Laterale Führung ist nichts Neues. Sie geschieht im Arbeitsalltag häufig, ohne dass sie so bezeichnet wird: nämlich immer dann, wenn Mitarbeitende ohne Weisungsbefugnis andere dazu bringen, bestimmte Aufgaben zu verantworten. Die Kolleg:innen tragen dann ihren Teil zur Arbeit bei, ohne einer offiziellen Anweisung zu folgen – oft freiwillig und gerne. Der laterale Führungsstil gewinnt an Bedeutung, während gleichzeitig hierarchische Strukturen immer mehr verschwinden. Dafür gibt es mehrere Gründe: Arbeitnehmer:innen fordern heute mehr Mitbestimmung und mehr Freiheiten ein, und sie arbeiten oft virtuell und dezentral, was Kontrollen erschwert. Tanja Ineichen, Head of Leadership & Transformation beim Gottlieb Duttweiler Institute GDI und Co-Autorin eines Buchs über laterale Führung, stellt zudem einen Trend zu mehr Interdisziplinarität als Folge eines gesellschaftlichen Wandels fest: «Wir haben es mit neuen Situationen zu tun, die uns überfordern können, die aber zugleich Potenzial haben, um Neues entstehen zu lassen.» Hier helfe es, interdisziplinär zu denken und zu handeln. «Eine gelungene Auswahl an Personen, die in einem vereinbarten Rahmen zusammenarbeiten, ist entscheidend für eine gelungene Transformation und Innovation.»
Commitment heisst «komm mit»
Für ihr Buch befragten Tanja Ineichen und Co-Autor Gunther Fürstberger über 100 Personalmanger:innen, welches die wichtigste Fähigkeit einer lateralen Führungskraft sei. «Commitment gewinnen» war dabei die mit Abstand am meisten genannte Antwort. Commitment heisse nichts anderes als «komm mit», sagt Ineichen: die Bereitschaft, sich gemeinsam auf den Weg zu machen, um ein laterales Vorhaben umzusetzen. Commitment ist deshalb so wichtig, weil eine laterale Führungskraft eben kein Weisungsrecht hat und somit auch keine Sanktionen aussprechen kann, wenn jemand nicht mitarbeitet. Sie ist darauf angewiesen, dass sich andere freiwillig engagieren. Dafür müssen laut Ineichen primär zwei Faktoren erfüllt sein: Vertrauen in die laterale Führungsperson und die Überzeugung, dass das Vorhaben sinnvoll ist. «Um Commitment zu gewinnen, muss die laterale Führungsperson bereit sein, allen Beteiligten Nutzen zu verschaffen – und nicht nur sich selbst.» Zudem müsse das Ziel allen klar und von allen als richtig und wichtig anerkannt sein. Selbstverständlich muss auch die laterale Führungsperson selbst «committed» sein: Nur wer hinter einem Vorhaben steht, kann lateral führen. Laterale Führungskräfte legitimieren sich nicht über eine Machtposition, sondern über ihre Präsenz, Expertise, ihr Verhandlungsgeschick oder ein nutzbringendes Netzwerk.
Laterale Führung funktioniere dann, wenn ihre Ziele dem Kunden dienen, sagt Ineichen: «Es muss für alle Involvierten attraktiv sein, sich einzubringen.» Sei dies nicht gegeben, stosse die laterale Führung an ihre Grenzen: «Wo keiner bereit ist, sich einzubringen und sich führen zu lassen, besteht auch keine laterale Führung.» Wo die Führung auf Augenhöhe jedoch gelingt, sind die Mitarbeitenden motivierter, produktiver, loyaler – kurz: zufriedener.