Die Alps Foundation fördert das Verständnis von psychedelischer Forschung und Therapie. Was ist darunter zu verstehen?
Man beginnt Psychedelika auf internationaler Ebene als vielversprechende Medikamente zur Behandlung bestimmter Formen von psychischen Erkrankungen zu betrachten (United Nations – World Drug Report – 2023). Psychedelika-assistierte Therapie (PAT) könnte eine zusätzliche Behandlungsoption neben den bereits verfügbaren darstellen. Insbesondere bei Problemen, die gegenüber den aktuell gängigsten Behandlungsformen resistent bleiben, wie Depressionen, Suchterkrankungen oder Traumata zeigen sie viel Potenzial (Seragnoli et al., 2024).
Dennoch werden im allgemeinen Verständnis der Bevölkerung Psychedelika wie Psilocybin, MDMA oder LSD nach wie vor als gefährliche Drogen angesehen. Im Vergleich mit anderen Substanzen ist diese Klassifikation fragwürdig. Zum Beispiel wird Morphin, ein Derivat von Opium, normalerweise als Schmerzmittel im medizinischen Bereich betrachtet, obwohl es ein Risiko für Abhängigkeit birgt und auch rekreativ konsumiert wird. Psychedelika sind hingegen noch nicht als Medikamente klassifiziert, obwohl die Risiken ihres Gebrauchs hinsichtlich Toxizität und Suchtpotenzial im Vergleich zu anderen psychoaktiven Substanzen, die täglich in der Psychiatrie verwendet werden (zum Beispiel Benzodiazepine) relativ gering sind.
Die Schweiz spielt eine Vorreiterrolle und hat eine Schlüsselposition in der internationalen Entwicklung dieser Therapien.
Federico Seragnoli, Alps Foundation
Die Schweiz spielt eine Vorreiterrolle und hat eine Schlüsselposition in der internationalen Entwicklung dieser Therapien. Im Unterschied zu anderen Ländern erlaubt das Schweizer Gesetz unter strengen Bedingungen eine medizinische Nutzung von normalerweise verbotenen Betäubungsmitteln. Patient:innen, die diese Behandlung erhalten, müssen nachweisen, dass sie bereits alle anderen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft haben, sowohl in der Psychotherapie als auch hinsichtlich der bereits zugelassenen Medikamente (Angstlöser, Antidepressiva, Benzodiazepine). Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erteilt in diesem Fall Patient:innen individuelle Genehmigungen für die psychotherapeutische Anwendung einer psychedelischen Substanz (LSD, MDMA, Psilocybin).
Seit 2014 werden in der Schweiz auf diese Weise Psychedelika im Rahmen der Psychotherapie verwendet. Seit etwa zehn Jahren konnten rund 1000 Patient :innen von einer Psychedelika-assistierten Therapie (PAT) profitieren (Aicher et al., 2024).
Die ALPS Foundation: Awareness Lectures on Psychedelics in Switzerland wurde gegründet, um die Entwicklung dieses aufstrebenden Bereichs zu unterstützen. Es ist uns wichtig, das wissenschaftliche Wissen, das wir heute über diese Substanzen und ihre medizinische Anwendung in der Psychotherapie haben, zu teilen. Dies fördert die Entwicklung von klinischen und anderen Forschungsprogrammen und reduziert das noch vorhandene Stigma gegenüber dieser Behandlung. Um diese Behandlung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war es zudem notwendig, einer neuen Generation von zukünftigen Gesundheitsfachleuten Zugang zu klaren und qualitativ hochwertigen Informationen zu ermöglichen. Die universitären Ausbildungsangebote sind nämlich derzeit begrenzt oder nicht vorhanden.
Weshalb ist das Thema für die Gesellschaft relevant?
Psychologische Resilienz ist fundamental für eine demokratische, liberale und offene Gesellschaft. Heute stehen wir vor kollektiven Herausforderungen wie etwa beschleunigten technologischen Entwicklungen oder dem Klimawandel, die uns dazu zwingen, unsere Gewohnheiten und Perspektiven zu überdenken. Diese grossflächigen Veränderungen sind Risikofaktoren für die psychische Gesundheit der Bevölkerung. Während Psychedelika derzeit noch für behandlungsresistente Probleme reserviert sind, könnten sie in Zukunft eine Erstlinientherapie werden. Zudem könnten sie als präventive Massnahme in der psychischen Gesundheit und sogar für Probleme im Zusammenhang mit dem Altern untersucht werden.
