Bild: Julien Pianetti, unsplash

Ananas-Phil­an­thro­pie

«Ich spende 5057 Bitcoin an gemeinnützige Zwecke.» Das postete 2017 ein anonymer Social-Media-Nutzer. Was als «Pineapple Fund» in die Geschichte des Gebens einging, könnte zum Beginn einer neuen digitalen Philanthropie werden.

Die meis­ten hiel­ten es besten­falls für einen Witz: Eine 86 Millio­nen Dollar Spende – diesem Wert entspra­chen 5057 Bitcoin 2017 – ange­kün­digt über einen kurzen Social-Media-Post bei Reddit. Absen­der: ein User mit dem Pseud­onym Pine. Immer­hin zur Moti­va­tion gab Pine etwas preis:

«Bitcoin has chan­ged my life, and I have far more money than I can ever spend. My aims, goals, and moti­va­tions in life have nothing to do with having XX million or being the mega rich. So I’m doing some­thing else: dona­ting the majo­rity of my bitco­ins to chari­ta­ble causes. I’m calling it 🍍 The Pineapple Fund.»

Trotz Zwei­fel an der Echt­heit dieser Aktion bewar­ben sich tausende Orga­ni­sa­tio­nen aus der ganzen Welt. Und tatsäch­lich: Nur wenige Monate später meldete Pine Voll­zug. Zwar sackte der Bitcoin-Kurs zwischen­zeit­lich ab, weshalb die endgül­tige Spen­den­summe gerin­ger ausfiel als erwar­tet. Doch noch immer wurden 55 Millio­nen Dollar an insge­samt 60 Orga­ni­sa­tio­nen verge­ben. Fund­rai­ser aus allen Ländern verstan­den ihre Welt nicht mehr: Was war da gerade passiert?

Der Pineapple Fund markierte den Start­schuss für eine neue Form phil­an­thro­pi­schen Enga­ge­ments mittels Kryp­to­wäh­run­gen. In der DACH-Region häufig noch als nerdige Spie­le­rei abge­tan und belä­chelt, sind Spen­den in Form von Kryp­to­wäh­run­gen in Ländern wie Gross­bri­tan­nien oder den Verei­nig­ten Staa­ten inzwi­schen zu einem multi-milli­ar­den Dollar Spen­den­markt ange­wach­sen. Kryp­to­wäh­run­gen wie Bitcoin oder Ethe­reum statt wie üblich Euros oder Dollars zu spen­den, wer kommt eigent­lich auf solch eine Idee?

2 Prozent der User halten 71 Prozent der Bitcoins

Pine ist einer jener Über­zeu­gungs­tä­ter, die früh an die digi­ta­len Währungs­al­ter­na­ti­ven glaub­ten und einstie­gen. «Wale» werden sie im Krypto-Univer­sum genannt. Gemeint sind User, die mehr als 1000 Bitcoin halten. Ein gros­ser Teil des gesam­ten Bitcoin-Kapi­tals konzen­triert sich bei dieser rela­tiv über­schau­ba­ren Gruppe. Konkrete Zahlen sind aufgrund der Pseud­ony­mi­tät der Block­chain nicht einfach zu erhe­ben. Schät­zun­gen gehen aber davon aus, dass etwa 2 Prozent der User gut 71 Prozent aller Bitco­ins halten. Damit haben Kryp­to­wäh­run­gen quasi aus dem Nichts unge­heure Vermö­gen geschaf­fen – eine Entwick­lung, die spätes­tens seit dem Wahl­sieg von Donald Trump und der unge­heu­ren Kurs­ral­lye des Bitcoin weiter an Fahrt aufnimmt. Es sind Vermö­gen, an dem gemein­wohl­ori­en­tierte Orga­ni­sa­tio­nen noch viel zu selten partizipieren.

Das wohl grösste Problem liegt derweil auf der Empfän­ger­seite: Gerade einmal eine Hand­voll an Orga­ni­sa­tio­nen sind über­haupt in der Lage, Kryp­to­wäh­run­gen als Spende anzu­neh­men. Demge­gen­über steht eine ungleich grös­sere Geber­seite – auch und gerade in der DACH-Region. Einer Unter­su­chung des Wirt­schafts­so­zio­loge Koray Calis­kan zufolge ballen sich die Halter von Kryp­to­wäh­run­gen in fünf Ländern: USA, Nieder­lande, Austra­lien, Frank­reich und Deutsch­land. Neueste Studien gehen davon aus, dass allein in Deutsch­land über neun Millio­nen Menschen Kryp­to­wäh­run­gen besit­zen (12 Prozent der Bevöl­ke­rung), in Öster­reich sind es 1,3 Millio­nen (14 Prozent), in der Schweiz sogar rund 1,9 Millio­nen (21 Prozent). Warum schafft es der gemein­nüt­zige Sektor nicht, dieses unge­nutzte Poten­zial zu mobilisieren?

