Bild: Rolf M. Jeker, Chair of the AO Alliance Board of Directors, zVg AO Foundation

AO Alli­ance: Wissen teilen

Die AO Alliance hält ein globales Netzwerk an Spezialist:innen für Trauma und Orthopädie (T&O). Ihr Einsatz gilt der Ausbildung lokaler Dozent:innen und Arbeitenden im Gesundheitswesen. Mit ihrem Engagement will sie den schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen durch Unfälle entgegenwirken. Rolf M. Jeker, Chair of the Board of Directors, beantwortet Fragen zum AO Alliance Engagement.

Wie kam es zur Spezia­li­sie­rung auf Knochen­brü­che und deren Heilung?

Dies ist auf eine histo­ri­sche Leis­tung schwei­ze­ri­scher Chir­ur­gen in den 1960er Jahren zurück­zu­füh­ren, die die Unfall­chir­ur­gie welt­weit revo­lu­tio­niert haben. Statt Gips mit Trak­tion wurden Implan­tate verwen­det, die den Aufent­halt im Spital von 14 Wochen auf weni­ger als eine Woche verkürz­ten. Gleich­zei­tig redu­zierte sich in der Schweiz die Inva­li­di­tät, die gemäss SUVA 40 Prozent aller Bruch­be­hand­lun­gen mit sich zog. Kosten wurden gespart und Leiden verrin­gert. In dieser Zeit wurde die AO Stif­tung gegrün­det, aus der im Dezem­ber 2014 die AO Alli­ance hervor­ging.
Letz­tere befasst sich mit Unfall­pro­ble­men in ärme­ren Ländern. Weit­ge­hend unbe­kannt ist nämlich die Tatsa­che, dass jähr­lich immer noch schät­zungs­weise vier Millio­nen Menschen an Unfall­fol­gen, wegen mangeln­der Behand­lung ster­ben und jähr­lich 30 Millio­nen Verletzte mit dauern­den körper­li­chen Behin­de­run­gen weiter­le­ben müssen. 90 Prozent davon befin­den sich in ärme­ren Ländern. Millio­nen kann gehol­fen werden. Da setzt die Tätig­keit der AO Alli­ance an. 

Wo sehen Sie den gröss­ten Hebel, um die Behand­lung von Knochen­brü­chen zu verbessern?

Durch die Ausbil­dung von Unfallchirurg:innen vor Ort, um genü­gend nach­hal­tige Kapa­zi­tät aufzu­bauen, sodass beispiels­weise afri­ka­ni­sche Chirurg:innen auch als Instruktor:innen ihre afri­ka­ni­schen Kolleg:innen ausbil­den. Das heisst, Hilfe vor Ort aus eige­nen Kräf­ten. Dazu braucht es vor allem (mehr) Geld und klare Kennt­nisse der loka­len Probleme. 

Heute erhal­ten Unfall­be­hand­lun­gen etwa 40 mal weni­ger Geld als anste­ckende Krank­hei­ten (Tuber­ku­lose, Mala­ria, HIV). Dies trotz des Umstan­des, dass bei Letz­te­ren 30 Prozent weni­ger Todes­fälle regis­triert werden. 

Sie arbei­ten gemein­sam mit Part­ne­rin­nen wie der John­son & John­son Foun­da­tion. Wie gestal­tet sich diese Zusammenarbeit?

Die John­son & John­son Foun­da­tion ist ein verläss­li­che Unter­neh­mens­part­ne­rin, die uns die Umset­zung wich­ti­ger Projekte über­trägt, die eine bessere Behand­lung von Unfall­op­fern ermög­licht. Diese Programme entwi­ckeln wir gemein­sam für Länder nied­ri­gen Einkom­mens. Beispiels­weise begann die Zusam­men­ar­beit für das auf drei Jahre ausge­legte Weiter­bil­dungs­pro­jekt in West Afrika (WATEP) im Jahre 2019. Der Zugang und die Quali­tät der Behand­lung werden durch WATEP in Nige­ria, Ghana und der Elfen­bein­küste verbes­sert, um insbe­son­dere dauernde Inva­li­di­tät zu vermei­den. Dies geschieht vor allem durch die spezia­li­sierte Ausbil­dung der Chirurg:innen und dem Operationspflegepersonal. 

Aufbau­end auf dem Erfolg des WATEP Programms hat sich die Part­ner­schaft weiter entwi­ckelt. So wurde 2022 in Malawi ein drei­jäh­ri­ges Programm zur besse­ren Behand­lung von Frak­tu­ren lanciert. 

Wie arbei­ten Sie mit den jewei­li­gen Gesund­heits­be­hör­den vor Ort zusammen?

Der Name Alli­ance ist Omen. Wir arbei­ten mit allen loka­len und inter­na­tio­na­len Part­nern eng zusam­men, die einen komple­men­tä­ren Beitrag zur Lösung der Probleme beitra­gen können.  Dazu gehö­ren die Gesund­heits­be­hör­den, lokale und regio­nale Chir­ur­gen­or­ga­ni­sa­tio­nen und Spitä­ler, die bei allen unse­ren Bedürf­nis­ab­klä­run­gen invol­viert sind. Wir fügen unsere Akti­vi­tä­ten in die jewei­li­gen natio­na­len Gesund­heits­pläne ein. Geld fliesst keines zu staat­li­chen Stel­len. Wir finan­zie­ren die Projekte direkt.