Richten Sie sich an ein Fach- oder ein allgemeines Publikum?
Die Stiftung richtet sich über ihre verschiedenen Kommunikationskanäle an ein breites Publikum. Wir bieten Podcasts sowie akademische Vorträge für Studierende und Fachleute im Bereich der psychischen Gesundheit an. Das gesamte Bildungsmaterial ist online kostenlos verfügbar. Zusätzlich lancieren wir auch Mitgliedschaften, die sich generell an alle Psychedelika-Interessierten richten. Für diese ALPS-Mitglieder organisieren wir Get-Togethers, bei denen ein informeller Austausch rund um die Welt der Psychedelika stattfindet.
Was gab den Anlass zur Gründung der Stiftung?
Wir waren eine Gruppe von Studierenden der Universität Lausanne und waren hungrig nach Wissen. Nachdem wir einen Blogbeitrag der Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) (Andrew Sewell, 2010) gelesen haben, wurde uns klar, dass wir unseren Teil dazu beitragen könnten, Wissen über die therapeutischen und wissenschaftlichen Anwendungen von Psychedelika zu verbreiten. Daher gründeten wir 2019 den ersten schweizerischen universitären Verein zur Weitergabe von Wissen in diesem aufkommenden Bereich: PALA – Psychedelics Association of Lausanne for Awareness.
Wir haben an der Universität Serien von Paper Clubs, Dokumentarfilmvorführungen und Expertenvorträge von Therapeut:innen oder Wissenschaftler:innen organisiert. Das Modell erwies sich schnell als erfolgreich und wurde an anderen Schweizer Universitäten nachgeahmt. Heute gibt es insgesamt sieben Universitätsvereine an den Universitäten Genf, Lausanne, Neuenburg, Freiburg, Bern, Basel und Zürich. Gemeinsam bilden sie das Swiss Psychedelic Student Network, das jedes Jahr das Swiss Psychedelic Student Forum veranstaltet.
Die Stiftung deckt drei Hauptbereiche ab: Bildung, Forschung und Zugangserleichterung.
Federico Seragnoli
Schliesslich ermöglichte es uns eine Crowdfunding-Kampagne des Vereins PALA im Oktober 2021 die erste schweizerische akademische Konferenz im Olympischen Museum Lausanne zu organisieren: Awareness Lectures on Psychedelic Science. Dank des Erfolgs und der erhaltenen Mittel gründeten wir im Dezember 2021 die Stiftung ALPS: Awareness Lectures on Psychedelics in Switzerland. Um die Konferenz langfristig zu sichern, hielten wir es für notwendig, ein solides rechtliches Instrument zu schaffen, um unsere Mission fortzusetzen.
Welche Ziele soll sie erreichen?
Die Stiftung deckt drei Hauptbereiche ab: Bildung, Forschung und Zugangserleichterung.
Im Bereich Bildung entwickeln wir verschiedene Initiativen, die Menschen ansprechen, die sich für diese Themen interessieren. Dazu gehört insbesondere die jährliche akademische Konferenz zu Psychedelika, sowie die jährliche Studierendenkonferenz. Zudem starten wir ein Projekt für eine Summer School, die als intensives und multidisziplinäres Lernangebot für Studierende und Fachleute, sowohl aus der Schweiz als auch aus dem Ausland, gedacht ist.
Im Bereich Forschung haben wir zwei aktive Projekte: Erstens die Erstellung unseres ersten wissenschaftlichen Artikels zu den Konsummotiven von Psychedelika bei Universitätsstudierenden, für den die Datensammlung abgeschlossen ist. Zweitens erforschen wir durch eine Online-Umfrage die kontextuellen Aspekte im Bezug auf Set und Setting des Konsums dieser Substanzen. ALPS hat das Ziel, die notwendigen personellen und materiellen Ressourcen zu bündeln, um bedeutende interuniversitäre Projekte auf nationaler Ebene durchzuführen.
Schliesslich erfolgt die Zugangserleichterung auf zwei Ebenen: für Fachleute und für Patient:innen.