Das Poten­zial von Kryp­to­spen­den ist gross

Was der Entwick­lung eines akti­ven Kryp­to­spen­den-Ökosys­tems im Weg steht, sind vor allem drei Dinge:

Fehlen­des Wissen: Mangelnde Kennt­nisse zu und im Umgang mit Kryp­to­wäh­run­gen sind sicher­lich die grösste Hürde, die Gemein­nüt­zige von der Annahme von Kryp­to­spen­den abhält. Noch immer bestim­men Vorur­teile das Bild von Kryp­tos. (Oder was haben Sie gedacht, als Sie auf dieser Seite zum ersten Mal das Wort «Kryp­to­wäh­run­gen» lasen? Geld für Verbre­cher viel­leicht? Bitcoin, die Umwelt­sau?) Es lohnt sich, tiefer in die Mate­rie einzu­stei­gen, um eine fundierte Entschei­dung für oder auch gegen Kryp­to­spen­den tref­fen zu können.

Recht­li­che Unsi­cher­hei­ten: Kryp­to­wäh­run­gen sind – gerade in der gemein­nüt­zi­gen Welt – eine rela­tiv neue Finan­zie­rungs­quelle, deren recht­li­che Bewer­tung durch­aus einige Schwie­rig­kei­ten aufwirft. Das betrifft etwa Sorg­falts­pflich­ten basie­rend auf Geld­wä­sche­re­gu­la­rien oder den Umgang mit anony­men Spen­den. Zudem befin­det sich der Kryp­to­sek­tor mitten in der Regu­lie­rung. Insbe­son­dere die 2025 in Kraft tretende MiCA (Markets in Crypto-Assets Regu­la­tion) der Euro­päi­schen Union ist ein wich­ti­ger Schritt hin zu einem regu­lier­ten und rechts­si­che­ren Kryptomarkt.

Das jedoch sollte Stif­tun­gen und andere gemein­wohl­ori­en­tierte Orga­ni­sa­tio­nen nicht reflex­ar­tig davon abhal­ten, sich diesem Thema anzu­nä­hern. Die Möglich­keit der rechts­si­che­ren Annahme ist – wenn auch zuwei­len etwas umständ­lich – auch heute schon gegeben.

Mutige Vorbil­der: Es gibt sie bereits: dieje­ni­gen Orga­ni­sa­tio­nen, die schon seit Jahren Kryp­to­spen­den anneh­men und sogar aktiv nach ihnen fund­rai­sen – teils mit enor­mem Erfolg. Dazu zählen Sea-Watch, SOS-Kinder­dör­fer welt­weit oder Sea Shep­herd. Auch PHINEO hat sich in diesem Jahr für die Annahme geöff­net. Weitere kommen zwar lang­sam, aber stetig hinzu. Dennoch gibt es noch immer viel zu wenige Orga­ni­sa­tio­nen, die sich an das Zukunfts­thema heran­wa­gen und mit gutem Beispiel voran gehen.

Eine Nische zum Besetzen

Bisher sind Kryp­to­spen­den zwei­fels­ohne eine Nische auf dem Fund­rai­sing-Markt. Doch es gibt gute Gründe anzu­neh­men, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Kryp­to­wäh­run­gen erfreuen sich zuneh­men­der Beliebt­heit, gerade bei jünge­ren Bevöl­ke­rungs­grup­pen. Zudem etablie­ren sie sich immer mehr als neue Asset­klasse, und das sowohl bei priva­ten als auch bei Insti­tu­tio­nel­len Inves­to­ren. Das wiederum trägt lang­fris­tig zu einer struk­tu­rel­len Stär­kung des Ökosys­tems bei.

Auf abseh­bare Zeit werden Kryp­tos also nicht verschwin­den. Gemein­nüt­zige Orga­ni­sa­tio­nen, die sich schon heute mit dem Thema beschäf­ti­gen und den ersten Schritt zur Einrich­tung einer Spen­den­wal­let gehen, stel­len die Finan­zie­rung der eige­nen Orga­ni­sa­tion auf ein neues Stand­bein und machen sie fit für die Zukunft. Und nicht nur das: Wer früh­zei­tig anfängt, profi­tiert von First-Mover-Effek­ten. Denn noch trifft ein hohes Spen­den­po­ten­zial auf einen rela­tiv klei­nen Kreis an Empfängerorganisationen.

In diesem Licht betrach­tet, war der bis dato einma­lige Akt des Gebens durch den Pineapple-Fund mehr als eine gross­zü­gige Spende: Er war der Start einer neuen digi­ta­len Form des Gebens.

Ex post fand der bis heute anonym geblie­bene Spen­der – oder die Spen­de­rin – eine origi­nelle Erklä­rung für die Namens­ge­bung: «Eine Ananas schmeckt köst­lich, aber wer zu viel davon isst, bekommt eine wunde Zunge. Die Lösung ist einfach: Man muss sie mit ande­ren teilen.» Dieses Geheim­nis, dass das Teilen und (Ab)Geben die Freude verdop­pelt und nicht halbiert, kennt die Phil­an­thro­pie seit jeher. Es könnte auch den neuen Krypto-Phil­an­thro­pen gefal­len. Und das «Inter­net-Geld» den Organisationen.


Mehr zur Annahme von Kryptospenden

StiftungSchweiz engagiert sich für eine Philanthropie, die mit möglichst wenig Aufwand viel bewirkt, für alle sichtbar und erlebbar ist und Freude bereitet.

Folgen Sie StiftungSchweiz auf

-
-