Die Referent:innen: Fabienne Angst, Patrick Krauskopf und Aline Kratz-Ulmer

Compli­ance für Nonpro­fits und Funders

Compliance ist für Nonprofit-Organisationen ein relevantes Thema. Mit der rechtzeitigen und angepassten Organisation gelingt es, Risiken zu reduzieren und trotzdem agil zu bleiben.

Swiss Asso­cia­tion for Compli­ance and Compe­ti­tion Law (ACCL) und StiftungSchweiz orga­ni­sie­ren am 1. Juli 2024 ein Boot­camp zum Thema «Compli­ance für Nonpro­fits und Funders». Rechts­ant­wäl­tin Aline Kratz-Ulmer spricht zu «Gover­nance-Grund­sätze für Stif­tun­gen und Vereine», Juris­tin Fabi­enne Angst zu «Trans­pa­renz bei Verga­be­ent­schei­den und Mittel­ver­wen­dung» und Profes­sor Patrick Kraus­kopf zu «Compli­ance für Nonpro­fits und Funders». In Kurz­in­ter­views geben sie einen kurzen Einblick in wesent­li­che Fragestellungen.

The Philanthropist: Sind Nonpro­fits beson­ders gefor­dert bezüg­lich Compliance?

Patrick Kraus­kopf: Ja. Design, Imple­men­tie­rung und Moni­to­ring von Compli­ance-Mass­nah­men sind biswei­len anspruchs­vol­ler als bei «klas­si­schen» Unter­neh­men. Zunächst werden einer NPO durch über­ge­ord­nete Orga­ni­sa­tio­nen, Förde­rer und Part­ner weit­ge­hende Vorga­ben gemacht. Diese zu befol­gen, ist entschei­dend für die Legi­ti­mi­tät und den Zugang zu Ressour­cen. Ferner können Stake­hol­der Druck ausüben, der die Einhal­tung von Compli­ance-Regeln erschwert. Schliess­lich entsteht ein Span­nungs­feld, wenn eine NPO zwischen den Anfor­de­run­gen loka­ler Inter­es­sen­grup­pen sowie Gover­nance und program­ma­ti­sche Akti­vi­tä­ten der geogra­fisch entfern­ten Mutter-NPO navi­gie­ren muss.

TP: Welche Vorteile hat eine Nonpro­fit, wenn sie das Thema recht­zei­tig angeht?

Patrick Kraus­kopf: Ein recht­zei­ti­ges Ange­hen von Compli­ance-Themen bringt im Wesent­li­chen nur Vorteile für NPO: Deren Fähig­keit zur Erfül­lung ihrer Mission wird nach­hal­tig verbes­sert. Durch die Einhal­tung gesetz­li­cher und regu­la­to­ri­scher Anfor­de­run­gen werden zunächst kost­spie­lige Rechts­strei­tig­kei­ten vermie­den. Eine trans­pa­rente Führung einer NPO stärkt ausser­dem das Vertrauen der Öffent­lich­keit und der Stake­hol­der. Dies gene­riert erhöhte Unter­stüt­zung, gepaart mit Förder­gel­der. Gute Compli­ance führt schliess­lich zu effek­ti­ve­ren Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren: Ressour­cen werden effi­zi­en­ter genutzt.

Ein recht­zei­ti­ges Ange­hen von Compli­ance-Themen bringt im Wesent­li­chen nur Vorteile für NPO.

Profes­sor, Patrick Kraus­kopf, Agon Part­ners Compliance

The Philanthropist: Soll­ten Stif­tungs­räte und Vereins­vor­stände den Umgang mit Inter­es­sen­kon­flik­ten ihrer Mitglie­der regeln? 