Federico Seragnoli
Schliesslich erfolgt die Zugangserleichterung auf zwei Ebenen: für Fachleute und für Patient:innen. Auf der professionellen Seite bieten wir Beratungsdienste für Kliniken und Therapeut:innen an, die diese Behandlungsoption anbieten möchten. Auf der anderen Seite setzen wir uns für die Schaffung von Initiativen zur Erleichterung des Zugangs für Patienten ein, wie den «Geneva Psychedelic Psychotherapy Patients Access Fund», einen Fonds, der dazu beitragen könnte, einen Teil der Kosten für psychedelische Therapien zu decken, die noch nicht vollständig von Krankenkassen übernommen werden.
Wo liegen die grossen Herausforderungen für die Stiftung?
ALPS ist komplett durch Freiwillige organisiert. Mittlerweile sind wir eine Gruppe von über 30 Personen, die pro Woche mindestens ein paar Stunden investieren. Wir sind bedacht, authentische Verbindungen zwischen den Mitgliedern der Gruppe zu knüpfen und die besten Bedingungen für die Integration von Personen zu schaffen, die teilnehmen und ihren Beitrag leisten möchten. Da dieses Feld in voller Expansion begriffen ist und immer mehr Menschen die Möglichkeit suchen, sich beruflich weiterzuentwickeln, müssen wir darauf achten, nicht zu schnell zu viele Dinge auf einmal zu tun, während wir gleichzeitig möglichst vielen Personen die Gelegenheit zur Teilnahme geben. Ähnlich wie damals Alain Berset während der Pandemie betont hat, müssen wir «so schnell wie möglich handeln, aber auch so langsam wie nötig».
Arbeiten Sie mit anderen Organisationen zusammen?
Auf lokaler Ebene arbeiten wir in mit verschiedenen Universitäten und Krankenhäusern in der Schweiz in Genf, Fribourg, Zürich und Basel zusammen. Diese verschiedenen Institutionen sind im Scientific Advisory Board der Stiftung durch die wissenschaftlichen Betreuer:innen unserer Aktivitäten vertreten. Wir kooperieren auch mit den schweizerischen Berufsverbänden für psychedelische Therapeut:innen (SÄPT, SSMP, ASPT, Fondaziona Alaya) und mit der schweizerischen Patientenvereinigung für psychedelische Psychotherapie (Psychédelos) zusammen. Zusätzlich arbeiten wir daran, Partnerschaften mit Stiftungen und anderen NPO im Bereich mentale Gesundheit aufzubauen, um unsere gesellschaftliche Wirkung zu steigern.
Auf internationaler Ebene pflegt ALPS kontinuierliche Kontakte mit ähnlichen Institutionen in benachbarten Ländern, wie der MIND Foundation in Deutschland, der Société Psychédélique Française in Frankreich, der OPEN Foundation in den Niederlanden und der SIMEPSI – Società Italiana per la Medicina Psichedelica in Italien.
Haben Sie bei der Gründung auch eine andere Rechtsform geprüft oder was macht die Stiftung ideal?
Es war für uns von Anfang an klar, dass wir am Nutzen von Psychedelika für das Gemeinwohl interessiert sind. Die Stiftung als Rechtsform in der Schweiz ist optimal, um sicherzustellen, dass dieses übergeordnete Ziel unserer Arbeit nicht gefährdet wird. Trotz der grossen Stabilität, die uns die Rechtsform Stiftung gibt, erlaubt sie uns aber auch hohe operative Flexibilität. Ein profitorientiertes Modell haben wir uns nie vorgestellt, obwohl die jährliche Konferenz grösstenteils durch Ticketverkäufe finanziert ist. Da wir uns der Wissensvermittlung verschrieben haben, war es logisch, ein Modell zu finden, das die Wissensproduktion auch über andere Quellen als eigene Erträge finanziert. Um Wissen frei und an möglichst viele Menschen weiterzugeben, stellen wir zum Beispiel online kostenlos alle Aufzeichnungen der Vorträge zur Verfügung. Letztlich, wenn es darum geht, Wissen zu “verkaufen“, ist der wahre Gewinn die Bildung der Menschen: etwas, das man nicht kaufen kann und das keinen Preis hat.