The Philanthropist: Was ist das Ziel des Projekts Kirschlorbeer?
Philipp Christen: Im Mittelpunkt des Projekts steht die Sensibilisierung für Veränderungen im Ökosystem durch invasive Neophyten – also durch gebietsfremde Pflanzen, die sich stark ausbreiten. Es geht aber nicht darum, invasive Neophyten flächendeckend zu bekämpfen, sondern vielmehr darum, die Wertschätzung einheimischer Pflanzen zu stärken. Ein handfestes Ziel ist, alle Innerschweizer Schulareale von invasiven Neophyten zu befreien. Dabei zählen wir auf die Mitwirkung von Hauswartinnen und Hauswarten sowie Schulklassen. Das Projekt ist auf bestem Weg: Seit dem Projektstart 2019 haben bereits 54 Schulklassen und 20 Hausdienste mitgemacht, und rund die Hälfte der Innerschweizer Schulareale bieten nun mit einheimischen Sträuchern und Stauden kleine Lebensräume für unsere Flora und Fauna.
Weshalb ist das Eindämmen invasiver Neophyten wichtig?
Alle Pflanzen, die nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus in die Schweiz kamen, werden als Neophyten bezeichnet. Im Normalfall stellen solche «Einwanderer» kein Problem dar. Von den geschätzt 10’000 Arten, die seit 1492 in die Schweiz eingeführt wurden, können rund 800 selbständig überleben und ergänzen unser Ökosystem. 57 dieser 800 Neophyten entwickeln sich aber invasiv: Das heisst, sie verdrängen die einheimische Flora. Und das hat einen Einfluss auf die Biodiversität: Der Lebensraum für die rund 2650 einheimischen Arten wird eingeschränkt, Nahrungsketten werden unterbrochen.
Wie bekannt ist in der Öffentlichkeit, dass Kirschlorbeer ein Neophyt ist?
Ich glaube, das ist grundsätzlich weitgehend bekannt: Der Kirschlorbeer hat bei uns keine Schädlinge, ist nicht anfällig für Krankheiten – er fühlt sich wohl und kann sich ungestört ausbreiten. Weniger bekannt ist aber, dass die aus Südosteuropa/Westasien stammende Pflanze sich langsam in unseren Wäldern verbreitet, dort die einheimische Vegetation verdrängt und die natürliche Waldverjüngung verhindert. Denn durch die dichten Kirschlorbeerbestände können Jungpflanzen einheimischer Bäume und Sträucher nicht mehr aufwachsen. Verbreitet wird der Kirschlorbeer durch Vögel, die seine Beeren fressen. Diese Vögel sind übrigens auch die einzigen Lebewesen, die bei uns einen Nutzen vom Kirschlorbeer ziehen.
Lange galt Kirschlorbeer als ideale Heckenpflanze, immer grün, robust – hat er heute gar keine Daseinsberechtigung mehr in unseren Gärten?
Kirschlorbeer ist auch weiterhin eine ideale Heckenpflanze. Wird er regelmässig geschnitten und werden die Beeren entfernt, kann er sich auch nicht unkontrolliert von den Gärten in die Wälder ausbreiten. Als Alternative eignen sich aber beispielsweise auch Hainbuchen oder Liguster. Beide sind ebenfalls sehr gut schneidbare, aber nicht immergrüne Sträucher. Im Gegensatz zum Kirschlorbeer bieten sie aber einen ökologischen Nutzen und sind für uns Menschen nicht giftig.
Sie sprechen Hausdienste von Schularealen an. Sind diese schwer vom Projekt zu überzeugen?
Im direkten Kontakt zeigten die allermeisten Mitarbeitenden der Hausdienste Freude an einheimischen Pflanzen. Nicht zuletzt, weil deren Pflege normalerweise weniger aufwendig ist – denn der Kirschlorbeer muss doch regelmässig in Form geschnitten werden. Wichtig ist, dass wir vor Ort mit den Verantwortlichen besprechen, welche Pflanzen als Ersatz für den Kirschlorbeer gepflanzt werden sollen.
Die Biodiversität wollen wir aber nicht nur auf dem Land, sondern auch in Siedlungsgebieten fördern.
Philipp Christen, Albert Koechlin Stiftung
Weshalb hat die Albert Koechlin Stiftung gerade dieses Projekt realisiert und wie ist das Projekt zustande gekommen?
Die Albert Koechlin Stiftung fokussiert im Bereich Umwelt mit ihren eigenen Projekten vor allem auf vier Schwerpunkte: klimaschonende Mobilität, erneuerbare Energien, ressourcenschonende und tierfreundliche Landwirtschaft sowie Biodiversität. Die Biodiversität wollen wir aber nicht nur auf dem Land, sondern auch in Siedlungsgebieten fördern. Dazu gehört, dass einheimische Stauden und Sträucher wieder entsprechenden Lebensraum erhalten. Das Projekt «Kirschlorbeer» haben wir zusammen mit Fachpersonen aus den Bereichen Forstwirtschaft und Umweltbildung entwickelt. Teilweise fusst es auch auf einem früheren Bildungsprojekt «Hecken», bei dem mit Schulklassen die Artenvielfalt von Hecken erhöht wurde.
Ihr Projekt richtet sich auch an Schulklassen: Was steht im Fokus?
Auch hier geht es um Sensibilisierung: für einen Teil unseres Ökosystems und die verschiedenen Einflüsse darauf. Wichtig ist aber vor allem, dass Schülerinnen und Schüler ganz direkt erleben, dass sich für eine Verbesserung etwas machen lässt. Praktische Arbeit im Freien, ergänzt durch konventionelle Bildung im Schulzimmer, ist aus unserer Sicht ein ideales Modell, um nachhaltig etwas zu lernen und auch noch Spass daran zu haben. Denn wann darf man in der heutigen, digitalen Zeit schon mit dreckigen Händen etwas Gutes für die Umwelt tun – oder mit einer Säge und Muskelkraft mithelfen, die Biodiversität zu verbessern?