Von gemeinnützigen Stiftungen erwartet die Gesellschaft nicht nur, dass sie Gutes tun, sondern auch, dass sie es gut tun. Weil Förderstiftungen zudem teils beachtliche Vermögen verwalten und Gelder über sie fliessen, stehen sie immer wieder im Fokus von Finanzmarktregulierungen – allerdings zum Teil auch nur mitgemeint. Um ihre Ziele effektiv und nachhaltig zu erreichen und die Regulierungsanforderungen zu erfüllen, ist eine sorgfältige und angemessene Ausgestaltung der Governance-Strukturen und Compliance-Massnahmen unerlässlich: Governance umfasst die grundlegenden Prinzipien und Praktiken, die die Leitung und Kontrolle der Stiftung regeln, während Compliance die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und interner Richtlinien sicherstellt. Um Stiftungen bei dieser Arbeit zu unterstützen und zu befähigen, hat SwissFoundations, der Verband der Schweizer Förderstiftungen in Zürich, 2005 den Swiss Foundations Code SFC erarbeitet. Er will einen generellen Orientierungsrahmen bieten. 2021 erschien die vierte Auflage.
Die Anforderungen an Stiftungen sind ständig gestiegen.
Thomas Sprecher, Anwalt und Stiftungsexperte
«Der SFC wurde bei jeder Neuauflage komplett überarbeitet», sagt Thomas Sprecher. Der auf Stiftungsrecht spezialisierte Anwalt bei der Kanzlei Niederer Kraft Frey in Zürich gehört seit 2005 zum Autorenteam. 2009 und auch 2015 stand bei den Änderungen die Vermögensbewirtschaftung im Vordergrund. «Das war keine Absicht der Autoren, sondern eine objektive Notwendigkeit. Auch bei der Ausgabe 2021 haben wir Satz für Satz auf Richtigkeit und Aktualität überprüft: Ist die Aussage noch auf der Höhe der Zeit, oder müssen zwischenzeitliche Entwicklungen berücksichtigt werden?» fragt er und zieht das Fazit: «Die Anforderungen an Stiftungen sind ständig gestiegen.»
Anforderungen von verschiedenen Seiten
Dass die Stiftungen zunehmend gefordert sind, sagt auch Lukas von Orelli, Direktor der Velux Stiftung in Zürich und Vorstandsmitglied von SwissFoundations. Für Stiftungen, die wie die Velux Stiftung international fördern und investieren, sind die Anforderungen der Regulierung hoch und vielseitig. «Datenschutz, GAFI (Geldwäschereibekämpfung), FinFrag (Finanzmarktinfrastrukturgesetz), sogar Bildrechte und vieles mehr drängen in unseren vormals idyllischen Alltag», sagt er. Gerade Stiftungen sind gefordert, die breiter und professioneller investieren. Lukas von Orelli denkt dabei an Private Equity, Real Assets, Venture Capital etc. Im Investmentbereich mit einigen privaten Investmentgefässen gehen aus seiner Sicht die Anfragen deren Manager zu weit. Die Manager sind bestrebt, ihre Klient:innen zu kennen.
Datenschutz, GAFI (Geldwäschereibekämpfung), FinFrag (Finanzmarktinfrastrukturgesetz), sogar Bildrechte und vieles mehr drängen in unseren vormals idyllischen Alltag.
Lukas von Orelli, Direktor der Velux Stiftung
«Regelmässig muss ich private Telefonrechnungen, beglaubigte Passkopien, Urkunden, Bestätigungen etc. abliefern», sagt er. Einst wurden gar die Privatadresse und Geburtsurkunden der Verwaltungsratsmitglieder der Gesellschaft, welche die Stiftung 1980 gründeten, eingefordert. Eine Herausforderung, die man schlussendlich noch abwenden konnte. Denn jene, die noch lebten, waren über 90 Jahre alt. Und alle waren im Ausland wohnhaft. Lukas von Orelli sieht diese bürokratisch-formalistische Haltung gerade mit Blick auf kleinere Stiftungen kritisch. Er stellt die Frage, wie kleinere, Miliz-geführte Stiftungen hier klarkommen können. gibt er zu bedenken. Stiftungen sind dabei nicht nur bezüglich der Compliance und Good Governance Kompetenzen gefordert. Zum administrativen Aufwand kommen Kosten. «Wir bezahlen jedes Jahr mittlere fünfstellige Beträge an Berater in Steuer‑, Datenschutz- und KYC (Know You Client)-Angelegenheiten», sagt er.
