Die Honigbiene ist in der Schweizer Natur wildlebend fast ausgestorben! Gleichzeitig wird sie von Imkern intensiv als Nutztier zur Honigproduktion in übermässiger Anzahl und Dichte gehalten. Oft unter dem Deckmantel der Ökologie. Auch die Medien greifen gerne das Thema Honigbienen auf. In der Regel aus der Sicht des Imkers und des Nutztiers. Darüber geht schnell vergessen, wie es um die wildlebende Honigbiene steht. Genau an diesem Punkt setzt FREETHEBEES an. Als einzige Schweizer Organisation engagiert sich FREETHEBEES für die letzten noch freilebenden Honigbienen und für eine artgerechte, verantwortungsvolle und nachhaltige Honigimkerei. Der Schutz und die Förderung der wildlebenden Honigbienen gelingen uns aber nur, wenn wir den Lebensraum der Honigbienen erhalten. In einem ersten Schritt fördert FREETHEBEES, die in der Natur rar gewordenen aber überaus wertvollen Baumhöhlen. Zu diesem Zweck greifen wir auf kulturhistorisches Wissen aus dem Mittelalter zurück, der Zeidlerei. Die damaligen Zeidler schlugen Baumhöhlen zur Honig- und Wachsgewinnung. Wir nutzen diese Technik für den Naturschutz.
Die Waldbienenzucht in lebenden Bäumen war in weiten Teilen Europas verbreitet und verschwand Ende des 19. Jahrhunderts weitestgehend. Die damaligen Imker wurden in Deutsch „Zeidler“ und „Beutner“ genannt, „Bartnik“ und „Bortnik“ in Polnisch und Russisch. Überdauert bis heute hat die traditionelle Technik in Russland, im Shulgan Tash Nature Reserve im südlichen Ural. Dort wurden Dr. Hartmut Jungius und Dr. Przemysław Nawrocki im Rahmen eines vom DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) finanzierten WWF Projektes mit der Methode vertraut und beschlossen, die traditionelle Zeidlerei nach Polen zurückzubringen. Daraus resultieren, verteilt in Zentralpolen, bereits weit über 100 Zeidlerhöhlen in lebenden Bäumen.
André Wermelinger, damals Präsident von FREETHEBEES, wurde durch Hartmut Jungius auf die Zeidlerei aufmerksam und organisierte im Frühling 2014 den ersten Zeidlerkurs in der Schweiz. Der Kurs stiess auf internationales Interesse, vereinte Imker aus halb Europa und er fand sogar in der Waldforschung Resonanz. Frank Krumm, aktiver Forstwissenschaftler wurde dadurch auf uns aufmerksam und sitzt heute neben Harmut Jungius und Przemek Nawrocki im wissenschaftlichen Beirat von FREETHEBEES ein.
Aus dem Initialkurs resultierten in der Folge diverse Zeidlerhöhlen, Klotzbeuten und Zeidlerkurse in der Schweiz, Deutschland, England, Belgien, Luxemburg und bald auch in Frankreich und weiteren Ländern.
Das Abenteuer Zeidlerei hat gerade eben erst neu begonnen: FREETHEBEES nutzt dieses traditionelle Wissen und Handwerk ab sofort, um damit die Waldbiodiversität zu fördern. Zugunsten auch der Honigbienen, der wir ihr angestammtes und natürliches Habitat zurückbringen werden.
Ausgangslage
Habitatbäume mit Mikrohabitaten sind in den Wäldern Mitteleuropas rar geworden. Baumhöhlen sind besonders wertvolle Mikrohabitate. Sie dienen nicht nur wildlebenden Honigbienenvölkern, sondern werden überdies von vielen anderen und teilweise hochspezialisierten Arten oder Artengemeinschaften als Zufluchts‑, Brut‑, Überwinterungs- oder Nahrungsstätten genutzt. In von Menschen beeinflussten Wäldern fehlen diese Habitate in der Regel, was einer Störung des Waldökosystems gleichkommt.
Um die Biodiversität und damit die Resilienz eines Waldbestandes zu stärken, werden durch den Forstbetrieb heute schon Baum-Mikrohabitate erkannt und bei Waldeingriffen erhalten und gefördert. Der Prozess ist aber langwierig und wird die aktuell anstehende Herausforderung zum konsequenten Schutz von baumhöhlenbewohnenden Arten kurzfristig betrachtet nicht lösen können.