Aline Kratz-Ulmer: In der Vereins- und Stif­tungs­pra­xis stellt sich häufig die Frage, wie mit Inter­es­sen­kon­flik­ten im Vereins­vor­stand bzw. im Stif­tungs­rat umzu­ge­hen ist. Ein Inter­es­sen­kon­flikt liegt vor, wenn bspw. ein Stif­tungs­rats­mit­glied bei einer Stif­tungs­rats­ent­schei­dung oder beim Abschluss eines bestimm­ten Rechts­ge­schäfts neben Stif­tungs­in­ter­es­sen auch Eigen‑, Fremd- oder sons­ti­gen Inter­es­sen ausge­setzt ist. Trifft dies zu, so besteht aufgrund der nicht zwin­gend kongru­en­ten Inter­es­sen­lage das Risiko, dass sich das betrof­fene Organ­mit­glied bei seiner Entschei­dung nicht ausschliess­lich von Stif­tungs­in­ter­es­sen leiten lässt. Daher soll­ten Errich­ter bei der Stif­tungs­grün­dung (bzw. bei der Vereins­grün­dung) Instru­mente vorse­hen, die darauf abzie­len, rele­vante Inter­es­sen­kon­flikte zu defi­nie­ren und nach Möglich­keit zu vermei­den. Zudem gilt es einen ange­mes­se­nen und abge­stuf­ten Umgang mit Inter­es­sen­kon­flik­ten zu gewährleisten. 

Diese Fragen sind Bestand­teil der «Foun­da­tion Gover­nance», die ein ganz­heit­li­ches Schutz­sys­tem anstrebt, in welches auch die verschie­de­nen Schutz­be­fä­hig­ten möglichst sinn­voll einbe­zo­gen werden sollen. Möchte bspw. ein Stif­ter weit­sich­tig agie­ren, sollte er sich unter ande­rem die folgen­den zwei Fragen stel­len: Erstens: Welche spezi­fi­schen Inter­es­sen­kon­flikte sind in meiner Konstel­la­tion zu erwar­ten und welche «Gover­nance-Mecha­nis­men» erschei­nen im Hinblick darauf sinn­voll zu sein? Und zwei­tens: Auf welcher Ebene sind die entspre­chen­den «Gover­nance-Elemente» anzu­sie­deln? Neben der Ebene der gesetz­ge­be­risch vorge­se­he­nen Möglich­kei­ten exis­tiert auch die Ebene des Stif­ters, der durch seine Statu­ten­ge­stal­tung und aus seiner indi­vi­du­el­len Sicht wich­tige «Gover­nance-Elemente» mit einbe­zie­hen kann. Des Weite­ren besteht die Ebene der Hand­lungs­or­gane, die durch bestimmte Verhal­tens­re­geln zu einer möglichst guten Stif­tungs­füh­rung ange­hal­ten werden können. Hierzu gehö­ren alle Mass­nah­men, die auf eine Best Prac­tice der Stif­tungs­or­gane hinwir­ken, ebenso wie die bisher bekann­ten «Foun­da­tion Gover­nance Codi­ces» wie etwa der «Swiss Foun­da­tion Code», deren Berück­sich­ti­gung der Stif­ter mehr oder weni­ger strikt auch in den Statu­ten vorge­ben kann.

Sowohl Stif­tun­gen als auch Verei­nen ist zu empfeh­len, sich früh­zei­tig, das heisst bei der Grün­dung der juris­ti­schen Person, zu poten­ti­el­len Inter­es­sen­kon­flik­ten Gedan­ken zu machen. 

Aline Kratz-Ulmer, Rechts­an­wäl­tin Anwalts­büro Kratz-Ulmer

Sowohl Stif­tun­gen als auch Verei­nen ist zu empfeh­len, sich früh­zei­tig, das heisst bei der Grün­dung der juris­ti­schen Person, zu poten­ti­el­len Inter­es­sen­kon­flik­ten Gedan­ken zu machen. Sofern dieser Frage­stel­lung bei der Grün­dung der Stif­tung nicht oder zu wenig Beach­tung geschenkt worden ist, soll­ten sich die dafür zustän­di­gen Perso­nen in der Stif­tung (Geschäfts­füh­rer oder Stif­tungs­rat) die Zeit nehmen, zum einen die Zusam­men­set­zung des Stif­tungs­rats zu analy­sie­ren und zum ande­ren, die verschie­de­nen, im Stif­tungs­rat bzw. im Vereins­vor­stand vertre­te­nen Inter­es­sen offen­zu­le­gen, um allfäl­lige Konflikte proak­tiv ange­hen zu können. Auf jeden Fall hat sich sowohl der Stif­tungs­rat als auch der Vereins­vor­stand im Vorfeld mit der Proble­ma­tik von Inter­es­sen­kon­flik­ten ausein­an­der­zu­set­zen. Dann ist das betref­fende Gremium nicht im Unge­wis­sen, sondern besser und schnel­ler in der Lage, entspre­chend zu handeln, falls ein solcher Fall auftritt.