Eine Daueraufgabe
Um Compliance und Good Governance in der Stiftung zu verankern hat die Velux Stiftung Prozesse und Routinen sowie ein Expert:innennetzwerk etabliert. Die Rollen sind klar verteilt: «Die operative Verantwortung liegt bei mir, der Stiftungsrat schaut Schlüsselthemen vor allem im Zusammenhang mit der Risikobeurteilung regelmässig an», sagt Lukas von Orelli. Compliance und Governance sind heute Daueraufgaben. Thomas Sprecher betont, dass die Themen heute zur normalen Stiftungsführung gehören. «Manchmal, etwa durch eine neue Rechtsvorschrift – zum Beispiel beim Datenschutz – ergibt sich ein sofortiger Handlungsbedarf», sagt er. Eine Überprüfung der Governance mache generell von Zeit zu Zeit Sinn. Er empfiehlt, dass gerade Neuauflagen des SFC eine gute Gelegenheit dazu seien. Damit der Code nicht nur inhaltlich sondern auch der heutigen Arbeitsweise angepasst aktuell ist und so möglichst niederschwellig zugänglich ist, ist er digital verfügbar. Und er verfügt neuerdings über eine auf Künstlicher Intelligenz basierende Suchfunktion. Sie geht über die bisherige Stichwortsuche hinaus.
Der Swiss Foundations Code wird genutzt, um gezielt nach einem Thema zu suchen, wie beispielsweise der Umgang mit Entschädigungen.
Georg von Schnurbein, Professor am CEPS
Dank der KI kann die Suche nun ganze Sätze erkennen und ein Thema aus dem Umfeld eines Wortes ableiten. Da es sich um einen lernenden Algorithmus handelt, wird sich die Suche weiter verbessern und so schneller und bessere Resultate liefern. «Dies wird den Zugang erleichtern», sagt Professor Georg von Schnurbein vom Center for Philanthropy Studies (CEPS). Dieses hat das Projekt umgesetzt. Die Suchfunktion ist zentral. «Der SFC wird genutzt, um gezielt nach einem Thema zu suchen, wie beispielsweise der Umgang mit Entschädigungen.» Mit dem KI-Update hat der digitale SFC zudem weitere Funktionen erhalten wie einen Arbeitsspeicher und die Möglichkeit, die Texte in vier Sprachen anzuzeigen. «Gerade für die Arbeit in einem internationalen Gremium kann dies sehr hilfreich sein», sagt Georg von Schnurbein. Das Risiko, dass die KI erfundene Antworten generiert, besteht nicht, weil sie auf die Originaltexte aus dem SFC verweist. Möglich ist, dass sie aus dem Kontext gerissene Texte wiedergibt.
Kollateralschaden
Stiftungen mit einem möglichst niederschwellig zugänglichen SFC zu unterstützen macht Sinn. Die Anforderungen an sie steigen. Georg von Schnurbein, der auch zum Autorenteam gehört, sagt: «Wie für alle anderen Organisationsformen hat das Thema Compliance auch für Stiftungen in den vergangenen Jahren zugenommen. Wobei Compliance im SFC als Unterthema von Governance behandelt wird.» Eine besondere Herausforderung bei Regulierungsfragen sieht er gerade auch, weil Stiftungen oft von einer Regulierung betroffen sind, die sich nicht primär an sie adressiert. Entsprechend sind sie für andere rechtliche Organisationsstrukturen formuliert. Georg von Schnurbein spricht von einem Kollateralschaden. Und er nennt als Beispiel die jüngsten Vorschläge im Geldwäschereigesetz. Stiftungen sind aber nicht grundsätzlich stärker von Compliance und Good Governance Themen betroffen. Georg von Schnurbein erkennt aber einen wesentlichen Unterschied zwischen der legalen und der moralischen Verpflichtung. «Für Unternehmen ist die legale Verpflichtung sehr viel ausgeprägter, während die moralische Verpflichtung im Vergleich zu Stiftungen und NPO geringer ist.» Bei Stiftungen dagegen ist die Erwartung, dass sie sich moralisch gut verhalten, höher. «Governance hat bei Stiftungen deswegen eine hohe Bedeutung.» Dies zeigt sich auch in der Weiterbildung. Angebote zu diesem Thema sind gefragt. Beim Wissensstand der Stiftungen sieht Thomas Sprecher noch unterschiedliche Niveaus. «Die Stiftungen, die in Verbänden wie SwissFoundations oder ProFonds mitwirken, sind hier zweifellos auf der Höhe. Diese Verbände haben zur einschlägigen Sensibilisierung stark beigetragen», sagt er. Er kennt aber auch einzelne Stiftungen, die sich nicht für das Thema interessieren. Weil die meisten Stiftungen nicht in Verbänden organisiert sind, sieht er zudem eine hohe Zahl, von der unbekannt ist, wie stark sie sich dem Thema bisher schon angenommen haben.