The Philanthropist: Mit 25 Jahren ist die Aktion etabliert. Wie ist die Idee zu 2 x Weihnachten ursprünglich entstanden?
Markus Mader: Am Anfang stand ein Brainstorming für die Radiosendung Espresso. Die Redaktion diskutierte, wie sie mit dem Thema Weihnachten und Schenken umgehen könnte. Sie wollten kritisch aber nicht negativ sein. Jemand fragte, was er machen könne, wenn seine Tochter zwei Mal dasselbe Plüschtier geschenkt bekomme. Und so entstand die Idee des Umverteilens. Bei der Frage der Logistik kam man schnell auf die Post. Schliesslich wurde die Aktion per Handschlag besiegelt, zwischen SRG, Post und dem Schweizerischen Roten Kreuz.
Und wann kam Coop dazu?
Schon ein Jahr später gehörte Coop dazu.
Weshalb?
Die gespendeten Güter waren zum Teil nicht ausgewogen. Es wurden nicht die Dinge gespendet, die gebraucht worden wären. Man merkte rasch, wie wichtig Lebensmittel sind.
Und das hat die Aktion verändert?
2 x Weihnachten entwickelt sich stetig weiter. Gerade die Logistik für 70’000 Päckli ist eine grosse Herausforderung. Eine grössere Anpassung wurde 2017/18 beschlossen. Die Sammelaktion wurde reduziert auf Dinge, die das Budget von armutsbetroffenen Menschen entlasten. Seit vier Jahren sammeln wir daher nur noch lang haltbare Lebensmittel und Produkte für die Körperhygiene.
Und Spielwaren?
Zu Beginn wurden sehr viele Plüschtiere gespendet. Doch wir wissen ja nicht, welche Familien überhaupt Kinder in dem Alter haben, die sich über Plüschtiere freuen würden. Auch ich bin jeweils nach Weihnachten mit meinen Kindern zusammengesessen. Wir haben die Spielsachen angeschaut, die ihnen geschenkt wurden. Und wir habe entschieden, welche wir weiterschenken wollten. Heute fokussiert sich 2 x Weihnachten auf wenige Produkte. Wir sammeln noch rund 20 Kategorien des täglichen Bedarfs.
Auch keine Kleider mehr?
Nein, wir sammeln auch keine Kleider mehr. Zu Beginn erhielt 2 x Weihnachten auch viele Kleider. Sogar ein Hochzeitskleid wurde gespendet. Es kam von einer älteren Frau. Die Spenderin legte einen handgeschriebenen Brief bei mit 50 Franken. Sie meinte, das Kleid könnte nochmals verwendet werden. Heute haben wir uns konsequent umorientiert. Wir denken von den Betroffenen aus, was sie besonders benötigen. Das ist nachhaltiger und ökonomischer.
Die Sammelaktion wurde reduziert auf Dinge, die das Budget von armutsbetroffenen Menschen entlasten.
Markus Mader, Direktor Schweizerisches Rotes Kreuz
Für das Sortieren setzen Sie auf Freiwillige. Ist es schwierig, diese zu finden?
Nein. Wir haben Freiwillige, die bereits seit 25 Jahren dabei sind. Und jedes Jahr haben wir Anfragen von Interessierten. Zudem haben wir Tage, an denen Unternehmen mit ihren Mitarbeitenden kommen. Für diese ist das Engagement ein Teambildungsprozess. Man arbeitet Hand in Hand. Das ist nicht zu unterschätzen. Auch wir vom SRK machen jedes Jahr einen Freiwilligenabend mit den Mitarbeitenden. Freiwilligenarbeit ist ja sowieso die Hauptressource des roten Kreuzes. Wir zählen rund 14 Millionen Freiwillige weltweit.
Wie viele Freiwillige benötigen Sie für die Aktion?
Wir brauchen rund 20 bis 30 Freiwillige pro Tag. Insgesamt sind das rund 400 Personen pro Jahr, die 4000 Stunden Freiwilligenarbeit leisten.
Wie hat die Pandemie die Situation verändert?
Erstaunlicherweise recht wenig. Im Vorjahr waren wir nervös, weil wir nicht wussten, was möglich sein würde. Aber fast alle Freiwilligen kamen und sortierten unter Einhaltung der Schutzmassnahmen mit. Auch die Anzahl Päckli blieb stabil. Gestiegen ist der Bedarf. Gerade Menschen, die bereits in der Armut oder am Rand der Gesellschaft leben sind hat die Pandemie besonders getroffen. Sie arbeiten auf Abruf oder im Stundenlohn. Und wer bereits mit 100 Prozent Lohn nur knapp über die Runden kommt, für den bedeutet jede Reduktion, dass es nicht mehr zum Leben reicht.
Sie sammeln Naturalspenden. Was ist der Vorteil?
Natürlich sind Geldspenden am effizientesten. Darum sammeln wir für unsere Ausland-Hilfe im Rahmen von «2 x Weihnachten» Online-Spenden. Damit setzen wir Winterhilfe-Projekte in Bosnien-Herzegowina, Kirgistan, Moldawien und Armenien um. Dies sind entweder Suppenküchen, wo die Menschen warme Mahlzeiten erhalten, oder Projekte, wo wir direkt mit Grundbedarf oder Gutscheinen Familien und Einzelpersonen unterstützen, damit sie etwas leichter durch den Winter kommen.
Aber in der Schweiz setzen Sie weiterhin auf Naturalspenden.
Für viele Spenderinnen und Spender in der Schweiz ist der Akt des Spendens wichtig. Es ist ein symbolischer Akt. Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Als meine Kinder noch kleiner waren, haben wir dies zelebriert. Wir sind gemeinsam einkaufen gegangen. Wir haben besprochen, ob wir diese Schokolade oder jene für die Aktion kaufen wollten.
Ist die Aktion heute ein Selbstläufer?
Im positiven Sinn ja. Wir haben starke Partner. Aber auch wenn die Aktion nicht in Frage gestellt ist evaluieren wir jedes Jahr, was wir besser machen können.
Für viele Spenderinnen und Spender in der Schweiz ist der Akt des Spendens wichtig.
Markus Mader, Direktor Schweizerisches Rotes Kreuz
Wie wichtig ist die Aktion für das Schweizerische Rote Kreuz?
Für mich ist die Aktion klar ein Leuchtturmprojekt. Es entspricht unserem Kern. Wir setzen auf Freiwillige. Und über unsere Kantonalverbände haben wir direkten Kontakt mit den Betroffenen. Und es bringt uns natürlich Öffentlichkeit.
Sie unterstützen Menschen in Osteuropa und Zentralasien, aber auch in der Schweiz. Ist die Situation dieser Menschen vergleichbar?
Wir unterstützen mit der Aktion armutsbetroffene Menschen am Rand der Gesellschaft. Ihre Situation ist überall ähnlich, aber es gibt natürlich länderspezifische Unterschiede. In Armenien helfen wir vor allem älteren Menschen. Weil die Jüngeren ausgewandert sind haben die Älteren oft keine Angehörigen mehr in der Nähe. Wir kaufen Lebensmittel und Holz lokal und stärken damit auch den Markt vor Ort. In Kirgistan unterstützen wir insbesondere Familien mit kranken Kindern. Und in Armenien und Moldawien betreiben wir Suppenküchen, wo die Ärmsten zumindest eine warme Mahlzeit erhalten.
Noch bis zum 11. Januar läuft die Aktion 2 x Weihnachten. Mehr Infos.