TP: Hat sich das Thema Gover­nance in den vergan­ge­nen Jahren stark gewandelt?

Aline Kratz-Ulmer: Grund­sätz­li­che Diskus­sio­nen rund um die Frage, was die soge­nannte «Good Gover­nance» von Stif­tun­gen beinhal­tet, haben in den letz­ten Jahren an Brisanz gewon­nen. Abge­se­hen von Defi­ni­tio­nen und Über­set­zun­gen gelten für eine gute Stif­tungs­füh­rung folgende Grund­sätze: Erstens, wirk­same Umset­zung des Stif­tungs­zwecks durch entspre­chende Struk­tu­ren und adäqua­tes Verhal­ten der Mitglie­der der Führungs­or­gane; zwei­tens, «Checks und Balan­ces», also die Verhin­de­rung von Macht­miss­brauch; drit­tens, Trans­pa­renz gegen­über der Öffent­lich­keit und den Stake­hol­dern. Diese drei allge­mein aner­kann­ten Grund­sätze wurden infolge der Wahr­neh­mung der Stif­tung in der Gesell­schaft sowie des dras­ti­schen Wandels in unse­rer Gesell­schaft – ein Wandel, der in der demo­gra­fi­schen Entwick­lung, der Migra­tion und der Digi­ta­li­sie­rung beson­ders augen­fäl­lig zum Ausdruck kommt – mit einem vier­ten Grund­satz ergänzt: der gesell­schaft­li­chen Verantwortung. 

Die «Foun­da­tion Gover­nance» ist von den laufen­den Verän­de­run­gen in unse­rer Gesell­schaft keines­falls ausge­schlos­sen. Die Zeiten, in denen die Stif­tun­gen als diskre­tes Enga­ge­ment priva­ter Wohl­tä­ter vorbe­halt­los geschätzt wurden, sind weit­ge­hend vorbei. Heute werden die Stif­tun­gen längst als Teil der Zivil­ge­sell­schaft betrach­tet und zuneh­mend auch an ihrem gesell­schaft­li­chen Beitrag gemes­sen. Rele­van­tes Stif­tungs­wir­ken berück­sich­tigt die perma­nen­ten Verän­de­run­gen und bezieht neue Entwick­lun­gen in die Förder­tä­tig­keit mit ein. Umso mehr sind in den «Gover­nance-Struk­tu­ren» auf Führungs­ebene frische Impulse und Ideen gefragt.

Viel­mehr spie­len dabei auch andere Fach­ge­biete wie Betriebs­wirt­schaft, Psycho­lo­gie oder Ethik eine bedeu­tende Rolle. 

