Federico Seragnoli, Alps Foundation

Alps Foun­da­tion: Verständ­nis für Psyche­de­lika-assis­tierte Thera­pie fördern

Am 11. und 12. Oktober findet in Aarau die ALPS Conference 2024 statt. Die Alps Foundation fördert das Verständnis von psychedelischer Forschung und Therapie. Federico Seragnoli sagt, weshalb das Thema für die Gesellschaft relevant ist und erzählt, wie es zur Gründung der Stiftung kam.

Die Alps Foun­da­tion fördert das Verständ­nis von psyche­de­li­scher Forschung und Thera­pie. Was ist darun­ter zu verstehen?

Man beginnt Psyche­de­lika auf inter­na­tio­na­ler Ebene als viel­ver­spre­chende Medi­ka­mente zur Behand­lung bestimm­ter Formen von psychi­schen Erkran­kun­gen zu betrach­ten (United Nati­ons – World Drug Report – 2023). Psyche­de­lika-assis­tierte Thera­pie (PAT) könnte eine zusätz­li­che Behand­lungs­op­tion neben den bereits verfüg­ba­ren darstel­len. Insbe­son­dere bei Proble­men, die gegen­über den aktu­ell gängigs­ten Behand­lungs­for­men resis­tent blei­ben, wie Depres­sio­nen, Sucht­er­kran­kun­gen oder Trau­mata zeigen sie viel Poten­zial (Serag­noli et al., 2024).

Dennoch werden im allge­mei­nen Verständ­nis der Bevöl­ke­rung Psyche­de­lika wie Psilo­cy­bin, MDMA oder LSD nach wie vor als gefähr­li­che Drogen ange­se­hen. Im Vergleich mit ande­ren Substan­zen ist diese Klas­si­fi­ka­tion frag­wür­dig. Zum Beispiel wird Morphin, ein Deri­vat von Opium, norma­ler­weise als Schmerz­mit­tel im medi­zi­ni­schen Bereich betrach­tet, obwohl es ein Risiko für Abhän­gig­keit birgt und auch rekrea­tiv konsu­miert wird. Psyche­de­lika sind hinge­gen noch nicht als Medi­ka­mente klas­si­fi­ziert, obwohl die Risi­ken ihres Gebrauchs hinsicht­lich Toxi­zi­tät und Sucht­po­ten­zial im Vergleich zu ande­ren psycho­ak­ti­ven Substan­zen, die täglich in der Psych­ia­trie verwen­det werden (zum Beispiel Benzo­dia­ze­pine) rela­tiv gering sind.

Die Schweiz spielt eine Vorrei­ter­rolle und hat eine Schlüs­sel­po­si­tion in der inter­na­tio­na­len Entwick­lung dieser Therapien. 

Feder­ico Serag­noli, Alps Foundation

Die Schweiz spielt eine Vorrei­ter­rolle und hat eine Schlüs­sel­po­si­tion in der inter­na­tio­na­len Entwick­lung dieser Thera­pien. Im Unter­schied zu ande­ren Ländern erlaubt das Schwei­zer Gesetz unter stren­gen Bedin­gun­gen eine medi­zi­ni­sche Nutzung von norma­ler­weise verbo­te­nen Betäu­bungs­mit­teln. Patient:innen, die diese Behand­lung erhal­ten, müssen nach­wei­sen, dass sie bereits alle ande­ren Behand­lungs­mög­lich­kei­ten erschöpft haben, sowohl in der Psycho­the­ra­pie als auch hinsicht­lich der bereits zuge­las­se­nen Medi­ka­mente (Angst­lö­ser, Anti­de­pres­siva, Benzo­dia­ze­pine). Das Bundes­amt für Gesund­heit (BAG) erteilt in diesem Fall Patient:innen indi­vi­du­elle Geneh­mi­gun­gen für die psycho­the­ra­peu­ti­sche Anwen­dung einer psyche­de­li­schen Substanz (LSD, MDMA, Psilocybin).

Seit 2014 werden in der Schweiz auf diese Weise Psyche­de­lika im Rahmen der Psycho­the­ra­pie verwen­det. Seit etwa zehn Jahren konn­ten rund 1000 Pati­ent :innen von einer Psyche­de­lika-assis­tier­ten Thera­pie (PAT) profi­tie­ren (Aicher et al., 2024).

