Dimitri Houtteman

Aus dem Moment heraus?

Ständerat Ruedi Noser stellt die Steuerbefreiung gemeinnütziger Organisationen «im Falle von politischer Tätigkeit» in Frage.

Der Zürcher Parla­men­ta­rier der FDP.Die Libe­ra­len macht sich unli­be­rale Gedan­ken.

Mit seiner am 24. Septem­ber einge­reich­ten Motion möchte der Zürcher Stän­de­rat Ruedi Noser den Bundes­rat beauf­tra­gen lassen, «die Einhal­tung der Anfor­de­run­gen an die Steu­er­be­frei­ung juris­ti­scher Perso­nen bei der direk­ten Bundes­steuer wegen Gemein­nüt­zig­keit im Falle von poli­ti­scher Tätig­keit zu über­prü­fen» (Curia Vista Geschäft Nr. 20.4162). In seiner Begrün­dung stört sich der Motio­när daran, dass zahl­rei­che NGOs «derzeit … in verschie­de­nen kontro­ver­sen poli­ti­schen Vorla­gen enga­giert» sind. Und er scheut sich nicht, seinen Ärger darob an zwei brand­ak­tu­el­len natio­na­len Urnen­gän­gen abzu­ar­bei­ten: am Refe­ren­dum gegen das neue Jagd­ge­setz (letz­tes Abstim­mungs­wo­chen­ende) und an der Konzern­ver­ant­wor­tungs-Initia­tive KVI (nächs­tes Abstimmungswochenende).

Stän­de­rat Nosers Motion (sie kennt keine Mitun­ter­zeich­nende!) scheint also einem tages­ak­tu­el­len Impuls entsprun­gen zu sein. Bei seinen Zwei­feln an der Legi­ti­mi­tät der Steu­er­be­frei­ung juris­ti­scher Perso­nen (somit auch gemein­nüt­zi­ger Förder­stif­tun­gen) argu­men­tiert er mit dem Kreis­schrei­ben Nr. 12 der Eidge­nös­si­schen Steu­er­ver­wal­tung (8. Juli 1994) betr. «Steu­er­be­frei­ung juris­ti­scher Perso­nen, die öffent­li­che oder gemein­nüt­zige Zwecke oder Kultus­zwe­cke verfol­gen». Dieses Kreis­schrei­ben operiert mit dem Begriff «Inter­esse der Allge­mein­heit», die sich «nach der jeweils mass­ge­ben­den Volks­auf­fas­sung» beur­teilt. Die hier inter­es­sie­rende zentrale Frage­stel­lung bringt das Kreis­schrei­ben folgen­der­mas­sen auf den Punkt: «Gemein­nüt­zig­keit im steu­er­recht­li­chen Sinne liegt jeweils nur vor, wenn die Tätig­keit nicht nur darauf ange­legt ist, das Inter­esse der Allge­mein­heit zu fördern, sondern wenn ihr auch der Gemein­sinn zugrunde liegt.» Worin aber liegt denn mehr Gemein­sinn als in guter Politik?

Das Kreis­schrei­ben von 1994 schliesst eine wie auch immer gear­tete «poli­ti­sche Tätig­keit» für die Bewah­rung der Steu­er­be­frei­ung von gemein­nüt­zi­gen juris­ti­schen Perso­nen nicht expli­zit aus. Zu Recht: Mit ihrem Rekurs gegen das neue Jagd­ge­setz «poli­ti­sierte» Pro Natura nicht, sondern setzte – mit einem limi­tier­ten Geld­be­trag – mit dem Zweck der Erhal­tung der Biodi­ver­si­tät eines seiner als gemein­nüt­zig und deshalb als steu­er­be­frei­end aner­kann­ten Ziele um. Vergleich­bar argu­men­tie­ren können Orga­ni­sa­tio­nen, die mit der Unter­stüt­zung der KVI ihre statu­ta­ri­schen Ziel­set­zun­gen für Umwelt- und Sozi­al­an­lie­gen ebenso verfol­gen, wie sie es übli­cher­weise mit der Durch­füh­rung oder Förde­rung praxis­be­zo­ge­ner Projekte tun. Etwas anders sieht es wohl für reine Advo­cacy-Orga­ni­sa­tio­nen und Pres­sure-Groups aus: Das Kreis­schrei­ben der Eidge­nös­si­schen Steu­er­ver­wal­tung gewährt «Verei­ni­gun­gen mit ideel­ler Zweck­set­zung aller Art» nämlich keine Steuerbefreiung.

Ist sich der Motio­när bewusst, dass bei einer Umset­zung seiner Absich­ten nicht irgend­wel­che NGOs, sondern dass viele Stif­tun­gen ihre Steu­er­be­frei­ung auf Spen­den resp. auf Ihre Kapi­tal­erträge verlie­ren würden und dass damit mass­geb­li­che Teile des Drit­ten Sektors und der Zivil­ge­sell­schaft in ihrer Schlag­kraft behin­dert und in ihrem Inno­va­ti­ons­po­ten­tial beschnit­ten würden? Damit würde die im Stän­de­rat hängige Parla­men­ta­ri­sche Initia­tive Lugin­bühl zur Stär­kung des Stif­tungs­plat­zes Schweiz gera­dezu konter­ka­riert oder unterlaufen.

Oder ist all dies von Stän­de­rat Ruedi Noser etwa gar nicht beab­sich­tigt? Im Schluss­satz seines Moti­ons­tex­tes öffnet er nämlich ein Törchen: «Falls der Wider­ruf nicht geschieht, und das Verbot von poli­ti­scher Betä­ti­gung gross­zü­gig ausge­legt wird, ist der Bundes­rat gehal­ten, die Anfor­de­run­gen für die Steu­er­be­frei­ung juris­ti­scher Perso­nen anzu­pas­sen und die Steu­er­be­frei­ung weite­ren Krei­sen zu öffnen.» Ist seine Motion even­tu­ell dem Ziel geschul­det, die Steu­er­be­frei­ung für poli­ti­sche Parteien zu errei­chen? Ausge­rech­net sie sind nämlich im Kreis­schrei­ben von 1994 expli­zit von der Steu­er­be­frei­ung ausgeschlossen.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

Folgen Sie StiftungSchweiz auf

-
-