Aline Kratz-Ulmer

Nebst den verschie­de­nen staat­li­chen Regu­la­to­ren verlan­gen auch die Medien und die Desti­na­t­äre nach mehr Trans­pa­renz, um die Tätig­kei­ten von Stif­tun­gen besser zu verste­hen. An dieser Stelle ist auch zu erwäh­nen, dass «Foun­da­tion Gover­nance» nicht nur eine juris­ti­sche Ange­le­gen­heit ist. Viel­mehr spie­len dabei auch andere Fach­ge­biete wie Betriebs­wirt­schaft, Psycho­lo­gie oder Ethik eine bedeu­tende Rolle. Als Beispiel sei hier die Inter­ak­tion zwischen «Foun­da­tion Gover­nance» und «Foun­da­tion Diver­sity Manage­ment» genannt. Diese beiden Themen­be­rei­che schlies­sen sich keines­falls aus, sondern ergän­zen sich viel­mehr. Deren Inter­ak­tion sollte in Anbe­tracht der zuneh­men­den Schnell­le­big­keit unse­rer Zeit und des damit einher­ge­hen­den, umwäl­zen­den Wandels entspre­chend berück­sich­tigt werden. Denn schliess­lich hat die Weiter­ent­wick­lung der «Foun­da­tion Gover­nance» auch Auswir­kun­gen auf die hier­zu­lande gelebte Phil­an­thro­pie. Umso mehr sind in den «Gover­nance-Struk­tu­ren» auf Führungs­ebene neue Ideen und Anre­gun­gen gefragt, wenn nicht gar erfor­der­lich. Diese Impulse führen schliess­lich dazu, dass das Thema der «Foun­da­tion Gover­nance» durch den aktu­el­len Zeit­geist immer wieder berei­chert und gewan­delt wird, was auch einen Mehr­wert für unse­ren Stif­tungs­stand­ort darstellt. 


The Philanthropist: Welchen Vorteil bringt Trans­pa­renz bei Vergabeentscheiden?

Fabi­enne Angst: Eine trans­pa­rente Verga­be­pra­xis stärkt die Glaub­wür­dig­keit und Ausstrah­lung einer Orga­ni­sa­tion erheb­lich. Sie erleich­tert damit die Orien­tie­rung poten­zi­el­ler Gesuch­stel­len­den, die diese Infor­ma­tio­nen nicht aufwän­dig beschaf­fen müssen. Sie demons­triert Inte­gri­tät und schafft dadurch Vertrauen, das Türen öffnet – zum Beispiel bei Behör­den und ande­ren Förder­or­ga­ni­sa­tio­nen. Und indem Orga­ni­sa­tio­nen zeigen, was sie fördern, unter­stütz­ten sie die Wirkung der finan­zier­ten Initia­ti­ven zusätz­lich. Trans­pa­renz löst in diesem Zusam­men­hang Advo­cacy-Effekte aus, da klare, nach­voll­zieh­bare Entschei­dun­gen die öffent­li­che Meinungs­bil­dung prägen sowie die Akzep­tanz und Unter­stüt­zung einer Initia­tive in der brei­ten Öffent­lich­keit wesent­lich begüns­ti­gen. Meiner Erfah­rung nach über­wie­gen die Vorteile die weni­gen Nach­teile bei weitem. 

Eine trans­pa­rente Verga­be­pra­xis stärkt die Glaub­wür­dig­keit und Ausstrah­lung einer Orga­ni­sa­tion erheblich.

Fabi­enne Angst, Juris­tin, Part­ner Solu­ti­ons StiftungSchweiz

TP: Worauf sollen Nonpro­fits achten, um eine gleich­zei­tig ausrei­chende aber auch schlanke Compli­ance-Orga­ni­sa­tion aufzubauen?

Fabi­enne Angst: Eine risi­ko­ba­sierte Heran­ge­hens­weise ist empfeh­lens­wert, bei welcher Ressour­cen und Aufmerk­sam­keit auf die Berei­che konzen­triert werden, die dem höchs­ten Risiko ausge­setzt sind. So blei­ben Nonpro­fit-Orga­ni­sa­tio­nen agil und dyna­misch, redu­zie­ren aber gleich­zei­tig das Risiko von kost­spie­li­gen Verstös­sen und unnö­ti­gen Verfah­ren. Meine Erfah­rung zeigt: Meist ist der Mensch die Schwach­stelle. Umso wich­ti­ger ist es, die Mitar­bei­ten­den regel­mäs­sig zu schu­len und ein star­kes Bewusst­sein für die ethi­schen Stan­dards und Compli­ance-Anfor­de­run­gen ihrer Orga­ni­sa­tion sicherzustellen.


Boot­camp: Compli­ance für Nonpro­fits und Funders

Montag, 1. Juli 2024, 9.00 bis 15.00 Uhr Uhr

Teil­nah­me­mög­lich­keit: Vor Ort in Basel oder online 

Anmel­de­schluss ist der 20. Juni 2024

Anmel­dung, Kosten und weitere Informationen

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