Die ALPS Foun­da­tion: Aware­ness Lectures on Psyche­de­lics in Switz­er­land wurde gegrün­det, um die Entwick­lung dieses aufstre­ben­den Bereichs zu unter­stüt­zen. Es ist uns wich­tig, das wissen­schaft­li­che Wissen, das wir heute über diese Substan­zen und ihre medi­zi­ni­sche Anwen­dung in der Psycho­the­ra­pie haben, zu teilen. Dies fördert die Entwick­lung von klini­schen und ande­ren Forschungs­pro­gram­men und redu­ziert das noch vorhan­dene Stigma gegen­über dieser Behand­lung. Um diese Behand­lung einer brei­te­ren Öffent­lich­keit zugäng­lich zu machen, war es zudem notwen­dig, einer neuen Gene­ra­tion von zukünf­ti­gen Gesund­heits­fach­leu­ten Zugang zu klaren und quali­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Infor­ma­tio­nen zu ermög­li­chen. Die univer­si­tä­ren Ausbil­dungs­an­ge­bote sind nämlich derzeit begrenzt oder nicht vorhanden.

Weshalb ist das Thema für die Gesell­schaft relevant?

Psycho­lo­gi­sche Resi­li­enz ist funda­men­tal für eine demo­kra­ti­sche, libe­rale und offene Gesell­schaft. Heute stehen wir vor kollek­ti­ven Heraus­for­de­run­gen wie etwa beschleu­nig­ten tech­no­lo­gi­schen Entwick­lun­gen oder dem Klima­wan­del, die uns dazu zwin­gen, unsere Gewohn­hei­ten und Perspek­ti­ven zu über­den­ken. Diese gross­flä­chi­gen Verän­de­run­gen sind Risi­ko­fak­to­ren für die psychi­sche Gesund­heit der Bevöl­ke­rung. Während Psyche­de­lika derzeit noch für behand­lungs­re­sis­tente Probleme reser­viert sind, könn­ten sie in Zukunft eine Erst­li­ni­en­the­ra­pie werden. Zudem könn­ten sie als präven­tive Mass­nahme in der psychi­schen Gesund­heit und sogar für Probleme im Zusam­men­hang mit dem Altern unter­sucht werden.

Rich­ten Sie sich an ein Fach- oder ein allge­mei­nes Publikum?

Die Stif­tung rich­tet sich über ihre verschie­de­nen Kommu­ni­ka­ti­ons­ka­näle an ein brei­tes Publi­kum. Wir bieten Podcasts sowie akade­mi­sche Vorträge für Studie­rende und Fach­leute im Bereich der psychi­schen Gesund­heit an. Das gesamte Bildungs­ma­te­rial ist online kosten­los verfüg­bar. Zusätz­lich lancie­ren wir auch Mitglied­schaf­ten, die sich gene­rell an alle Psyche­de­lika-Inter­es­sier­ten rich­ten. Für diese ALPS-Mitglie­der orga­ni­sie­ren wir Get-Toge­thers, bei denen ein infor­mel­ler Austausch rund um die Welt der Psyche­de­lika stattfindet.

Was gab den Anlass zur Grün­dung der Stiftung?

Wir waren eine Gruppe von Studie­ren­den der Univer­si­tät Lausanne und waren hung­rig nach Wissen. Nach­dem wir einen Blog­bei­trag der Multi­di­sci­pli­nary Asso­cia­tion for Psyche­de­lic Studies (MAPS) (Andrew Sewell, 2010) gele­sen haben, wurde uns klar, dass wir unse­ren Teil dazu beitra­gen könn­ten, Wissen über die thera­peu­ti­schen und wissen­schaft­li­chen Anwen­dun­gen von Psyche­de­lika zu verbrei­ten. Daher grün­de­ten wir 2019 den ersten schwei­ze­ri­schen univer­si­tä­ren Verein zur Weiter­gabe von Wissen in diesem aufkom­men­den Bereich: PALA – Psyche­de­lics Asso­cia­tion of Lausanne for Awareness.

