Die Medienvielfalt in der Schweiz nimmt ab, es gibt immer weniger Zeitungstitel, Redaktionen werden zusammengelegt und Stellen gestrichen. Was sind die Folgen dieser Medienkonzentration?
Wenn die Medienvielfalt sinkt, nimmt der Wettbewerb unter den Redaktionen ab. Doch eine gesunde Konkurrenz ist wichtig, damit die Medien die Kontrollfunktion wahrnehmen können, die ihnen als vierte Gewalt im Staat zukommt.
Laut eurem Watchblog «Chronologie der Schweizer Medienkonzentration» fielen allein in den letzten zwei Jahren über 560 Stellen von Medienschaffenden weg. Dazu kommen fast 350 Stellen bei Druckereien, die aufgrund von Auflagerückgängen und Zusammenlegungen von Zeitungstiteln gestrichen werden. Wie sehen Sie den Stellenabbau in den Redaktionen?
Der massive Stellenabbau der letzten zwei Jahre zeigt, dass das Geschäftsmodell der Medien nicht mehr funktioniert: Inserate und Kleinanzeigen sind zu internationalen Tech-Giganten wie Google sowie zu Marktplätzen wie Ricardo abgewandert, gleichzeitig hat die Anzahl Printleser drastisch abgenommen – und die Zahlungsbereitschaft der Schweizer Bevölkerung für Onlinejournalismus verharrt seit Jahren auf sehr tiefem Niveau: Gemäss dem Digital News Report von Reuters sagen nur gerade 17 Prozent , sie hätten im vergangenen Jahr für Onlinejournalismus Geld ausgegeben. Die Grossverlage reagieren auf diesen strukturellen Wandel strategielos: Ihnen fällt nichts anderes ein, als zu sparen, wodurch die Qualität des Angebots weiter abnimmt.
Für Themen auf nationaler und internationaler Ebene fallen diese Entwicklungen weniger ins Gewicht, da fast immer alternative Informationsangebote zur Verfügung stehen. Was aber sind die gesellschaftlichen Auswirkungen der Reduktion an regionalen Zeitungstiteln und News-Angeboten?
Auf kommunaler und kantonaler Ebene sind die Folgen von politischen Entscheidungen für die gesamte Bevölkerung direkt spürbar. Deshalb ist es auf diesen Staatsstufen besonders wichtig, dass sich Bürgerinnen und Bürger informieren können, bevor sie über Sachfragen abstimmen sowie Parlamente und Regierungen wählen. Einen offenen, unvoreingenommenen Diskurs gewährleisten lediglich Medien, die mit einer mit den notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen ausgestatteten Redaktion vor Ort präsent sind. Studien aus anderen Ländern zeigen, dass Korruption und Intransparenz wachsen und die Kluft zwischen Arm und Reich grösser wird, wenn es vor Ort keine oder fast keine Journalistinnen mehr gibt.
Einen offenen, unvoreingenommenen Diskurs gewährleisten lediglich Medien, die mit einer mit den notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen ausgestatteten Redaktion vor Ort präsent sind.
Dennis Bühler, Bundeshaus- und Medienredaktor beim Onlinemagazin «Republik»
In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl von Zeitungstiteln in der Schweiz von 304 auf 245 verringert, das entspricht einem Rückgang um 20 Prozent. Haben Printzeitungen überhaupt noch eine Zukunft in einem digitalisierten Zeitalter?
Es wird so lange Printzeitungen geben, wie der mit ihnen zu erzielende Ertrag die Ausgaben minimal übertrifft: So lange also die Einnahmen von Inseraten und Abonnements höher sind als die Kosten für Druck, Vertrieb und eine – klein gesparte – Rumpfredaktion. Jede Printzeitung hat ihr eigenes Ablaufdatum, doch es ist anzunehmen, dass sich die Anzahl Zeitungstitel in den nächsten zehn Jahren erheblich stärker reduzieren wird als in den letzten zehn Jahren, dass es in der Schweiz also schon bald weniger als 200 Zeitungen geben wird. Doch auch im digitalen Bereich ist der Erfolg alles andere als garantiert. Klar ist: Mittelfristig überleben Redaktionen nur, wenn es ihnen gelingt, mit Onlinejournalismus Geld zu verdienen, oder wenn sie vom Staat oder durch Stiftungen substanziell unterstützt werden.
Wie schätzen Sie generell den Zustand der Medienlandschaft in der Schweiz ein?
Die Schweizer Medien befinden sich in einer tiefgreifenden strukturellen Krise. Noch ist ihre Qualität nicht so schlecht, ihre Zukunftsaussichten aber sind desolat. Die Frage, wie das Medienangebot auf allen Staatsebenen erhalten und verbessert werden kann, muss dringend öffentlich verhandelt werden – noch aber haben leider weder die Politik noch die breite Bevölkerung die Zeichen der Zeit erkannt.