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Das neue Erbrecht – rele­vant für Stiftungen

Seit Anfang 2023 gelten im Erbrecht neue Regeln für die Pflichtteile. Den Erblasser:innen stehen mehr Mittel zur Verfügung, über die sie frei verfügen können. Mit diesen können sie bspw. im Testament eine Stiftung begünstigen.

Gemein­nüt­zige Stif­tun­gen erhal­ten oft unent­gelt­li­che Zuwen­dun­gen wie nament­lich Schen­kun­gen und Vermächt­nisse, welche für die Stif­tun­gen zuwei­len einen sehr wich­ti­gen Bestand­teil der Stif­tungs­res­sour­cen darstel­len. Was die begüns­tig­ten Stif­tun­gen dabei aller­dings im Auge behal­ten müssen, sind die soge­nann­ten Pflicht­teile bei Erbfäl­len: Hinter­lässt eine Person bei ihrem Tode gewisse Kate­go­rien von Erben – die soge­nann­ten pflicht­teils­be­rech­tig­ten Erben –, haben diese Anrecht auf einen Mindest­an­teil am Nach­lass. Nur was frei verfüg­bar ist («frei verfüg­bare Quote»), kann eine Erblas­se­rin problem­los nament­lich einer Stif­tung zuwen­den. Wendet sie einer Stif­tung hinge­gen zu viel zu und verletzt dadurch den Pflicht­teil von Erben, sind diese Zuwen­dun­gen an die Stif­tung nach Schwei­zer Erbrecht anfecht­bar. Der im Pflicht­teil verletzte Erbe kann mit einer soge­nann­ten Herab­set­zungs­klage seinen Mindest­an­teil einfor­dern, und die Stif­tung muss unter Umstän­den eine erhal­tene Zuwen­dung zurück­ge­ben. Die Herab­set­zungs­klage bezweckt nämlich, den verletz­ten Pflicht­teil zulas­ten der Empfän­ger von lebzei­ti­gen oder letzt­wil­li­gen Zuwen­dun­gen wieder­her­zu­stel­len. Auch die Errich­tung einer neuen Stif­tung kann anfecht­bar sein, wenn die oder der jewei­lige Erblasser:in dafür zu viele Mittel einsetzt und damit die Pflicht­teile ande­rer verletzt.

Neue Regeln für Pflichtteile

Seit dem 1. Januar 2023 gelten für diese Pflicht­teile neue Regeln. Mit der Neure­ge­lung wurde nun jener Teil vergrös­sert, über den Erblasser:innen frei verfü­gen können. Somit stehen den Erblasser:innen mehr Mittel zur Verfü­gung, mit welchen sie mittels eines Testa­ments Stif­tun­gen begüns­ti­gen, neue Stif­tun­gen errich­ten oder natür­lich auch Zuwen­dun­gen an andere Perso­nen machen können, die ihnen am Herzen liegen. Bei einem Erbgang erhiel­ten nach bishe­ri­gem Recht die Nach­kom­men, Ehegat­ten oder eingetragene:r Partner:innen – sowie unter Umstän­den auch die Eltern – Pflicht­teile einer Erbschaft. Diese Pflicht­teile betru­gen 50 bis 75 Prozent des gesetz­li­chen Erbteils. Seit dem 1. Januar 2023 aber betra­gen die Pflicht­teile stets nur noch 50 Prozent, und der Pflicht­teil der Eltern wurde ganz abge­schafft. Die Testier­frei­heit des Erblas­sers oder der Erblas­se­rin wurde somit erheb­lich vergrössert.

Seit­her kann ein:e Erblasser:in nun im Mini­mum – statt im Maxi­mum – stets über den halben Nach­lass völlig frei verfü­gen, wenn Pflicht­teil­ser­bin­nen und ‑erben vorhan­den sind. Bei Kinder­lo­sig­keit, aber mit über­le­ben­den Eltern und Ehegat­ten, kann die oder der Erblasser:in gar mehr als die Hälfte – nämlich 5/8 – des Nach­las­ses frei verma­chen. Über­le­ben weder Ehegat­ten noch Nach­kom­men, ist die oder der Erblasser:in völlig frei in der Auftei­lung ihres, resp. seines Nach­las­ses. All diese Neue­run­gen gelten bei jedem Erbgang seit dem 1. Januar 2023.

Zuwen­dun­gen möglichst genau bezeichnen

Verstirbt eine Person nach dem 1. Januar 2023, aber hatte sie ihr Testa­ment bereits vor dem 1. Januar 2023 abge­fasst und darin eine Stif­tung als Zuwen­dungs­emp­fän­ge­rin einge­setzt, ist das Testa­ment unter Umstän­den nicht ganz verständ­lich. Denn es könnte unklar sein, wie hoch die darin enthal­tene Zuwen­dung tatsäch­lich sein soll: Ist nament­lich die «frei verfüg­bare Quote» vor oder nach der Geset­zes­än­de­rung gemeint? Je nach Ausle­gungs­er­geb­nis erhält die Stif­tung nämlich einen bedeu­tend grös­se­ren Anteil am Nachlass.

Für Erblasser:innen ist es entspre­chend stets ratsam, die jewei­li­gen Zuwen­dun­gen in Testa­men­ten möglichst genau zu bezeich­nen. Stif­tungs­räte und Ange­stellte von Stif­tun­gen soll­ten zudem bei Diskus­sio­nen mit Erblasser:innen, Willens­voll­stre­ckern oder im Extrem­fall als Beklagte in Ungül­tig­keits- bzw. Herab­set­zungs­ver­fah­ren jeden­falls darauf bedacht sein, dass diese Testa­mente zu Guns­ten der Stif­tung ausge­legt werden, etwa wenn im Testa­ment von einer «Meist­be­güns­ti­gung» der Stif­tung die Rede ist oder bei einem Legat die Höhe «der frei verfüg­ba­ren Quote» frag­lich ist. Im Zwei­fels­fall sollte sich eine Stif­tung, die Zuwen­dun­gen erhält, juris­tisch bera­ten lassen und somit Kompli­ka­tio­nen vermeiden.

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