Die Limmat Stiftung wird 50 Jahre alt. Es ist die älteste und erste Dachstiftung der Schweiz. Was war damals der Anlass, eine Dachstiftung zu initiieren?
Der Hauptinitiator der Limmat Stiftung, Toni Zweifel, hatte es in den siebziger Jahren so formuliert: «Es kommt oft vor, dass Privatpersonen zwar bereit wären, ein gemeinnütziges Werk ins Leben zu rufen und zu finanzieren, diese Absicht aber mangels einer geeigneten Infrastruktur nicht zu realisieren vermögen.» So wurde eine «Infrastruktur für gemeinnützige Initiativen verschiedener Geldgeber» auf die Beine gestellt und «weitgehend autonome Stiftungen innerhalb der Limmat Stiftung» errichtet. Meiner Meinung nach ist es sehr spannend, wie schon damals die Kernelemente einer modernen Dachstiftung vorhanden waren.
Was sind die Vorteile dieses Modells?
Für Stifterinnen und Stifter ist es empfehlenswert, die Zusammenarbeit mit einer Dachstiftung in Erwägung zu ziehen, bevor sie eine selbstständige Stiftung errichten. Bei einer Dachstiftung profitieren Zustifterinnen und Zustifter von der vorhandenen Infrastruktur sowie von ihrer Erfahrung im Bereich der Stiftungsverwaltung, Projektverwirklichung und der Vermögensverwaltung. Unter dem Dach einer bestehenden Stiftung sind viele Synergien möglich, zum Beispiel mit bestehenden Projektpartnern, mit anderen Zustiftungen und allenfalls mit weiteren Finanzierungsquellen.
Die Limmat Stiftung möchte somit nicht nur für die Geldgeberseite optimale Lösungen anbieten, sondern auch für die bedürftigen Menschen.
François Geinoz
Bei der Limmat Stiftung haben wir für den allgemeinen Stiftungsaufwand (Verwaltung, Kommunikation, Büros, IT etc.) ein Vermögen von rund 20 Millionen, sodass die Zustiftungen nur jene Kosten tragen müssen, die sie selbst verursachen.
Gemäss dem Jahresbericht vereinigte die Limmat Stiftung 2021 15 Zustiftungen und 34 zweckgebundene Fonds? Was unterscheidet die beiden Formen?
Zustiftungen weisen ausser einer eigenen Rechtspersönlichkeit alle Merkmale einer selbständigen Stiftung auf: Vermögen, Bilanz, Zweck, Projekte, Reglement und ein eigener Zustiftungsrat. Zweckgebundene Fonds sind eine schlankere und weniger stiftungsähnliche Lösung. Grundsätzlich sind dort die Mittel auch an einen eigenen Zweck mittels eines Passivkontos gebunden. Ausserdem haben die Geldgeberinnen und Geldgeber ein Mitspracherecht. Für grössere Vermögen und längerfristige Vorhaben sind Zustiftungen die bessere Lösung.
Welche Vision hat die Limmat Stiftung?
Unsere Vision ist eine Welt, in der alle Menschen Bildung erhalten, die sie befähigt, ihre Gemeinschaften verantwortungsvoll und zum Wohle aller zu gestalten oder kurz: «Entwicklung durch Ausbildung». Die Limmat Stiftung möchte somit nicht nur für die Geldgeberseite optimale Lösungen anbieten, sondern auch für die bedürftigen Menschen. Ebenso die Messung des Social Impacts spielt für uns ein zentrale Rolle, damit die Mittel wirksam und effizient eingesetzt werden. Daher stammt auch die Idee für unser Logo: Die Brücke zwischen Geldgebern und Projekten.
Die Limmat Stiftung hat in den vergangenen 50 Jahren über 1000 Projekte in 81 Ländern unterstützt. Wie viele aktive Projekte laufen aktuell?
Aktuell sind es ca. 50 Projekte in 15 Ländern, jeweils mit lokalen Partnerorganisationen. Viele Projekte begleiten wir auch näher mit unseren Projektmanagern. Die Wahl der Projekte hängt einerseits stark vom Wunsch der Geldgeber ab. Andererseits spielen auch unsere Qualitätskriterien eine grosse Rolle.
