Psychische Krankheiten sind häufig mit einer erhöhten Stressintoleranz und Verletzbarkeit verbunden. Dies ist einer der Gründe, wieso Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung Schwierigkeiten haben, dem Leistungsdruck der Gesellschaft standzuhalten. Und dank effektiven Therapien können psychisch erkrankte Menschen heute noch schneller stabilisiert und aus einer stationären Therapie entlassen werden. Aber die Gesellschaft ist noch nicht genügend bereit für die Integration und Inklusion von Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung. Es gibt zu wenig geeignete Arbeitsplätze für die betroffenen Menschen, weshalb diese häufig weder eine Rolle noch eine Aufgabe in der Gesellschaft wahrnehmen können, was zu sozialer Isolation führt. Umso wichtiger sind Angebote wie die eines Living Museum – eines offenen Orts, an dem psychisch beeinträchtigte Menschen frei künstlerisch tätig sein können. Durch den Einbezug von Kunstschaffenden ohne Psychiatrie-Erfahrung entsteht eine vielfältige Durchmischung und eine tragende soziale Gemeinschaft. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass künstlerisches Schaffen zu einem Spannungsabbau, zu Katharsis und zum Abbau von Angst führen kann. In einem Living Museum wird Selbstkompetenz aufgebaut und auch Hoffnung kann im künstlerischen Prozess wieder aufleben. Ein Living Museum ist zugleich ein offenes Atelier, ein Kunstraum und ein Museum für zeitgenössische Kunst. Durch einen aktiven Austausch mit der Öffentlichkeit nimmt es ebenfalls einen gesellschaftlichen Sensibilisierungsauftrag wahr.
Eine wertvolle Bereicherung für die Gesellschaft
In einer verlassenen Kantine des Creedmoor Psychiatric Center in Queens, New York, nahm die Geschichte der Living Museums im Jahre 1983 ihren Anfang. Überzeugt davon, dass künstlerisches Schaffen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen Heilung und Genesung fördern kann, verwandelte Dr. Janos Marton, ein ungarischer Künstler und Psychologe, die leerstehende Kantine in einen Ort der Kreativität. Und knapp 20 Jahre später wurde 2002 das erste Living Museum in der Schweiz eröffnet, als Teil der psychiatrischen Klinik in Wil SG. Mittlerweile gibt es an zwölf Orten in der Schweiz ergänzende therapeutische Angebote durch ein Living Museum. Im Jahr 2022 wurde das Living Museum Zürich eröffnet, welches die Kombination aus Kunst und Therapie auch in die Limmatstadt brachte. Gina Orsatti, Director Living Museum Zürich, erklärt: «Ein Living Museum in Zürich ist eine wertvolle Bereicherung für unsere Gesellschaft. Menschen, die nach einem stationären Aufenthalt in der Psychiatrie auf der Suche nach Stabilität und Rückhalt sind, profitieren von einem Raum, in dem sie sich durch kreatives Gestalten mit sich selbst und ihrer Umwelt auseinandersetzen können.» Wie auch für viele andere gemeinnützige Projekte ist die finanzielle Lage nicht einfach. Gina Orsatti führt aus: «Seit zweieinhalb Jahren sind wir als Pilotprojekt auf der Hardgutbrache zuhause. Durch die Verlängerung der Zwischennutzung bis Ende 2027 hat sich die Suche nach einem definitiven Standort etwas entschärft – wir sind jedoch weiterhin intensiv auf der Suche nach geeigneten und bezahlbaren Räumlichkeiten sowie nach finanzieller Unterstützung, um den Betrieb längerfristig aufrechterhalten zu können.» Denn dass im letzten Jahr 74 Kunstschaffende während total 2436 Stunden künstlerischen Tätigkeiten nachgehen konnten, ist nur dank der Hilfe von Partnern wie der Schwyn-Stiftung und Beiträgen der Stadt Zürich möglich, welche das Living Museum Zürich massgeblich finanziell unterstützen.