Welche Rolle spie­len tradi­tio­nelle Heil­me­tho­den für die Verletz­ten vor Ort?

Viele Menschen in Subsa­hara-Afrika vertrauen auf tradi­tio­nelle Heiler und deren medi­zi­ni­sche Grund­ver­sor­gung, auch bei Frak­tu­ren. In Ghana, wo unser Programm auch statt­fin­det, sind es zwischen 50 – 70 Prozent. Oft sind die Patient:innen Kinder. Häufig enden die tradi­tio­nel­len Behand­lun­gen von Knochen­brü­chen leider mit erns­ten Kompli­ka­tio­nen und haben Ampu­ta­tio­nen, dauernde körper­li­che Behin­de­run­gen oder Tod zur Folge. Die dras­tischs­ten Auswir­kun­gen tragen Kinder und junge Erwach­sene im erwerbs­fä­hi­gen Alter, weil sie inva­lid werden. Da die Kapa­zi­tät der Spitä­ler weit unter dem notwen­di­gen Mini­mum liegt, um Knochen­brü­che adäquat behan­deln zu können, steckt enor­mes Poten­tial in der Ausbil­dung von soge­nann­ten «Knochen­schlos­sern». Die AO Alli­ance ist eine der weni­gen Orga­ni­sa­tio­nen, welche tradi­tio­nel­len Heilern proak­tiv einfa­che Behand­lungs­me­tho­den lehrt und zur Vermei­dung gravie­ren­der Fehler beiträgt. Gerne können Sie mehr erfah­ren über das AOA Programm zur Schu­lung von tradi­tio­nel­len Heilern in Ghana auf der Platt­form der Stif­tung Schweiz. 

Welches sind die gröss­ten Schwie­rig­kei­ten vor Ort? 

Kran­ken­häu­sern in Subsa­hara-Afrika mangelt es meist an adäqua­ter medi­zi­ni­scher Ausstat­tung und an spezi­ell für die Behand­lung von Frak­tu­ren geschul­tem Perso­nal, dies betrifft sowohl Chirurg:innen des Fach­be­rei­ches Trauma und Ortho­pä­die als auch das Opera­ti­ons­pfle­ge­per­so­nal. Beispiels­weise haben in Ghana, abge­se­hen von Univer­si­täts­spi­tä­lern, nur wenige Kran­ken­häu­ser eine Fach­ab­tei­lung für Trauma und Ortho­pä­die (T&O). 2021 gab es nur 52 T&O Chir­ur­gen für die über 30 Millio­nen Einwohner:innen Ghanas, in Malawi sind es heute nur 13 T&O Chir­ur­gen für 19 Millio­nen Menschen.  Zudem sind ortho­pä­di­sche Implan­tate sehr teuer. Die häufig von Armut betrof­fe­nen Patient:innen in öffent­li­chen Kran­ken­häu­sern verschul­den sich weiter, um solche Implan­tate bezah­len zu können oder müssen den Kran­ken­haus­auf­ent­halt verlän­gern, da sie sich die Durch­füh­rung der notwen­di­gen Opera­tion nicht leis­ten können. Deswe­gen legen wir bei der Ausbil­dung ein Schwer­ge­wicht auf konser­va­tive Behand­lungs­me­tho­den, die keinen beson­de­ren chir­ur­gi­schen Eingriff bedürfen. 

Inwie­fern hilft das welt­weite Netzwerk?

Unser globa­les Netz­werk ermög­licht Handeln vor Ort ohne kost­spie­lige Reisen und Mass­nah­men von der Schweiz aus. Afrikaner:innen kümmern sich um afri­ka­ni­sche Probleme, Asiat:innen um asia­ti­sche Probleme. Diese sind oftmals spezi­fi­scher Natur und in unse­ren Brei­ten­gra­den kaum noch bekannt. Mit unse­rem Einsatz bei der Ausbil­dung der loka­len Dozent:innen haben wir genau das erreicht. Zwischen 2015 und 2021 haben wir über 25000 Arbei­tende des Gesund­heits­we­sens und 260 Dozent:innen aus‑, und weiter­ge­bil­det. Letz­tere bewir­ken eine nach­hal­tige lokale Entwick­lung. Alle von uns ausge­bil­de­ten Chirurg:innen und Dozent:innen sind im Land geblieben.

Wie lange gibt es die gemein­nüt­zige Stif­tung AO Alli­ance Foundation.

Die AO Alli­ance wurde im Dezem­ber 2014  — als Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­tion des frühe­ren «AO Socio Econo­mic Commit­tee», welches 1990 seine Arbeit begann — gegrün­det. Bald haben wir unser acht­jäh­ri­ges Bestehen, aber können uns auf eine 30-jährige Erfah­rung stützen. 

Welches sind Ihre Schwerpunktländer?

Wir sind in 26 Ländern gerin­gen und mitt­le­ren Einkom­mens in Subsa­hara-Afrika und in acht Ländern Asiens aktiv. In Afrika sind unsere Schwer­punkt­län­der Ghana, Malawi, Äthio­pien, Burkina Faso und Gambia. In Asien konzen­trie­ren wir unsere Akti­vi­tä­ten auf Kambo­dscha, Nepal und Bangladesch. 

Dr Nardos Worku, CURE Ethio­pia Children’s Hospi­tal, Addis Ababa, Ethio­pia, Janu­ary 2018
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