluss nehmen und die Anliegen der Biodiversität auch hier verankern.
Wie gehen die Gemeinden vor?
Viele Gemeinden stehen vor der Herausforderung, mit knappen Mitteln Umweltanliegen voranzutreiben. Vielfach sind einzelne Personen mit gleich mehreren Umweltthemen betraut. Das fordert fast Unmögliches, ein breites Know-How in den Bereichen Klima, Energie und Biodiversität oder nachhaltige Beschaffung. Hier können wir helfen. Wir unterstützen die Verantwortlichen dabei, ihren anspruchsvollen Job noch besser zu machen. Diese Katalysatorfunktion ist heute gefragter denn je, denn der Anspruch der Bevölkerung steigt und die Gemeinden müssen und wollen handeln.
Wie entsteht ein Initialkontakt? Kommen eher Gemeinden oder Einzelpersonen auf Sie zu?
Wir gehen gezielt auf Gemeinden zu. Wir veranstalten Tagungen und Weiterbildungen zu denen wir Gemeinden einladen, sich zu informieren und ihre Kompetenzen zu stärken. Das wichtigste an den Veranstaltungen ist, dass die Gemeinden erfahren, wie es andere machen. Best Practices zeigen, dass es andere können und motivieren. Einzelpersonen in Gemeinden verfügen leider meist über kleine Budgets und sind deshalb angewiesen auf Angebote, wie es Pusch bietet.
Wie gross sind die Gemeinden, die Sie begleiten?
Je nach Thema begleiten wir kleine Gemeinden wie Egg (siehe Projekt Naturoasen), aber auch grosse Städte wie die Stadt Winterthur.
Wie sieht eine typische Begleitung einer Gemeinde aus?
Oft entsteht ein Erstkontakt an einer Veranstaltung. In einem Vorgespräch versuchen wir die Bedürfnisse des Gegenübers abzuholen. Wir stellen also vor allem Fragen. Basierend auf den Antworten erarbeiten wir eine Empfehlung. Diese ist meist noch nicht detailliert, sondern gibt die grobe Richtung vor. Je nach Resultat empfehlen wir zudem Fachleute für eine vertiefte Beratung. Und wir bieten den Gemeinden an, zusammen mit Nachbargemeinden zu überlegen, wie man über die Grenzen hinweg zusammenarbeiten kann. So haben wir im Sittertal (SG), auf dem Zimmerberg (ZH) etc. die Zusammenarbeit unter den Gemeinden für eine Biodiversitäts-Region initiiert. Oft begleiten wir sie dann in den ersten Schritten. Ziel dabei ist es aber, dass der Keim selber gedeiht und Pusch sich wieder zurückziehen kann.
Gibt es noch weitere wichtige Themen?
Ja, ähnliches testen wir im Bereich einer gemeinsamen oder koordinierten Beschaffung von nachhaltigen Produkten. Die Gesetzesrevision der öffentlichen Beschaffung betrifft auch die Gemeinden. Der damit verbundene Paradigmenwechsel fordert explizit eine nachhaltige Beschaffung. Doch was heisst das? Wie setzt man dies am besten um? Wir bringen Gemeinden zusammen und versuchen sie zu motivieren, nachhaltige Produkte einzukaufen und damit der Preis auch stimmt, dies gemeinsam zu tun.
Welche Themen beschäftigen die Gemeinden am meisten?
Im Fokus steht das Thema Klima und Energie, insbesondere das Erreichen der Netto-Null-Zielsetzung. Hier braucht es Unterstützung, denn niemand wird dies alleine umsetzen können.
Die Menschen wünschen sich vielfältige Natur – und brauchen sie auch. Biodiversität ist nicht nur für die Lebensqualität essenziell, sondern sie bildet die Grundlage unserer Existenz. Gemeinden sind gefordert, für ausreichend attraktive Frei- und Naherholungsräume zu sorgen. Und auch das Natur- und Heimatschutzgesetz, die Strategie Biodiversität Schweiz und der zugehörige Aktionsplan fordern ein Engagement der Gemeinden für die Natur.
Wie sieht es bei der Abfallbewirtschaftung aus?
Abfall ist ein weiteres grosses Thema. Zwar haben wir die Entsorgung einigermassen im Griff, doch der Abfallberg wächst und wächst. In Europa sind wir in der Schweiz mit dem Pro-Kopf-Abfallaufkommen leider unter den Spitzenreiter*innen. Hier wollen immer mehr auf die Vermeidung und insbesondere auf Kreislaufwirtschaft setzen. Und auch hier ist aller Anfang schwer, Antworten zu finden, ist kaum alleine möglich. Pusch unterstützt und hilft gemeinsam und im Austausch mit allen Akteuren Lösungen zu erarbeiten.
Wie messen Sie die Wirkung ihrer Bestrebungen?
Pusch setzt auf das Wirkungsmodell der Wirkungsakademie. Das heisst, wir erstellen eine Karte mit den Problemen und formulieren, was denn anders sein müsste. Um diesen Zielzustand zu erreichen, schauen wir sehr genau hin, wer die Akteure sind und was sich bei diesen verändern müsste. Wir gehen nun hin und erarbeiten, was die Zielgruppen dazu brauchen. Das kann zum Beispiel folgendes sein: Orientierung schaffen, was wichtig ist oder welche Instrumente es bereits gibt oder Kompetenzen erwerben. Der letzte Schritt ist, dass wir uns überlegen, wie Pusch helfen kann.
Wir setzen uns dann auf verschiedenen Ebenen Ziele. Das heisst, wir setzen uns Ziele wie viele Gemeinden, Schülerinnen und Schüler oder Unternehmen wir erreichen wollen, wie viele an einer Veranstaltung teilnehmen und nicht zuletzt wer tatsächlich eine Handlung umsetzt. So zum Beispiel haben wir uns im Jahr 2020 das Ziel gesetzt und auch erreicht, zusammen mit Gemeinden 20’000 Quadratmeter Naturoasen zu schaffen. Wir machen dies heute in einer pragmatischen Weise, indem wir Indikatoren suchen, die wir mit wenig Aufwand erfassen können, denn ein Monitoring kann schnell Unmengen von Geld verschlingen.
Sind Bewegungen wie Permakultur eine städtische Erscheinung oder gibt es auch ländliche Gemeinden, die dem Verlust der Artenvielfalt und dem Klimawandel etwas entgegensetzen wollen?
Gemeinden in ländlichen Regionen sind umgeben von Grünräumen und man wähnt sich in vermeintlich unberührter Natur. Was vielen Menschen nicht bewusst ist: Grün allein reicht nicht für eine gesunde Artenvielfalt. Damit dieses vermeintliche Grün auch für die Tiere und heimischen Pflanzen lebenswert wird, unterstützen wir die Verantwortlichen in den Gemeinden und Schulen.
Städte sind geprägt von grauem Beton, Teer und Stein. Hier zeigt sich stärker, dass die Natur kaum mehr Platz hat – die Menschen vermissen sie. Die Sensibilisierung für den Bedarf nach mehr naturnahen Flächen ist daher weiter fortgeschritten. Dies ist auch ein Grund, warum sich viele junge Menschen vermehrt zum Gärtnern hingezogen fühlen. Gerade Städte versuchen hier Hand zu bieten und suchen neue Wege rund um Urban Gardening.