Wir haben an der Univer­si­tät Serien von Paper Clubs, Doku­men­tar­film­vor­füh­run­gen und Exper­ten­vor­träge von Therapeut:innen oder Wissenschaftler:innen orga­ni­siert. Das Modell erwies sich schnell als erfolg­reich und wurde an ande­ren Schwei­zer Univer­si­tä­ten nach­ge­ahmt. Heute gibt es insge­samt sieben Univer­si­täts­ver­eine an den Univer­si­tä­ten Genf, Lausanne, Neuen­burg, Frei­burg, Bern, Basel und Zürich. Gemein­sam bilden sie das Swiss Psyche­de­lic Student Network, das jedes Jahr das Swiss Psyche­de­lic Student Forum veranstaltet.

Die Stif­tung deckt drei Haupt­be­rei­che ab: Bildung, Forschung und Zugangserleichterung.

Feder­ico Seragnoli

Schliess­lich ermög­lichte es uns eine Crowd­fun­ding-Kampa­gne des Vereins PALA im Okto­ber 2021 die erste schwei­ze­ri­sche akade­mi­sche Konfe­renz im Olym­pi­schen Museum Lausanne zu orga­ni­sie­ren: Aware­ness Lectures on Psyche­de­lic Science. Dank des Erfolgs und der erhal­te­nen Mittel grün­de­ten wir im Dezem­ber 2021 die Stif­tung ALPS: Aware­ness Lectures on Psyche­de­lics in Switz­er­land. Um die Konfe­renz lang­fris­tig zu sichern, hiel­ten wir es für notwen­dig, ein soli­des recht­li­ches Instru­ment zu schaf­fen, um unsere Mission fortzusetzen.

Welche Ziele soll sie erreichen?

Die Stif­tung deckt drei Haupt­be­rei­che ab: Bildung, Forschung und Zugangserleichterung.

Im Bereich Bildung entwi­ckeln wir verschie­dene Initia­ti­ven, die Menschen anspre­chen, die sich für diese Themen inter­es­sie­ren. Dazu gehört insbe­son­dere die jähr­li­che akade­mi­sche Konfe­renz zu Psyche­de­lika, sowie die jähr­li­che Studie­ren­den­kon­fe­renz. Zudem star­ten wir ein Projekt für eine Summer School, die als inten­si­ves und multi­dis­zi­pli­nä­res Lern­an­ge­bot für Studie­rende und Fach­leute, sowohl aus der Schweiz als auch aus dem Ausland, gedacht ist.

Im Bereich Forschung haben wir zwei aktive Projekte: Erstens die Erstel­lung unse­res ersten wissen­schaft­li­chen Arti­kels zu den Konsum­mo­ti­ven von Psyche­de­lika bei Univer­si­täts­stu­die­ren­den, für den die Daten­samm­lung abge­schlos­sen ist. Zwei­tens erfor­schen wir durch eine Online-Umfrage die kontex­tu­el­len Aspekte im Bezug auf Set und Setting des Konsums dieser Substan­zen. ALPS hat das Ziel, die notwen­di­gen perso­nel­len und mate­ri­el­len Ressour­cen zu bündeln, um bedeu­tende inter­uni­ver­si­täre Projekte auf natio­na­ler Ebene durchzuführen.

Schliess­lich erfolgt die Zugangs­er­leich­te­rung auf zwei Ebenen: für Fach­leute und für Patient:innen.

Feder­ico Serag­noli

Schliess­lich erfolgt die Zugangs­er­leich­te­rung auf zwei Ebenen: für Fach­leute und für Patient:innen. Auf der profes­sio­nel­len Seite bieten wir Bera­tungs­dienste für Klini­ken und Therapeut:innen an, die diese Behand­lungs­op­tion anbie­ten möch­ten. Auf der ande­ren Seite setzen wir uns für die Schaf­fung von Initia­ti­ven zur Erleich­te­rung des Zugangs für Pati­en­ten ein, wie den «Geneva Psyche­de­lic Psycho­the­rapy Pati­ents Access Fund», einen Fonds, der dazu beitra­gen könnte, einen Teil der Kosten für psyche­de­li­sche Thera­pien zu decken, die noch nicht voll­stän­dig von Kran­ken­kas­sen über­nom­men werden.

Wo liegen die gros­sen Heraus­for­de­run­gen für die Stiftung?

