Wer heute an Menschen auf der Flucht denkt hat Bilder von Syrien oder Afghanistan vor Augen. Vor 70 Jahren war dies anders. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Fokus auf europäischen Flüchtlingen. Als am 28. Juli 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unterzeichnet wurde war sie für Europa gedacht. Bald führten jedoch aussereuropäische Flüchtlingssituation zu einer Aufhebung der geografischen Beschränkung.
Definition und Schutz
Um den Millionen Menschen auf der Flucht in den Nachkriegsjahren zu helfen wurde 1950 die UN Organisation für Flüchtlingsschutz UNHCR gegründet, das Office of the United Nations High Commissioner for Refugees. Ein Jahr später folgte die GFK. Sie behandelt Grundlegendes der Flüchtlingsfrage. «Seit 70 Jahren schützt die Genfer Flüchtlingskonvention Menschen, die gezwungen sind, zu fliehen. Sie legt fest, wer international als Flüchtling anzusehen ist und welche Mindeststandards für Flüchtlinge international gelten», sagt Anja Klug. Die UNHCR-Vertreterin für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein fügt an: «Neben der Flüchtlingsdefinition sind in der Konvention fundamentale Rechte enthalten, wie bspw. der Schutz vor Diskriminierung, die Religionsfreiheit, der freie Zugang zu Gerichten oder insbesondere der Grundsatz der Nichtzurückweisung an der Grenze (sog. «non-refoulement» — Verbot).» Internationale und regionale Menschenrechtsstandards ergänzen diese Gründsätze. Sie sind in den vergangenen 70 Jahren entstanden. Teilweise gehen sie über die Mindeststandards der GFK hinausgehen oder bieten einen komplementären Schutz. Bis heute ist die GFK das wichtigste Dokument für den Flüchtlingsschutz.
82 Millionen Menschen auf der Flucht
UNHCR wurde ursprünglich für drei Jahre gegründet. Dann wollte man das Flüchtlingsproblem gelöst haben. Doch das Thema verlor nicht an Bedeutung. Im Gegenteil. Cristina Davies, geschäftsführende Direktorin von Switzerland for UNHCR, sagt: «Die Arbeit des UNHCR war jedoch noch nie so dringlich und komplex wie heute. Heute sind weltweit mehr als 82 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Konflikten und Verfolgung.» Das heisst, mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung ist auf der Flucht. Cristina Davies fügt an: «Aber immer noch geht es jedoch um die gleiche fundamentale Idee: Eine Antwort auf die Auswirkungen von Konflikten und Verfolgung zu finden und den Flüchtlingen einen angemessenen Schutz zu ermöglichen.»
Geschützt durch die Konvention
In den vergangenen 70 Jahren erhielten Millionen von Menschen Schutz durch die GFK. 149 Staaten haben sie bis heute unterzeichnet. Doch sie wirkt über ihren eigentlichen Geltungsbereich hinaus. So ist das «non-refoulement»-Prinzip inzwischen als völkerrechtliches Gewohnheitsrecht anerkannt. Damit müssen in der Regel auch Staaten das Prinzip anwenden, welche die Konvention nicht unterzeichnet haben. Und auch für NGOs ist die GFK von Bedetung. Sie nehmen in der Umsetzung eine wesentliche Rolle ein. Die NGOs unterstützen und ergänzen staatliche Akteure. Sie sind wichtige Partner für UNHCR. Anja Klug sagt: «Die in völkerrechtlichen Verträgen wie der Genfer Flüchtlingskonvention enthaltenen Vorschriften wenden sich in erster Linie an Staaten und Regierungen. Diese verpflichten sich mit ihrer Unterschrift zu ihrer Einhaltung. Allerdings sind auch Nichtregierungsorganisation (NGOs) und andere zivilgesellschaftliche Akteure angehalten, die von den Aufnahmestaaten der Flüchtlinge etablierten Regeln und innerstaatlichen Gesetze einzuhalten. In der Praxis nehmen diese eine wichtige Rolle im Flüchtlingsschutz ein.»
Wichtigste Zahlen:
- 1950: Gründung UNHCR
- 1951: Genfer Flüchtlingskonvention
- 1967: Geografische und zeitliche Erweiterung des Wirkungsbereichs mit dem Protokoll
- 1990: 40 Millionen Menschen auf der Flucht
- 2020: 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht
- 2021: Aktiv in 135 Ländern