Die gemeinnützige Organisation FREETHEBEES geht deshalb einen Schritt weiter und produziert und verbreitet aktiv Baumhöhlen im Ökosystem Wald. Die Hauptmotivation für FREETHEBEES liegt in der Bereitstellung von Nistplätzen für wildlebende Honigbienen. Als überaus wichtiges und wertvolles Nebenprodukt bieten dieselben Höhlen ein Habitat für viele andere und teilweise hochspezialisierte und überaus schützenswerte Arten. Zusammen mit der Honigbiene leben im hohlen Baum 30 Insektenarten, 170 Milbenarten und Spinnentiere, wie auch tausende von Mikroorganismen in teilweise symbiontischer Artengemeinschaft. Auf der Zeitachse betrachtet lösen sich Honigbienenvölker und andere Arten und Artengemeinschaften ab und nutzen die Baumhöhle über unterschiedliche Zeitabschnitte. Dies zeigt, wie komplex und reich an Leben ein Baummikrohabitat ist. Über die temporale Nutzung von Baumhöhlen und viele weiter Aspekt ist wissenschaftlich erst wenig bekannt.
Das neue FREETHEBEES Projekt schafft konkreten und messbaren, direkten Nutzen, indem es Baumhöhlen schlägt, nachbaut und verbreitet. Es fördert zudem die fachübergreifende und nutzenorientierte Zusammenarbeit unter Naturschutzorganisationen, wie beispielsweise dem Vogelschutz, Fledermausschutz, Ameisenschutz, u.v.a.m.
Seitens FREETHEBEES ist das Projekt eng verzahnt mit dem laufenden Forschungsprojekt Swiss BeeMapping, welches freilebende Honigbienenvölker über drei Jahre wissenschaftlich überwacht und die Datengrundlage für Gesundheit und Überlebensraten schafft. Die mit dem neuen Projekt geschaffenen Baumhabitate fliessen automatisch in Monitoring von Swiss BeeMapping mit ein.
Mehrere wissenschaftliche Nachfolgeprojekte werden auf neu geschaffenen Baumhöhlen-Infrastruktur aufsetzen und bisher fehlendes Wissen zum Beispiel zur temporalen Nutzung von Baumhöhlen durch unterschiedliche Arten und Artengemeinschaften generieren. Darüber hinaus wird es erstmals möglich sein, Aussagen über die Qualität von nachgebauten Baumhöhlen und deren Habitatsgüte machen zu können. Bezüglich Mikrobiologischen Studien in der Baumhöhle haben bereits erste Aktivitäten mit der Universität Neuchâtel gestartet. Das Interesse der Wissenschaft ist allgemein gross.
Baumhöhlenarten und ihr Nutzen
Der Fokus der geschaffenen und verbreiteten Baumhöhlen-Habitate liegt auf der Nachahmung grosser Spechtbruthöhlen und Mulmhöhlen ohne Bodenkontakt.
Wirbeltiere als Sekundärnutzer von Spechthöhlen können grosse Mengen an Ästen, Gras und anderen Materialien in die Höhle transportieren. Stickstoffeinträge in Form von Kot, Futterresten oder Kadavern sind eine Energiequelle für viele Wirbellose, die ebenfalls in den Höhlen leben.
Mit der Entwicklung und Erweiterung einer Mulmhöhle wird ihre Struktur komplexer und die Vielfalt der assoziierten Arten nimmt zu. Der entstehende Mulm hat einen hohen pH-Wert, was spezialisierte, seltene Arten begünstigt. Einige seltene Moose und Flechten entwickeln sich nur an der Rinde unter einer Mulmhöhle, wo der pH- Wert durch den Ausfluss aus der Höhle erhöht wird.
Die Honigbiene im Wald
Die Honigbiene ist ein Waldtier. Sie wurde im Zeitraum seit 1850 weitestgehend aus der Schweizer Natur verdrängt. Heute sind nur noch einzelne freilebende Bienenvölker bekannt, die mit hoher Dringlichkeit geschützt und gefördert werden müssen. Da Baumhöhlen nur noch in geringer Anzahl existieren, stellt die Schaffung dieser Habitate die Basis für deren Schutz und Förderung dar.
Wildlebende Honigbienenvölker in Baumhöhlen sind optimale Bioindikatoren. Sie zeigen viel über den Zustand der lokalen Umweltbedingungen auf. So können beispielsweise über die Analyse von Wachs, Pollen und Honig lokal eingesetzte Umweltgifte detektiert werden. Über Pollenanalysen und über die von einem konstanten Nektarfluss abhängige Entwicklung des Bienenvolkes zeigt sich auf einfachste Art und Weise die Blütenvielfalt (im Wald auch die Baumvielfalt) in der Umgebung oder auch Nahrungspräferenzen der Bienen.