ALPS ist komplett durch Frei­wil­lige orga­ni­siert. Mitt­ler­weile sind wir eine Gruppe von über 30 Perso­nen, die pro Woche mindes­tens ein paar Stun­den inves­tie­ren. Wir sind bedacht, authen­ti­sche Verbin­dun­gen zwischen den Mitglie­dern der Gruppe zu knüp­fen und die besten Bedin­gun­gen für die Inte­gra­tion von Perso­nen zu schaf­fen, die teil­neh­men und ihren Beitrag leis­ten möch­ten. Da dieses Feld in voller Expan­sion begrif­fen ist und immer mehr Menschen die Möglich­keit suchen, sich beruf­lich weiter­zu­ent­wi­ckeln, müssen wir darauf achten, nicht zu schnell zu viele Dinge auf einmal zu tun, während wir gleich­zei­tig möglichst vielen Perso­nen die Gele­gen­heit zur Teil­nahme geben. Ähnlich wie damals Alain Berset während der Pande­mie betont hat, müssen wir «so schnell wie möglich handeln, aber auch so lang­sam wie nötig».

Arbei­ten Sie mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen zusammen?

Auf loka­ler Ebene arbei­ten wir in mit verschie­de­nen Univer­si­tä­ten und Kran­ken­häu­sern in der Schweiz in Genf, Fribourg, Zürich und Basel zusam­men. Diese verschie­de­nen Insti­tu­tio­nen sind im Scien­ti­fic Advi­sory Board der Stif­tung durch die wissen­schaft­li­chen Betreuer:innen unse­rer Akti­vi­tä­ten vertre­ten. Wir koope­rie­ren auch mit den schwei­ze­ri­schen Berufs­ver­bän­den für psyche­de­li­sche Therapeut:innen (SÄPT, SSMP, ASPT, Fonda­ziona Alaya) und mit der schwei­ze­ri­schen Pati­en­ten­ver­ei­ni­gung für psyche­de­li­sche Psycho­the­ra­pie (Psyché­de­los) zusam­men. Zusätz­lich arbei­ten wir daran, Part­ner­schaf­ten mit Stif­tun­gen und ande­ren NPO im Bereich mentale Gesund­heit aufzu­bauen, um unsere gesell­schaft­li­che Wirkung zu steigern.

Auf inter­na­tio­na­ler Ebene pflegt ALPS konti­nu­ier­li­che Kontakte mit ähnli­chen Insti­tu­tio­nen in benach­bar­ten Ländern, wie der MIND Foun­da­tion in Deutsch­land, der Société Psyché­dé­li­que Fran­çaise in Frank­reich, der OPEN Foun­da­tion in den Nieder­lan­den und der SIMEPSI – Società Italiana per la Medi­cina Psiche­de­lica in Italien.

Haben Sie bei der Grün­dung auch eine andere Rechts­form geprüft oder was macht die Stif­tung ideal?

Es war für uns von Anfang an klar, dass wir am Nutzen von Psyche­de­lika für das Gemein­wohl inter­es­siert sind. Die Stif­tung als Rechts­form in der Schweiz ist opti­mal, um sicher­zu­stel­len, dass dieses über­ge­ord­nete Ziel unse­rer Arbeit nicht gefähr­det wird. Trotz der gros­sen Stabi­li­tät, die uns die Rechts­form Stif­tung gibt, erlaubt sie uns aber auch hohe opera­tive Flexi­bi­li­tät. Ein profit­ori­en­tier­tes Modell haben wir uns nie vorge­stellt, obwohl die jähr­li­che Konfe­renz gröss­ten­teils durch Ticket­ver­käufe finan­ziert ist. Da wir uns der Wissens­ver­mitt­lung verschrie­ben haben, war es logisch, ein Modell zu finden, das die Wissens­pro­duk­tion auch über andere Quel­len als eigene Erträge finan­ziert. Um Wissen frei und an möglichst viele Menschen weiter­zu­ge­ben, stel­len wir zum Beispiel online kosten­los alle Aufzeich­nun­gen der Vorträge zur Verfü­gung. Letzt­lich, wenn es darum geht, Wissen zu “verkau­fen“, ist der wahre Gewinn die Bildung der Menschen: etwas, das man nicht kaufen kann und das keinen Preis hat.


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