Bilder aus den Projekten der Limmat Stiftung
Welches sind die thematischen Schwerpunkte?
Seit 50 Jahren sind einige Themen für uns zentral und stellen bis heute wichtige Prioritäten dar: Kinder, Frauen sowie die Ausbildung von Ausbildnern. In der Tat bilden Frauen die Mehrheit unserer Begünstigten. Aktuell setzen wir einen Fokus auf die Berufsausbildung und konzentrieren uns dabei besonders auf die Umsetzung einiger Elemente aus dem schweizerischen dualen Bildungssystem in Entwicklungsländern.
Wie gross ist die Summe, mit welcher die Limmat Stiftung Projekte fördert?
Wir unterstützen Projekte für jährlich 6 Millionen Franken. Die Beiträge für Einzelprojekte können stark variieren, je nach Projekttyp sowie Möglichkeiten der Gelgeberinnen und Geldgeber. Wichtig für uns ist bei den Projekten der lokale Finanzierungsanteil, damit, wenn unsere Unterstützung beendet ist, das Projekt nachhaltig weitergeführt werden kann.
Was hat sich in den letzten zehn Jahren verändert?
Allgemein ist eine Professionalisierung sowohl im Stiftungssektor als auch bei den Projektpartnern zu beobachten. Eine weitere Entwicklung: Bis vor 25 Jahren war die Limmat Stiftung die einzige Dachstiftung in der Schweiz. Jetzt sind es mehr als 20 Dachstiftungen mit einem Fondskapital von ca. 1 Milliarde Franken. Glücklicherweise sind wir gut vernetzt, können uns austauschen und voneinander lernen. In Kooperation mit dem Stiftungsverband proFonds organisiert die Limmat Stiftung jährlich für alle Dachstiftungen einen Arbeitstag. Weitere Informationen erhalten Sie auch auf www.dachstiftungen.ch.
Neu sind Sie auf allen wichtigen Social-Media-Kanäle vertreten. Gibt es noch weitere Projekte hinsichtlich der Digitalisierung?
Unsere Präsenz auf Social Media war ein schöner und wichtiger Schritt. Der Auftritt ermöglicht uns eine aktivere Informationsverbreitung sowie intensivere Vernetzung mit unseren Followern. In wenigen Tagen wird auch unsere neue Website online sein. Auf diese Neuerung freuen wir uns sehr.
Was genau fasziniert Sie als Geschäftsleiter besonders an Ihrem Job?
Selbst, wenn jede ehrliche Arbeit sinnvoll sein kann und soll, ist es besonders schön, wenn der eigene Einsatz einen direkten Nutzen zeigt. Es begeistert mich, wenn ich für Personen mit finanziellen Möglichkeiten eine Lösung entwickeln kann, damit sie Gutes tun. Es erfüllt mich besonders, wenn hilfsbedürftige Menschen dank unserer Projekte im Leben vorankommen. Zudem schätze ich das einmalige Team mit meinen engagierten Kolleginnen und Kollegen an der Geschäftsstelle sehr.
Wie werden Sie das Jubiläum feiern?
Am 1. September 2022 feiern wir in Zürich eine grosse Jubiläumsveranstaltung mit zahlreichen Freunden und Verbündeten der Stiftung. Mehrere Vertreterinnen und Vertreter der Donatorenseite werden ihre Erfahrungen mit unserer Dachstiftung schildern. Ebenso kommen drei extra angereiste Projektverantwortliche zu Wort. Hierfür haben wir Projekte aus Indien, Kolumbien und Kenia ausgewählt. Zudem fördern wir – auch mit Spendenaufruf – im Bereich der Berufsausbildung drei Jubiläumsprojekte in drei verschiedenen Kontinenten. Auf diesem Weg können auch bedürftige Menschen an unserem Jubiläum teilhaben, was uns besonders wichtig ist.