Die Baumhöhle bietet der Honigbiene ein Habitat, welches in starkem Kontrast zum Bienenkasten in der Imkerei steht. Wie Forschungen zeigen, sind Bienenvölker im natürlichen Habitat sehr viel kleiner, haben einen 5 bis 10x geringeren metabolischen Gesamtumsatz, sind gesünder und zeigen natürliche Verhaltensweisen, die wiederum für ihre Gesundheit relevant sind (Grooming, Propolisierung, etc.). Bienen im hohlen Baum leben sozusagen im Minergie-P-Vollholz-Haus und haben entgegen ihren Artgenossen im konventionellen Bienenkasten ein trockenes, warmes und schimmelfreies Habitat.
Das Baumhöhlenprojekt hat zum Ziel, möglichst schnell die Anzahl nutzbarer Baumhöhlen zu erhöhen. Das ermöglicht höhlenbewohnenden Arten und Artengemeinschaften umgehend deren Nutzung als Zufluchts‑, Brut‑, Überwinterungs- oder Nahrungsstätte und trägt dazu bei, die Biodiversität, und somit das Waldökosystem zu stabilisieren.
Projektziele
Langfristig betrachtet soll insbesondere eine nachhaltigere Waldwirtschaft die gewünschte natürliche Verbreitung von Baummikrohabitaten sicherstellen. Aber Änderungen im Waldmanagement bedürfen zahlreicher Jahrzehnte, bis deren Auswirkungen im Bereich nutzbarer grösserer Baumhöhlen konkret Wirkung erzielen.
Die Hauptmotivation zur Umsetzung des vorliegenden Projektes liegt für die Organisation FREETHEBEES im Fördern und Verbreiten von Baumhöhlen als natürliche Habitate für die auf Schutz angewiesenen wildlebenden Honigbienenvölker. Als wichtiges und ökologisch betrachtet mindestens ebenso interessantes Nebenprodukt schützen und fördern wir zusätzlich eine Vielzahl an Arten und Artengemeinschaften, die auf das Vorhandensein von Baumhöhlen angewiesen sind. Dazu gehören einige der heute am stärksten vom Aussterben bedrohten Arten, wie beispielsweise xylobionte Käfer. Aber auch Spechte und Fledermäuse werden vom ökologischen Element der Baumhöhle profitieren.
Das vorliegende Projekt schafft nicht nur Baumhöhlen, sondern sichert auch die Weitergabe des spezifischen Wissens und bildet Fachpersonen aus, die in der Lage sind, weitere Baumhöhlen zu kreieren.
Weiter werden Fachpersonen und die breite Öffentlichkeit in das Projekt einbezogen, die auf das Thema sensibilisiert werden sollen. Spezifisch ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Forst und weiteren Naturschutzorganisationen vorgesehen.
Je nach lokalen Rahmenbedingungen sind weitere Nebenerzeugnisse aus dem vorliegenden Projekt nutzbar. So würden beispielsweise Baumhöhlen im Kanton Glarus, in welchem die Imkerschaft von Rechtswegen zum Halten der ursprünglichen Dunklen Bienen (der Ursprungsrasse Apis mellifera mellifera) verpflichtet ist, erstmals ermöglichen, die in der Schweiz ursprüngliche wildlebende Dunkle Honigbiene zu schützen und zu fördern. Eine einmalige Gelegenheit, die FREETHEBEES mit der Planung der geografischen Verteilung der Baumhöhlen berücksichtigen und prüfen wird.
Wie bereits erwähnt übernimmt das laufende FREETHEBEES Citizen Science Projekt Swiss BeeMapping die Überwachung der geschaffenen Baumhöhlen in Bezug auf deren Nutzung durch Honigbienen. Ein zeitliches versetztes wissenschaftliches Projekt soll die Nutzung der geschaffenen Höhlen durch eine Vielfalt von Arten und Artengemeinschaften erforschen.
Geographischer Fokus und Möglichkeiten zur fachübergreifenden Zusammenarbeit
Das Projekt fokussiert auf die Verbreitung von Baumhöhlen in der Schweiz.
Fachübergreifend werden Partnerschaften mit folgenden Institutionen aufgebaut:
- Forst, privat und behördlich
- Natur- und Vogelschutzorganisationen
- Weitere Organisationen, die beispielsweise dem Schutz von Fledermäusen oder von Spechten dienen
Ihre Unterstützungsmöglichkeiten
Unsere Projekte benötigen laufend zinslose Darlehen und Spenden. Wir bieten Ihnen folgende Unterstützungsmöglichkeiten:
• Projektgebundene Spenden
• Legate
• Mitgliedschaften
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